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Röyksopp

Röyksopp

 

18.02.09 - Berlin / Berlin

Interview:  Andreas

Foto: Pressefoto

 

 

 

Es klopft. Herein kommt der Zimmerservice eines Berliner Luxushotels und bringt eine frische Portion Obst und Getränke. Svein Berge und Torbjørn Brundtland haben bereits den ganzen Tag lang Interviews zu ihrem neuen Werk "Junior" gegeben. Nach vier Jahren Albumpause legen Röyksopp 2009 gleich zwei Platten vor, die den Gegensatz von Jugend und Alter repräsentieren. Ein Blick nach hinten und nach vorn? Zum jetzigen Zeitpunkt vielleicht angebracht, denn vor kurzem feierte das Duo seinen 10. Geburtstag. Noch schnell in den Apfel gebissen und den Kugelschreiber in die Hand genommen, mit dem Torbjørn die nächsten 20 Minuten nebenbei mysteriöse Zeichnungen auf einem Blatt Papier anfertigt.

Soundmag: Ihr habt vor kurzem Euren zehnten Geburtstag gefeiert. Wie war die Party?

Svein Berge: Es klingt ein bisschen als ob wir verlobt oder verheiratet wären, aber…

Torbjørn Brundtland: Wir suchten uns einen Swimming-Pool und feierten eine riesige Pool-Party. Mit vielen Freunden und…

Svein: …vielen Feinden. Insgesamt waren ca. 30 Leute dort und es war so mittelgut. Wie immer wenn wir eine Party feiern, gab es ein Feuerwerk und viel nackte Haut. Und natürlich Musik.

Soundmag: Das klingt doch nach einer guten Kombination. Als ich mir die Biographie für das neue Album durchgelesen habe, ist mir aufgefallen, dass ihr sehr leidenschaftlich über Vangelis redet.

Svein: Ja, das ist so ein kleiner Fetisch, der schon in unserer Kindheit entstanden ist. Meine einzige Erklärung dafür ist, dass uns seine Musik schon damals angesprochen hat – vor allem wegen der Tatsache, dass wir nicht wussten, wie er sie eigentlich macht. Gleichzeitig war es natürlich hervorragendes Futter für unsere Gehirne und unsere…

Torbjørn: …Phantasie. Diese leicht mysteriöse Musik hat uns als elektronische Musiker schon immer angespornt. Als wir groß wurden, wusste niemand, wie man solche Musik aufnimmt. Darum wollten wir uns genauer damit beschäftigen, denn wir wollten das auch selber können.

Svein: Gleichzeitig waren wir schon immer von Künstlern fasziniert, über die man kaum etwas weiß. Anstatt ständig nach Informationen über jemanden zu suchen, erschaffst du dir einfach dein eigenes kleines Universum rund um diesen Vangelis. Das macht es noch interessanter und so waren wir echt fasziniert von diesem griechischen, bärtigen Typen mit all den Geheimnissen um sich herum.

Soundmag: Ich habe mich ein wenig im Internet umgeschaut und nicht wenige eurer Fans scheinen die neuen Songs als Zeichen dafür zu sehen, dass ihr wieder zum Stil früherer Songs wie „Epple“ und „Poor Leno“ zurückkehrt. War das der Grund, das neue Album „Junior“ zu nennen?

Svein: Das kann ich nicht bestätigen, aber mir gefällt die Kreativität…

Torbjørn: Es erinnert mich an das, was wir gerade besprochen haben. Wenn dir die Musik eines Künstlers gefällt, lässt du dir diese Theorien rund um die Songs einfallen. Für mich ist das sehr verlockend und hier scheinen wir ein Beispiel dafür zu haben. Die Theorie an sich ist interessant, aber wir können nicht sagen, dass sie korrekt wäre. Denn der „Junior“ ist Teil eines Konzepts, dass die Dualität von Junior und Senior wiederspiegeln soll. Auf „Junior“ haben wir die jugendliche Energie, die Euphorie und die positive Einstellung versammelt. Außerdem zeichnet sie sich durch viel Popsensibilität aus, die meist auf Gesang basiert. „Senior“ hingegen, das in ein paar Monaten erscheinen wird, hat die andere Seite von Röyksopp – die eher atmosphärischen Stücke…

Svein: …die natürlich auch aus dem Pop kommen und mitunter optimistisch klingen. Allerdings geht es dann weniger über Rhythmen und Gesang.

Soundmag: In der Biographie sagt ihr, dass euch diese junge Seite von „Junior“ eure „alten Herzen“ vergessen lässt. Das klingt leicht übertrieben wenn man sich euer Alter anschaut.

Svein: Ja, wir als Menschen sind wahrscheinlich ein wenig verwirrt. Wir Torbjørn ja schon sagte: „Junior“ fasst für uns die Jugend zusammen und so hat es natürlich auch eine sehr jugendliche Energie – zumindest wenn man es mit „Senior“ vergleicht, das wesentlich introspektiver und zurückgezogener daherkommt. Die Texte drehen sich ums Verlieben, Beziehungen, den Weg zu einer Party, besorgt zu sein und ähnliche Dinge, die wir persönlich mit der Jugend verbinden. Darum heißt das Album „Junior“ und darum denken wir, dass die Platte sehr jugendlich klingt.

Soundmag: Habt ihr die Song für beide Alben dann auch in einem Schwung eingespielt?

Svein: Wir haben tatsächlich beides gleichzeitig aufgenommen, doch „Junior“ sollte zuerst erscheinen. Zum einen weil es einfach vor „Senior“ kommt und zum anderen weil es ein Frühlingsalbum werden sollte. Darum war die Platte dann auch zuerst fertig, momentan befinden wir uns in den letzten Zügen von „Senior“. Je nachdem wie viel wir in den nächsten Monaten touren, sollte „Senior“ relativ bald fertig werden, denn wir wollen es noch in diesem Jahr veröffentlichen – im späten Herbst oder im Winter.

Soundmag: Ist das Aufnehmen gleich zweier Alben auch der Grund, warum es so lange dauerte, bis es neues Material von Röyksopp gab?

Torbjørn: Naja, es ist zumindest ein Grund dafür, wahrscheinlich auch der wichtigste. Außerdem hat sich unsere Musikkarriere ganz offensichtlich langsam und beständig entwickelt und uns so viel abverlangt. Andere Aspekte unseres Lebens mussten wir so zwangsläufig vernachlässigen. Wie jeder Mensch wollen wir uns aber auch diesen Dingen widmen und nicht nur unserer Karriere.

Soundmag: Ihr habt mal gesagt, Musik machen sei ein wenig wie Alchemie. Welche Methoden habt ihr dieses Mal genutzt?

Svein: Wir wurden diesmal schwer von Goethes „Faust“ inspiriert, haben uns an dessen Methoden orientiert und ein paar Verträge mit verschiedenen Kreaturen abgeschlossen. Kann sein, dass wir das bereuen werden, aber so lief es.

Torbjørn: Wenn du deine Phantasie anregen willst, kannst du das im Wachzustand tun oder unbewusst im Halbschlaf. Wir haben die Kreaturen aus einem Paralleluniversum, mit denen wir uns unterhalten – auf einem tiefergehenden Level. Die haben natürlich auch Namen, einer heißt zum Beispiel Traumschatten („Dream Shadow“), eine Figur, die zu uns kommt, mit uns spricht und uns auch hilft. In dieser Seite der Welt, die natürlich nicht sichtbar ist, sind wir zugange wenn es darum geht, den Anfang zu finden und die Visionen zu erschaffen.

Soundmag: Kommen die Geschöpfe, eure Freunde regelmäßig vorbei?

Torbjørn: Ja. Aber ich kann dir nicht sagen, ob der Traumschatten nun unser Freund ist oder einfach nur eine Kraft, die existiert und keine Gefühle hat.

Soundmag: Eines eurer Prinzipien ist es, die eigene Musik wirklich selbst zu erschaffen und ohne viel Hilfe auszukommen. Da ihr aber oft mit Gastsängern arbeitet, müsst ihr doch am Ende wieder ein Stück Kontrolle abgeben, oder?

Svein: Wir machen die Dinge selber, um die Kontrolle und auch die Verantwortung darüber und dafür zu haben.

Torbjørn: Wir geben Kontrolle nicht gern ab. Einmal ist es trotzdem passiert, am 06. Juni 2006. Doch wir haben sofort gemerkt, dass das ein großer Fehler war.

Svein: Ein Tag, der inzwischen oft als „Schwarzer Tag“ bezeichnet wird. Wir haben diesen Tag verflucht, indem wir 40 Kerzen in einem Pentagram anzündeten. Anschließend gingen wir ins Bett und haben uns nicht mehr drum geschert. Davon abgesehen macht es uns großen Spaß, die Musik zu schmieden, zu kreieren. Selbst wenn wir mit anderen Menschen zusammenarbeiten, sitzen wir immer noch am Steuer. Trotzdem ist es nett, die Meinung anderer zu hören und so andere Einflüsse zu bekommen. Dieses Mal konnten wir immerhin mit der Creme de la Creme arbeiten – so sehen wir es zumindest. Und ganz ehrlich: es geht doch kaum besser als in einem Auto zu fahren, das Steuer in der Hand zu haben und neben dir sitzen wunderschöne, intelligente Frauen.

Torbjørn: Damit es jetzt nicht so klingt als hätten wir alles selbst gemacht – natürlich haben wir diese Leute eingeladen, weil wir dachten, dass sie in unser Universum passen würden. Und sie alle haben zu den neuen Songs beigetragen, denn am Ende ist es immer eine Kooperation.

Soundmag: Textlich gibt es neben den von euch schon angesprochen Jugendthemen auch viel Science Fiction und Zukunftsutopien.

Svein: Ja. Wenn es um die jugendliche Seite von Röyksopp geht, ist die Hauptreferenz natürlich unsere eigene Jugend. Zukunftsoptimismus, Science Fiction und das nach vorn in die Zukunft sehen sind definitiv Punkte, mit denen wir uns damals lange beschäftigt haben. Heutzutage orientieren wir uns manchmal in die Vergangenheit zurück, um Produktionselemente und Songs von damals zu verwenden. Aber wir schauen wenn es um Musik geht immer noch mit einem Auge auf die Zukunft und ins Hier und Jetzt.

Soundmag: Warum sind eigentlich fast nur weibliche Stimmen auf „Junior“ zu hören?

Svein: Zum einen repräsentieren Frauen für uns irgendwie die Jugend. Aber – wie schon gesagt – wir wollten nicht nur wegen der Stimmen mit ihnen arbeiten, sondern auch weil wir ihren Einfluss auf unsere Musik schätzen.

Torbjørn: Können wir denn wirklich sagen, dass wir uns absichtlich für Weiblichkeit entschieden haben? Nicht nur wegen der Jugend sondern vielleicht auch wegen der Zeit, in der die neuen Songs entstanden.

Svein: Es ist doch so: wenn wir in diesem Kreativprozess und uns darüber klar sind, was wir erreichen wollen, sitzen wir nicht rum und intellektualisieren das Thema. Denn so verliert man vielleicht viel vom Kern des Ganzen. Die Musik entsteht mal hier und mal da, ganz frisch. Ohne rumzusitzen und ständig drüber nachzudenken und alles zu analysieren. Man wartet diesen Moment ab und legt dann los, weil man spürt, etwas Gutes zu haben. Wenn ich jemanden liebe, denke ich nicht darüber nach, warum ich ihn liebe. Es passiert einfach, ich stürze mich hinein und genieße den Moment. Und genau so gehen wir auch an unsere Musik heran. Zurückblickend versucht man dann vielleicht herauszufinden, warum man etwas auf genau diese Art und Weise getan hat. Aber im Moment ist uns all das noch viel zu nahe und wir können als Begründung lediglich sagen: weil es sich richtig anfühlte.

Soundmag: Über die Arbeit mit Robyn habt ihr gesagt, dass es euch beeindruckt, dass sie bereit war, mit zwei so schäbigen Typen in einem Besenschrank zusammenzuarbeiten. Darf man sich so das Röyksopp-Studio vorstellen – als Besenschrank?

Svein: Momentan haben wir nicht mal ein Studio, es ist eher so eine Art Trailer. Robyn ist der größte Name auf diesem Album und wenn du so jemanden anfragst und derjenige dann auch noch zusagt, entstehen gewisse Ängste. Eine Person mit ihrem Bekanntheitsgrad könnte mit irgendwelchen absurden und teuren Wünschen und Macken kommen. Glücklicherweise aber waren all diese Menschen inklusive Robyn sehr umgänglich und haben sich nicht darum geschert, wie das Studio aussah – solange sie Spaß hatten. Und bei uns beiden ist das glaube ich ganz genauso.

Soundmag: In Interviews erzählt ihr oft, wie wichtig euch das „Larger Than Life“-Element eurer Musik ist. Welcher der neuen Songs ist das beste Beispiel dafür?

Svein: „Röyksopp Forever“ ist ziemlich pompös und episch geworden. Es startet mit dem winzigen Fast-Nichts eines Streichers und wenigen Geräuschen und wir dann immer größer und größer, bis an den Rand und fast schon ein wenig „over the top“ mit all den Streichern und Chören und dem riesigen Gesang. Größer können wir glaube ich nicht mehr werden.

Soundmag: Habt ihr eigentlich zum ersten Mal mit echten Streichern gearbeitet?

Svein: In diesem Umfang auf jeden Fall. Wir hatten schon mal eine Violine im Studio oder ähnliches, dieses Mal hat uns Davide Rossi bei den Streichern geholfen. Aber man hört nicht nur ihn - wie immer wenn wir etwas aufnehmen, ist es ein Mix aus Samples, Keyboards und den live eingespielten Tönen. Dieses Vorgehen macht es zumindest für uns um einiges interessanter.

Soundmag: Wie schwer oder einfach fällt es euch heutzutage eigentlich, mit elektronischer Musik frisch und neu zu klingen?

Svein: Uns geht es bei unserer Musik immer um Langlebigkeit. Darum nehmen wir zwar Teile und Elemente aus der modernen Musik, aber nie das komplette Repertoire. Denn wenn du so arbeitest, werden deine Songs in zwei Jahren schon ziemlich alt klingen. Aber wenn du Elemente aus den 70ern, 80ern und von heute ineinander blendest und zu einer großen Pizza vereinst, erreicht man zumindest für unser Verständnis eine gewisse Langlebigkeit. So einfach ist das.

Soundmag: Nach diesem Elektro-Hype in 2008 – wird der Wettbewerb härter für eine Band wie Röyksopp?

Svein: Ohne zu arrogant zu klingen, glaube ich, dass wir eher in den Randgebieten irgendwelcher Bewegungen und Trends unterwegs sind. Auch wenn unsere Wurzeln ganz klar in der elektronischen Musik liegen, würde ich uns niemals als ausschließlich elektronisch bezeichnen. Wenn du uns mit Autechere oder einer der Bands vom WARP-Label vergleichst, sind wir gerade noch so in ihrem Umkreis. Elektronisches Equipment wird inzwischen in jedem Musikstil verwendet, selbst als amerikanische Punkband arbeitest du mit Autotune und ProTools. Mit dem Angebot von Software und Plug-Ins, die sich inzwischen jeder besorgen kann, steigt der Wettbewerb. Einfach weil die Software inzwischen so verdammt gut ist. Selbst als 14jähriger Nerd aus Leipzig, kannst du großartige Musik programmieren…

Torbjørn: …die hundertprozentig professionell klingt.

Svein: Es klingt gut, genau. Wir glauben an den Wettbewerb. Aber die Gefahr dieser Verfügbarkeit der Produktionsmittel ist, dass 88 Prozent der Musik dort draußen einfach scheiße sind. Du musst die guten Sachen finden, Wettbewerb als Prinzip allerdings ist eine gute Sache.

Soundmag: Vielen Dank für das Interview.

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