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Neon Sleep

Neon Sleep

 

17.08.08 - per Email / Berlin

Interview:  Martina

Foto: Verena Knemeyer

 

 

 

Hinter Neon Sleep verbirgt sich der Münsteraner Henning Sommer. Seine Musik ist makelloser Elektropop mit einer Prise analogen Instrumenten. Einerseits klingt sie zerbrechlich betrübt und zum Dahinträumen geeingnet, im nächsten Moment wiederum provoziert sie wummernd treibend zum Abtanzen. Momentan schreibt Henning Sommer an seinem ersten Album, das mit ziemlicher Sicherheit am Ende eben diese delikate Mischung wunderschöne Songs mit catchty Melodien enthalten wird. Aber davon sollte sich jeder selbst überzeugen. Genauso von der live Umsetzung seiner Songs, die das Publikum jedes Mal begeistert. Im Anschluss an eines dieser Konzerte trifft man sich für eine nette Plauderei mit Herrn Sleep, aus der ein paar Wochen später das folgende Email-Interview entsteht.

Soundmag: Hallo Henning. Wo befindest du dich gerade?

Henning: Ich bin bei mir zu Hause in meinem kleinen Heimstudio, wo ich im Moment die meiste Zeit verbringe.

Soundmag: Bist du gerade aufgestanden oder ist es schon wieder Zeit ans Schlafen zu denken?

Henning: Nun ja, um 10 Uhr abends sollte man langsam anfangen, ans Schlafen zu denken. Ohnehin ist Schlafen ein unterbewerteter Zustand. Der Traum wird ja oft auch als die eigenste Welt bezeichnet. Ich habe mir nicht zuletzt diesen Namen gegeben, weil mich die Frage des Schlafes so eindringlich beschäftigt. Die stellt sich für mich in etwa so: Schläft man überhaupt seinen eigenen Schlaf? Oder gibt es da etwas, das sich in unseren Träumen eingenistet hat?

Soundmag: Arbeitest du lieber am Tag oder in der Nacht?

Henning: Ich wünschte, ich könnte mit „am Tag“ antworten, da mich meine Nachbarn sicherlich für alles andere als gut bürgerlich halten. Meistens arbeite ich bis spät in die Nacht und komme morgens kaum aus dem Bett. Die meiste Disziplin zum Schreiben oder Aufnehmen habe ich einfach, wenn ich mich so fühle als sei ich der letzte Mensch auf Erden - und diese tragische Gefühlslage kommt meistens nur dann zu Stande, wenn hier in dieser Kleinstadt auf den Straßen wirklich so wenig los ist, als sei dieses Szenario tatsächlich eingetreten.

Soundmag: Was machen die Aufnahmen zu deinem Debüt-Album?

Henning: Es geht voran, soviel ist sicher! Und der Veröffentlichungszeitraum steht auch schon. Es soll der Januar 2009 werden. Das wird auch langsam Zeit. Ich war in den letzten Monaten etwas niedergeschlagen, weil eine Zusammenarbeit mit größeren Firmen in Aussicht quasi stand, letztendlich aber nicht zu Stande gekommen ist. Ich hatte sogar in Berlin schon die ersten zwei Songs aufgenommen. Aber dann gab es Probleme sich vertraglich zu einigen und somit kann ich die Aufnahmen nicht verwenden.

Soundmag: Du nimmst also jetzt zu Hause auf?

Henning: Das ist richtig. Ich nehme gerade die Songs noch einmal in Eigenregie in meinem Heimstudio auf. In den letzten Wochen hatte ich ein paar Termine bei diversen Leuten, die das ganze dann mit Abstand mischen und mastern werden. Wo es dann genau erscheinen wird steht noch nicht zu 100% fest, da kann durchaus noch was passieren. Wenn aber alles so bleibt wie es jetzt aussieht, wird das Album auf Tenstaag erscheinen, die auch Eskobar, Ja, Panik und Hund am Strand hier in Deutschland gemacht haben.

Soundmag: Wieviel schwieriger ist es, alles alleine zu machen?

Henning: Also auf der einen Seite ist es für mich eine gewohnte Situation, da ich ja auch alle Songs alleine schreibe und die Voraufnahmen immer selbst gemacht habe. Alles was man live von mir bis jetzt gehört hat, war auch hier zu Hause zusammengeschraubt. Der Vorteil davon ist, dass man seelenruhig und ohne Zeitdruck rumprobieren kann wie man will. Auf der anderen Seite stellt es aber natürlich auch eine große Gefahr dar, weil man sich leicht in Ideen verrennen kann, bei denen jemand anders mit etwas Abstand vom Song direkt sagen könnte, dass das totaler Mist ist, den man da gerade verzapft. Damit das nicht passiert, nerve ich eine Menge Freunde mit meinen Voraufnahmen, die regelmäßig ihre Meinung dazu abgeben müssen. Nichts ist besser, als dass man mal ab und an gesagt bekommt, dass irgendwas richtig scheiße ist. (lacht)

Soundmag: Auf deiner Myspace-Seite steht: „Currently writing Album No.1“. Eigentlich müsste es doch „Currently writing No.1 Album“ heißen. Mit soviel unverschämt guten Songs muss das doch zu schaffen sein. Wird es ein überwiegend elektronisches Album oder sind Veränderungen im Sound vorgesehen?

Henning: (lacht) Danke für die Blumen… aber naja… also ich mache mir eigentlich wenig Illusionen, was einen eventuellen kommerziellen Erfolg angeht. Ich glaube dafür ist das, was ich mache, doch noch etwas zu eigenwillig. Klar, ich setze schon auf typisches Pop-Songwriting, aber um im Radio rauf und runter zu laufen, bedarf es ja bekanntlich noch mehr Parametern wie gewissen Produzentennamen, die im Booklet stehen, einer bestimmten Stimmung oder einem gewissen Sound, der gerade en vogue ist. Das Album wird definitiv sehr elektronisch sein. Es gibt wahrscheinlich keinen Song ohne Synthesizer. Allerdings wird auch viel echtes Schlagzeug zu hören sein, was es bis jetzt auf den Liveshows nicht gab.

Soundmag: Bei den nächsten Konzerten ist Neon Sleep wieder ein Duo - wie zu Beginn. Was wird sich verändern?

Henning: Das ist ganz richtig. Marc Steiling wird in Zukunft mit mir unterwegs sein und das bereits erwähnte Schlagzeug live umsetzen. Ich hatte das Gefühl, dass es Zeit dafür ist, weil ich mehr echtes Feeling auf der Bühne brauche. Ich habe lange in Bands gespielt, die nichts mit Elektro am Hut hatten und ein Drumcomputer ist nun mal einfach nicht so lebendig wie ein fühlender Mensch hinterm Schlagzeug. Das wird mehr Druck bringen - sowohl auf dem Album als auch auf der Bühne. Außerdem ist es etwas öde, alleine zu einem Konzert zu fahren. Deswegen braucht man jemanden, der schlechte Witze erzählen kann. Und ganz ehrlich: da setze ich große Hoffnungen auf Marc. (lacht)

Soundmag: Gehört Marc dann als festes Bandmitglied mit zu Neon Sleep oder ist diese Besetzung nur für Konzerte geplant?

Henning: Also er gehört fest zur Band, die unter Umständen auch noch erweitert werden kann, wenn es sich ergibt - etwa um eine Dame am Synthesizer. Am Songwriting ist er allerdings nicht beteiligt. Vielleicht ergibt sich das noch in der laufenden Studioarbeit, aber das halten wir offen. So etwas muss eben auch einfach entstehen. Aber es sieht im Moment so aus, als würde Neon Sleep mein Soloprojekt bleiben, bei dem ich live Unterstützung habe.

Soundmag: Was würdest du ohne Musik machen?

Henning: Ich habe keine Ahnung. Vielleicht würde ich mich mehr ins Studium reinhängen und keinen Fuß mehr aus der Bibliothek setzen und u. U. sogar gute Noten haben. Vielleicht würde ich aber auch versuchen, Profi im Tischfußball oder Minigolf zu werden. Aber das bleiben Spekulationen.

Soundmag: War es schon immer dein Wunsch, Musiker zu werden?

Henning: Bin ich das? Ja vielleicht. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob man diese Vorstellung haben kann, ohne bereits auf irgendeine Weise Musiker zu sein. Ich glaube, ich wollte das nie werden, man sucht sich das glaube ich nicht aus. Man hat irgendwann mal die Möglichkeit, ein Instrument für sich zu entdecken und entweder es passiert oder eben nicht. Bei mir hat das ganze mit dem Klavier angefangen und es war von Anfang an wie eine Zwangsneurose, ich habe noch vor der Schule gespielt, bin deswegen zu spät gekommen, habe Hausaufgaben und Vorabiklausuren (das ist kein Witz!) deswegen vergessen und lasse auch heute noch fast alles stehen und liegen, wenn ich gerade denke, ich müsste ein paar Akkorde spielen. Aber man denkt nicht darüber nach, ob man Musiker ist oder nicht oder werden will oder es nicht werden will. Man kann einfach nicht anders, als Songs zu schreiben. Das kann auch ganz schön aufreibend sein, wenn man beispielsweise wochenlang keine guten Einfälle hat. Ich habe schon oft darüber nachgedacht, ob jeder Musiker Musik nicht eigentlich hasst. Denn das Erschreckende an ihr ist, dass man sie nicht zum Bleiben bewegen kann. Eine ihrer wesentlichen Eigenschaften ist es, sich uns zu entziehen. Sie verschwindet in dem Moment, in dem sie gespielt wird. Das ist unendlich traurig und treibt einen dazu, sie jeden Tag wie fremde Geister durch seine Instrumente wieder herbeizurufen. Aber mehr als ein kurzes Zuzwinkern schenkt sie einem nicht. Eine unbefriedigende Geschichte.

Soundmag: Wie wichtig ist es für dich live zu spielen?

Henning: (denkt nach) Ich bin definitiv keiner von denjenigen, die man manchmal auch unter dem Begriff der Rampensau subsumiert. Ehrlich gesagt, bin ich unendlich nervös vor Auftritten und fühle mich schrecklich - jedes Mal. Aber wenn die Show gut funktioniert und die Leute wollen das, was man da auf der Bühne macht, gibt es nichts Großartigeres. Das hat allerdings nichts mit Egozentrik und Drang nach Anerkennung zu tun. Es ist eher das immer wieder überraschende Erlebnis, dass es Leute gibt, die einen auf eine ganz unwahrscheinliche Art und Weise verstehen. Denn die Stimmung der Musik, die ja nicht wesentlich vom Text abhängt, hat keine Semantik, lässt sich nicht bedeutungstheoretisch festhalten; sie ist vor jeder Sprache. Und es bleibt für mich unerklärlich, wie sie verschiedene Menschen dazu bringen kann, ein bestimmtes Gefühl oder eine Stimmung ganz fundamental und echt zu verstehen.

Soundmag: Wen würdest du gerne mal supporten?

Henning: Depeche Mode! Zoot Woman oder Imogen Heap wären eine tolle Sache.

Soundmag: Du bietest an, Neon Sleep für Geburtstagsfeiern und andere Gelegenheiten zu mieten. Eine tolle Idee. Gab es da schon Anfragen?

Henning: Du wirst es nicht glauben: schon zwei Stück! Das war eigentlich nur ein Scherz, ich meine: wer kommt wirklich auf die Idee, Neon Sleep für seine Geburtstagsfeier zu buchen? Naja, es ist bis jetzt leider an Terminen gescheitert. Aber ich würde das schon gerne machen, das Buffet ist wahrscheinlich in den meisten Fällen besser als so manches Catering.

Soundmag: Funktioniert es auch in einer zwei Zimmer Wohnung? Kommst du bei Geburtstagsfeiern dann als Überraschungsgast aus einer Torte?

Henning: Es wäre im Wohnzimmer allerdings vielleicht besser in einer Minimalversion mit Akustikgitarre aufzutreten. Aber funktionieren würde das auch. Aus Torten springe ich nur mit Feuerwerk im Hintergrund und zehn ungarischen Ausdruckstänzern Mitte 50, die schon einen Bierbauch bekommen haben und in ihrer Freizeit südburmenische Ameisenbären für Wettrennen züchten. (lacht)

Soundmag: Was wird es in diesem Jahr noch Neues von Neon Sleep geben?

Henning: Vielleicht eine Single, die vorab veröffentlicht wird. Aber das kann ich nicht versprechen.

Soundmag: Vielen Dank für das Interview.

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www.neonsleep.de

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