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Polarkreis 18

Polarkreis 18

 

15.01.09 - Eurosonic / Groningen

Interview:  Andreas

Foto: Pressefoto

 

 

 

Polarkreis 18 auf internationalem Terrain – inzwischen ist das kein allzu großer Widerspruch mehr. Nachdem „Allein Allein“ in Deutschland wochenlang an der Chartspitze rumlümmelte, konnte sich der Remix der dänischen Band Nephew in deren Heimatland locker in die Top 3 schmuggeln. Nach 2008 traten die Dresdner im Januar zum zweiten Mal im niederländischen Groningen im Rahmen des Eurosonic-Festivals auf – mit gekürzter Show und einem Publikum, dass sich – zumindest während eines bestimmten Songs – als extrem textsicher erwies.

Soundmag: Die Sprachbarriere zwischen Deutschland und den Niederland ist jetzt nicht so gewaltig. Aber man muss sagen: es funktioniert auch international!

Felix Räuber (Gesang): Es war sehr amüsant und schön für uns. Wir haben gerade drei Wochen Urlaub gemacht und das hier war quasi unser erstes Konzert. Es war so krass, weil ich die ersten drei Lieder völlig ins Jenseits abgetreten bin (lacht). Irgendwann hab ich festgestellt: Scheiße, du musst dich mal ein bisschen beherrschen, sonst schaffst du es nicht bis zum letzten Lied. Dann kam das letzte Lied, es war „Allein Allein“ und der Raum hat mitgesungen. Das war ziemlich ergreifend, vor allem hier in Holland. Man muss auch dazu sagen, dass wir im letzten Jahr beim Eurosonic in einem ganz kleinen Club gespielt haben und eigentlich fast alle unsere Auslandskonzerte in so einem Rahmen stattfanden. Man fährt in ein Land, spielt dort auf einem Festival und die ganzen Clubs sind voller Bands. Und nach dem Konzert wirst du sofort rausgeladen und stehst auf der Straße rum. Heute haben wir im Grand Theatre gespielt und das war sehr monumental. Extrem passend für die Musik und extrem großartig.

Soundmag: Im letzten Jahr habt ihr vor 40 oder 50 Menschen gespielt, mehr passten in den Club gar nicht rein. Funktionieren die neuen Songs überhaupt noch in so einer Umgebung?

Felix: Sie müssen es ja leider, weil wir immer wieder in solchen Räumen spielen. Die Jungs haben das Intro heute alleine begonnen und für mich ist das der einzige Moment, wo ich als Felix mir Polarkreis 18 mal als Zuschauer ansehen kann. Und es hat mich wirklich weggedrückt. Ich stand da und dachte: Wow, das ist verdammt groß hier! Von daher sind solche großen Räume natürlich extrem hilfreich für die Musik, weil sich der Hall und Bombast viel besser entfaltet.

Soundmag: Eine Sache, die mir heute noch aufgefallen ist: du hast im Gegensatz zum letzten Jahr in Groningen nicht stur deutsch gesprochen, sondern es zumindest auf Englisch versucht. Ein nötiges Zugeständnis?

Felix: Ich würde unglaublich gerne alle Ansagen in Englisch machen, aber wer weiß wie lange ich an einem guten englischen Text sitze, kann bestens nachvollziehen, dass ich es lieber bleiben lassen sollte, Englisch zu reden. Es ist nicht meine Muttersprache und Deutsch ist eine tolle Sprache. Aber im Ausland musst du einfach Englisch sprechen. Ich hab es versucht, denn wenn du deutsch sprichst, kann das schnell arrogant rüberkommen. Man hätte wahrscheinlich eher Dutch sprechen sollen. Oder wie nennt man das? Holländisch?

Soundmag: Nun fragen sich nicht wenige ja, wie sinnvoll solche Showcase-Festivals für die Bands sind. Hat sich nach eurem letztjährigen Auftritt irgendwas ergeben?

Felix: Absurderweise total. Denn eines Septembermorgens sind wir von unserem Management nach nur drei Stunden Schlaf nach Erfurt gefahren worden, sind dort ausgestiegen und haben dann in einer Suite auf die Band The Hives gewartet. Diese Band hat uns im Rahmen der Volkswagen Sound Foundation sozusagen als Paten engagiert. Die hatten uns angefragt, weil das Management uns hier vor einem Jahr gesehen und an die Band weitergeleitet hatte. So konnten wir mit den Hives in Kontakt treten und ich dachte mir: Krass, das bringt doch was.

Soundmag: Jetzt wart ihr zwei Mal hier, habt in London gespielt und auch in Dänemark. Wie groß sind eigentlich eure internationalen Ambitionen?

Felix: Wir hoffen natürlich, dass da was passiert. Dass es ist wie heute, wo die Leute dann wirklich mitgesprungen sind. Das war schon krass, denn normalerweise machen wir ja keine Mitmachanimationen a la „Hey los, springt!“ Alles passiert aus dem Bauch raus. Da dachte ich dann schon: Mann, wir sind hier in Holland und nicht in Deutschland und die Leute singen O-Ton-mäßig dieses Lied mit. Da kann was passieren! Da kann noch mehr passieren.

Soundmag: „Allein Allein“ wurde sogar im Big Brother-Container gesungen. Geht’s überhaupt noch besser und größer?

Felix: Ich hab neulich ein YouTube-Video gesehen, wo in einer venezuelischen Disco in einem Holtekomplex im abendlichen Entertainer-Unterhaltungsprogramm der Song „Allein Allein“ lief. Die Leute haben alle mitgesungen – total krass! In Venezuela! Die haben sogar die Strophen mitgesungen! (lacht) Wir haben das gesehen und dachten: krass!

Soundmag: Und es gibt auch schon die eine oder andere Coverversion.

Felix: Es gibt richtig viele! Es ist absurderweise so, dass man damit inzwischen eine Doppel-CD vollmachen könnte. Sogar von Alexander Christensen, der früher U96 war und den Techno mainstreamfähig machte, kommt eine sehr schöne. Egal welche Richtung ein Remix nimmt, wir sind extrem geehrt, dass sich da jemand unseren Song nimmt und etwas Neues daraus macht. Wie es dann jeder macht, ist sicherlich Geschmackssache. Wichtig ist, dass die Leute den Song respektieren. Wenn das der Fall ist, freuen wir uns über jede Version, die davon erscheint.

Soundmag: Das nächste große Datum im Terminkalender ist wahrscheinlich der Bundesvision Song Contest. Was erwartet ihr von der Veranstaltung?

Felix: Wir haben überhaupt keine Erwartungen. Man muss natürlich sehen, dass dort ganz andere Regeln gelten und das Publikum abstimmt. Es ist so, dass wir uns trotz unserer 11jährigen Musikkarriere immer noch als Newcomer sehen und in diesem Jahr quasi zum ersten Mal die breite Masse besungen haben und uns auch zugehört wird. Deshalb kann niemand von uns abschätzen, was passiert. Aber wir hoffen natürlich auf Superergebnisse und dass wir weit kommen. Wir haben den Bundesvision Song Contest in den letzten Jahren verfolgt und ihn mitunter auch sehr kritisch betrachtet. Wichtig ist, dass wir Polarkreis 18 sind und dass wir Polarkreis 18 bestmöglich rüberbringen. Es ist zum einen so, dass wir dort sehr, sehr kunstvoll sein wollen, weil wir tatsächlich eine sehr kunstvolle Band sind – auch wenn man das hinter einem Song wie „Allein Allein“ nicht vermutet. Aber selbst darin steckt eine tiefe Botschaft. Der Song, den wir dort performen werden, ist „The Colour Of Snow“, das Titelstück unseres Albums. Auch der hat eine sehr tiefe und kritische Geschichte und die wollen wir dort etwas weiter aufdecken.

Soundmag: Die musst du jetzt natürlich kurz umreißen.

Felix: Die ist ganz einfach, dazu sollte man sich das neue Video anschauen. Es geht prinzipiell um die Beeinflussung von Menschen und wie die Wahrheit, die Wirklichkeit bestimmt werden kann, indem du bestimmte Sachen kreierst und Meinungen erfindest. Und so ist die Farbe des Schnees in unserem Song eben nicht weiß, sondern eine andere. Und diese andere Farbe steht dafür, dass Schnee jede Farbe annehmen kann, wenn du nur die Wirklichkeit verdrehst und den Leuten klar machst, dass Schnee nicht weiß ist, sondern schwarz.

Soundmag: Durch den Riesenhit spielt ihr inzwischen auch live vor ganz anderen Publikumsgrößen. Wie kommt ihr damit zurecht?

Felix: Das ist momentan auch für uns schwierig. Wir bewegen uns gerade an einer Schnittstelle: kommen aus dem Independent-Untergrund und gehen jetzt in den Mainstream. Meist ist es eine Mischung aus Verwirrung und Faszination. Wir hoffen einfach, dass es die Leute genießen, das ist das wichtige. Und dass wir den Impuls dazu geben, weil wir es selber genießen. Und wenn die Leute mit uns gehen, ist das das größte Konzerterlebnis, das du fühlen kannst, denn es gibt dir unglaubliche Kräfte, wenn du merkst, dass die Leute mitgehen. Dann kann da viel passieren.

Soundmag: Danke für das Interview.

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