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Mando Diao

Mando Diao

 

10.01.09 - Berlin / Berlin

Interview:  Andreas

Foto: Pressefoto

 

 

 

Der Tag neigt sich langsam dem Ende. Unzählige Interview liegen bereits in dem Interview-Duo Björn Dixgaard und Samuel Giers, nebenan schwitzen die Kollegen. Und morgen geht es weiter. Mando Diao haben das Label gewechselt und mit "Give Me Fire" ihr vielleicht vielfältigstes Album vorgelegt. Deutschland - von jeher quasi das zweite Zuhause der Schweden - ist die erste Station auf dem internationalen Promotrip der nächsten Wochen. Darum reden sie noch gern auch mal etwas länger als beabsichtigt.

Soundmag: Ihr habt heute insgesamt 31 Interviews auf dem Plan. Ich bin für Euch beide Interviewer Nummer 12. Und die nächsten beiden Tage geht es genau so weiter. Was ist eure Strategie, um euch an solchen Tagen nicht zu sehr zu langweilen?

Samuel Giers (Schlagzeug): Am Anfang dieses ganzen Albumprozesses machen die Interviews noch richtig Spaß! Deutschland ist das erste Land, das Promotion bekommt, darum ist es im Moment noch kein Problem. Wir erzählen gern, wie stolz wir auf das neue Album sind und wie glücklich es uns macht, dass es genau so klingt. Nach einer Weile allerdings ist es einfach unmöglich, sich nicht zu langweilen und dieses Gefühl zu haben, dass man sich ständig wiederholt. Aber das gehört nun mal zum Job. Und wir sind wirklich glücklich, dass sich die Leute mit uns unterhalten wollen. Eines Tages ist es vielleicht nicht mehr so und dann ist der Spaß nicht mehr so groß.

Björn Dixgaard (Gitarre, Gesang): Richtig. Man kann das nicht als selbstverständlich betrachten.

Soundmag: Als ich mir eure Single „Dance With Me“ das erste Mal angehört habe, dachte ich: Oh Gott, nach Folk und Country machen sie jetzt Disco! Aber das ist nur die halbe Wahrheit, richtig?

Beide: Oh ja!

Björn: Nicht mal die halbe Wahrheit. Es ist ein ziemliches Rock’n’Roll-Album geworden, viele Rocksongs.

Samuel: Es ist Rock’n’Roll mit einem leichten Disco-Touch. Und Soul. „Dance With Somebody“ ist die erste Single und wir haben sie noch nicht mal selbst ausgesucht. Für uns ist das immer eine schwere Entscheidung, denn wir haben ca. 20 Songs aufgenommen, von denen zwölf auf dem Album landen. Jedes einzelne davon ist für uns das beste Stück, das wir je gemacht haben und darum konnten wir uns nicht entscheiden. Also fragten wir andere und die suchten sich „Dance With Somebody“ aus. Wir dachten eine Weile darüber nach und sagten: warum nicht! Aber es macht Spaß, die Reaktionen der Menschen auf den Song zu beobachten.

Soundmag: Die Songs vom neuen Album, die man sich bis jetzt anhören konnte, klingen stark von unterschiedlichen Genres beeinflusst. Habt ihr es genossen, auf dem neuen Album so viele verschiedene Stile zu kombinieren?

Björn: Uns hat das schon immer gefallen. Auf „Ode To Ochracy“ haben wir damit begonnen und seit damals haben oft darüber nachgedacht, wie wir eine möglichst große Vielfalt auf einem Album vereinen können. Wir hatten nie wirklich Angst davor, verschiedene Stile zu spielen. Denn Rockmusik ist so ein weites Feld. Man kann sie eigentlich mit fast allem mixen und es wird am Ende immer noch nach Rock’n’Roll klingen. Zumindest, wenn wir es tun.

Samuel: Mit Sicherheit!

Soundmag: Ist dieses Vorhaben denn mit den Erfolgen der letzten Jahre im Rücken leichter umzusetzen?

Samuel: Auf jeden Fall, denn wir fühlen uns jetzt einfach sicherer in diesem kreativen Prozess, weil wir wissen, dass wir erfolgreich sind und eine Fanbasis haben. Hoffentlich ist das auch nach diesem Album noch so. (lacht) Wir haben bereits vier Alben gemacht und vertrauen in diesem Punkt inzwischen unseren Instinkten. Wir wissen, dass wir gut sind und das ist schon sehr befreiend.

Björn: Außerdem lernen wir aus jedem Album, das wir machen. Dieses Mal haben wir gelernt, dass unser einziger Fehler war, Leute, die mit uns zusammenarbeiten, in den Prozess integrierten. Menschen wie unserem Manager die Demos vorzuspielen und sie nach ihrer Meinung zu fragen, war keine gute Entscheidung. Darum mussten wir uns dieses Mal möglichst schnell isolieren und gaben nur kleine Demos raus, die wir auch sofort wieder zurück haben wollten.

Samuel: Es ist ja generell hilfreich, Meinungen von anderen zu hören. Aber wenn du in der Mitte der Aufnahmen jemandem ein Demo gibst und fragst, wie er es findet, macht es das in der Regel nur komplizierter. Die rufen dich dann an uns sagen: vielleicht solltet ihr im Chorus noch ein paar Handclaps dazu tun. Und du sagst nur: Ähm, das ist nur ein Homedemo, das in zehn Minuten aufgenommen wurde. Mach dir keine Sorgen, es ist noch lange nicht fertig. Und so musst du ständig erklären, dass die Arbeit noch lange nicht abgeschlossen ist. Wenn wir einer Person, der wir vertrauen, stattdessen das komplette Album geben und sie sagt uns, dass beispielsweise dieses Piano nicht besonders gut klingt, dann denkt man schon darüber nach. Ansonsten aber vertrauen wir vor allem uns selbst, denn wir wissen es nach fünf Alben am besten.

Björn: Genau, wir wissen in unserem Herzen, was gut für uns ist. Wenn wir Musik erschaffen, ist das das einzige, dem wir vertrauen können. Immer nur rumzulaufen und die Leute zu fragen oder zu fürchten, dass wir Fans verlieren, bringt die Musik nicht weiter. Das wäre fast schon paranoid. Wenn wir also denken, dass etwas gut ist, passt es erstmal. Und wenn es den Leuten dann noch gefällt – BINGO!

Soundmag: Bis jetzt kenne ich sechs Songs. Was kann man noch von einer Platte erwarten, die euer Label ganz mutig mit dem „White Album“ der Beatles vergleicht?

Samuel: Du bekommst sehr vielfältige Songs und verschiedene Stile.

Björn: Bis jetzt kennen wir das komplette Album selbst noch nicht. Die Tracklist fehlt noch und einige Songs müssen noch fertig gemixt werden. Es gibt also noch einiges zu tun. (lacht)

Samuel: Wir haben beispielsweise diesen Song „Crystal“, der zurzeit mein absoluter Favorit ist. Er hat diese Phil Spector-Anmutung. Eigentlich ein ganze einfaches Stück, in dem sich der Akkord nie ändert. Auch das Schlagzeug ist einfach gehalten. Aber die komplette Band spielt darauf Gitarre – und sogar noch einige Musiker zusätzlich. Insgesamt hört man acht Gitarren und das schafft schon ein sehr cooles Umfeld und man bekommt viel Hall. Das ist vielleicht eine neue Spielart für Mando Diao: es einfach halten und erst anschließend einige Schichten und Spuren hinzuzufügen, um es so groß und episch zu machen.

Soundmag: Björn, hat deine Quasi-Solo-Tour zum letzten Album eigentlich die Arbeiten an der neuen Platte beeinflusst?

Björn: Hm… nein, nicht wirklich. Die Solotour hat mir wirklich Spaß gemacht, es war eine tolle Erfahrung. Aber ich brauche das nicht nochmal, denn es war toll, endlich wieder mit der Band zu spielen. Ich habe einfach mal kurz den großen Zeh ins Wasser gehalten und es ausprobiert. Mehr davon gibt es aber nicht. Keine Tourpläne, keine Soloalben – jedenfalls soweit ich informiert bin. Obwohl – irgendwann sollte vielleicht jemand anderes ein Soloalbum aufnehmen. Sam hier könnt eine fantastische Platte machen. Vielleicht nehmen wir alle solo auf und haben trotzdem noch die Band am laufen. Oder auch nicht. Mal sehen. Die Zukunft ist ungewiss.

Soundmag: Ihr habt in Stockholm und Long Beach aufgenommen. Zwei Städte, die wahrscheinlich kaum gegensätzlicher sein können.

Samuel: Richtig, obwohl auch das nur die halbe Wahrheit ist. Der einzige Grund, warum wir nach Long Beach in Los Angeles flogen, war der Gedanke, eine Pause von allem zu machen, irgendwo hinzugehen und dort einige Dinge zu beenden. Der Fotograf, mit dem wir schon seit Jahren zusammenarbeiten und der auch das Artwork für das neue Album gemacht hat, wohnt in Long Beach und hat dort ein Studio. Es war eine natürliche Entscheidung: lasst uns mitten im Winter da hinfliegen und etwas Sonne tanken. Das alles ist ja erst drei Wochen her. Aufgenommen haben wir dort dann drei Songs in drei verschiedenen Studios.

Björn: Es war auch insofern gut, weil wir in Schweden sehr lang an dem Album gearbeitet haben.

Samuel: So bekamen wir eine andere Perspektive, bevor wir uns ans Mixen machten.

Soundmag: Aus diesem Grund habt ihr sicherlich auch mit Salla gearbeitet. Er hat das neue Album produziert und kommt eigentlich eher aus der Hip Hop-Richtung.

Björn: Eigentlich war er unser Co-Produzent.

Samuel: Und eigentlich war das alles ein großer Zufall. Wir lernten sie über den Freund eines Freundes kennen. Gustav (Noren, Sänger) ist ein großer Fan der Latin Kings – so heißt ihre Gruppe. Er wollte sie unbedingt treffen. Und vor ca. einem Jahr nahm Björn mit ihnen dann ein oder zwei Songs auf – nur aus Spaß. Als wir schließlich über das nächste Album sprachen, kamen sehr schnell ihre Namen auf und wir sagten: lasst uns ausprobieren, wie es ist. Und dann machte es einfach KLICK. Es war eine tolle Erfahrung.

Björn: Sie sind sehr cool, schon allein weil sie ein unglaubliches Spektrum an Musik in ihren Köpfen haben. Sie arbeiten mit Samples aus Musik – von den 30er Jahren bis heute. Also hörten sie sich unser Gitarrenspiel an und Sams Schlagzeug und wählten nur die besten Teile aus. Die neue Platte ist natürlich kein Hip Hop-Album, aber die Arbeit mit ihnen hat sich definitiv für die kleinen Details gelohnt. Sie hörten Dinge, über die wir nicht mal nachgedacht hätten – kleine Melodieteile von der Gitarre, die ihnen gefielen und die sie darum isolierten und woanders wieder einfügten.

Samuel: Außerdem konzentrieren sie sich stark auf Schlagzeug und Bass, weil das nun mal die Hauptelemente im Hip Hop sind. Eigentlich sind sie es in fast jeder Art von Musik, aber wir haben eben noch nie so gearbeitet. Darum war es eine ganz neue Erfahrung, über wirklich jeden Teil eines Songs nachzudenken und zu überlegen, ob dies oder das wirklich nötig ist. Genauso sind wir beim Schlagzeug vorgegangen. Wir hielten es einfach, gleichzeitig sollte es aber um einiges interessanter klingen. So bekamen wir einen guten Mix zwischen Bass, Schlagzeug und all den anderen Elementen. Ein fantastischer Entwicklungsprozess.

Soundmag: Würdet ihr so ein kleines Hip Hop-Experiment denn wenigstens mal für eine Mando Diao-B-Seite in Erwägung ziehen?

Björn: Nein. Aber Gustav und ich haben mit Salla einige Songs aufgenommen, die in diese Richtung gehen. Wahrscheinlich werden sie irgendwann eine Compilation veröffentlichen, auf der dann all die Künstler vertreten sind, die sie in ihrer Hip Hop-Art produziert haben. Da könnte dann einer unserer Songs dabei sein. Aber für Mando Diao oder gar für ein ganzes Album kann ich mir das nicht vorstellen. Schließlich haben wir einen Schlagzeuger und im Hip Hop kommt der Rhythmus nun mal von Samples oder aus einem Synth-Drum.

Soundmag: Lasst uns nochmal kurz über die Single reden. „Dance With Somebody“ – der Titel sagt eigentlich schon alles, oder?

Samuel: Ziemlich, ja. Es geht darum, dass man seinen Ärger wegtanzt. Jeder muss das doch mal machen und genau darum gibt es diese ganze Unterhaltungsindustrie. Die Leute wollen mal etwas anderes sehen und von anderen Dingen träumen. Tanzen ist eine Möglichkeit, genau das zu tun. Und zu einem guten Song zu tanzen macht einfach Spaß! (lacht) Denken wir zumindest und viele würden uns da sicher zustimmen. Weil der Songtext so einfach und direkt ist, wollten wir die Musik so tanzbar wiemöglich machen.

Björn: Das gilt eigentlich für das ganze Album. Es gibt viele wichtige Texte, viele Anknüpfungspunkte für den Hörer. In dem Punkt sind unsere Lyrics definitiv einfacher, simpler und nicht so persönlich wie auf den älteren Alben. Wir haben die Songs alles in allem für die Leute geschrieben.

Soundmag: Das Wort „einfach“ ist jetzt schon mehrmals gefallen. Ist es einfach, solche Songs zu schreiben und sie dann auch in diesem Zustand zu lassen?

Samuel: Nein, das ist ziemlich schwer. Einen Song zu schreiben, der einfach klingt, ist wahrscheinlich das schwierigste überhaupt. Bei einem Song wie „Hey Ya“ von Outkast denkst du: Meine Güte, so etwas zu schreiben kann nicht schwer sein. Aber tatsächlich ist es unglaublich anstrengend, auch ihn dann so einfach zu halten. Denn die Grenze zwischen einfach und zu einfach ist sehr schmal. Und wenn das Stück zu einfach ist, klingt er blöd und du wiederholst dich nur. Der Trick ist, die gleichen Akkorde, den gleichen Rhythmus im kompletten Song zu nutzen und ihn trotzdem nicht langweilig werden zu lassen.

Björn: Ich war wirklich glücklich als mir „Dance With Somebody“ in den Kopf kam. Das fühlte sich toll an. (lacht) Ein Geschenk von ganz oben. Oder so.

Soundmag: 2008 war das erste Jahr seit eurem Debüt, in dem kein Album erschien!

Björn: Das hing mit den Arbeiten am neuen Album zusammen und der Tatsache, dass wir uns dafür Zeit lassen wollten. Vorher hatten wir das noch nie getan. Normalerweise nahmen wir in zwei oder drei Monaten auf, diesmal aber dauerte es ein halbes Jahr. Vielleicht schaffen wir es ja beim nächsten Mal dafür in einem Monat.

Samuel: Wenn wir schneller gearbeitet hätten oder die Deadline früher gewesen wäre, hätten wir es sicher auch schon im November veröffentlichen können. Aber wir wollten, dass am Ende alles stimmt und wir unser neues Label besser kennen. Alles braucht seine Zeit und wir wollten uns auch selbst nicht zu viel Stress machen. Jetzt haben wir natürlich doch wieder Stress – so wie immer. So viele Dinge müssen fertig gestellt werden und Deadlines eingehalten werden. Trotzdem fühlt es sich toll an, ein neues Album zu veröffentlichen.

Soundmag: Immerhin schon euer Fünftes. Hat sich durch die Erfolge von Euch, Sugarplum Fairy und vielleicht auch Miss Li eigentlich in eurer Heimatstadt Borlange etwas verändert?

Samuel: Ein wenig schon. Es hat den Politikern die Augen dafür geöffnet, was Musik erreichen kann und wie es so eine kleine Stadt wie Borlange bekannter machen kann. Sie haben inzwischen eine Musikhochschule eröffnet, die Boomtown heißt. Da ist viel Geld investiert worden. Ich habe keine Ahnung, ob es eine gute Schule ist, aber mir gefällt die Idee. Außerdem gibt es in Borlange das „Peace & Love“-Festival, das inzwischen sehr erfolgreich ist. Über die letzten Jahre ist es zum größten Festival in Schweden geworden. Auch das ist natürlich wichtig für die Stadt.

Björn: Das ist ein richtig gutes Beispiel. Sie starteten das Festival wegen all der Gewalt in der Stadt an und inzwischen gibt es auf jeden Fall weniger Verbrechen. Neulich habe ich Johnossi live gesehen und sie hatten ein grandioses Publikum. Als wir dort spielten, waren in der Regel nur zehn Death Metal-Typen und ein paar andere Leute dort. Aber sie hatten ein tolles Publikum, sogar Menschen mit langen Haaren! (lacht)

Soundmag: Letzte Frage: was haltet ihr von den Pet Shop Boys?

[b]Samuel:
Ich mag sie, sie haben einige gute Songs. Manchmal langweilen sie mich aber auch, weil es irgendwie oft das gleiche ist. Aber ich mag sie, auch wenn das nicht immer so war. Denn eigentlich habe ich sie erst durch meine Freundin richtig kennengelernt, die früher ein großer Fan war.

Björn: Ich mag sie gar nicht – um ehrlich zu sein. Der Sänger singt in einer Art und Weise, die mir nichts gibt. Es klingt immer als ob keine Gefühle dabei wären. Nur seine Stimme, sonst nichts. Darum gefallen sie mir nicht. Vielleicht haben sie einige gute Songs, aber es ist definitiv nicht meine Musik.

Soundmag: Vielen Dank für das Interview.

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