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Elbow

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14.07.05 - Berlin / Berlin

Interview:  Andreas

Foto: Pressefoto

 

 

 

Nicht weniger als 16 Interviews hat Bassist Peter Turner schon hinter sich als wir uns am frühen Abend im Art ´otel begrüßen. Einen festen Händedruck hat der Mann. Das neue Elbow-Album „Leaders Of The Free World“ (VÖ am 05.09) wird promotet und das Art ´otel scheint ein idealer Ort dafür zu sein. Geht doch der künstlerische Anspruch der Band weit über das Musikalische hinaus. Wie schon „Cast Of Thousands“ erscheint auch das neue Album mit einer Special Edition-DVD, die die Songs in Filmen, Projektionen und Studioaufnahmen visualisieren soll.

Soundmag: Heute Abend findet im MUD-Club die Präsentation der DVD statt. Eure Musik scheint eine starke visuelle Seite zu haben. Für die Visualisierungen habt ihr mit dem Soup Collective quasi parallel zusammengearbeitet. Kannst Du beschreiben, wie das vor sich ging?

Peter: Das Soup Collective ist ein Projekt von Marc, einem guten Freund von uns, der auch schon einige Videos für uns gedreht hat. Als wir mit den Aufnahmen für das neue Album begannen, nisteten wir uns in diesem riesigen Raum in den Blueprint Studios ein. Dort war enorm viel Platz. Also schoben wir alles an die Seite, kauften eine Tischtennisplatte und luden Marc und seine Freunde ein, mit uns zusammen zu arbeiten. Es war der Versuch, die visuelle mit der auditiven Ebene bereits bei der Entstehung zusammenzubringen. Das eine sollte nicht auf das andere folgen, sondern beides sollte gleichzeitig geschehen. Wir spielten unsere Songs, nahmen auf und das Soup Collective entwickelte zur gleichen Zeit Projektionen, Bilder, zeichnete unsere Arbeit mit versteckten Kameras auf usw.

Soundmag: Also quasi Elbow-Big Brother!

Peter:Ganz genau! Läuft die Show in Deutschland auch? Es war schon komisch, als wir uns am Ende die Ergebnisse ansahen und merkten, wo die Kameras angebracht waren. Da sieht man mal, was man den ganzen Tag für sinnloses und uninteressantes Zeug redet und wie langweilig das stellenweise ist. Aber irgendwen scheint es zu interessieren, was man auch an den Einschaltquoten von „Big Brother“ im Fernsehen sieht. Da denke ich mir auch manchmal, wenn ich das mit meiner Freundin schaue, was das soll und wer so was guckt.

Soundmag: Kannst Du die gegenseitige Beeinflussung an einem Song verdeutlichen?

Peter: Wir hatten einen großen Bildschirm und Mark konnte Dinge darauf projizieren. Er hatte zum Beispiel diese spanischen Tänzer. Wir schauten uns das an und irgendwie entstand „Mexican Standoff“ daraus.

Soundmag: Das Album heißt „Leaders Of The Free World“. Es scheint aber kein besonders politisches Album zu sein. Wie kam es zu dem Titel?

Peter: Dieses Album – genau wie jedes Album davor – spiegelt die Dinge wieder, die wir erlebt haben. Es ist eine Momentaufnahme, die zeigt, was uns beeinflusst hat und was gerade in der Welt vor sich geht. Zu George W. Bush hat jeder Meinung. Wir fanden es komisch, dass George W. Bush bei einer Veranstaltung als der „Comander in Chief and Leader of the free World“ angekündigt wurde. Das ist so ein unglaublicher Titel und dann kommt dieser Typ durch die Tür. Als ich das sah, dachte ich: Eigentlich hätte jemand wie Darth Vader reinkommen müssen, nicht dieser Cowboy. Der Titelsong protestiert weniger als er sich lustig macht. Wahrscheinlich wurde Bush als Kind zu oft rumgeschubst. Als er an die Macht kam, stand sein Vater George Bush hinter ihm und er sah ihn an als ob er sagen wollte: Verzieh Dich, jetzt bin ich dran! Man muss George W. Bush ernst nehmen, er ist nun mal der mächtigste Mann der Welt. Aber wenn es um so was wie ein Gehirn geht, er ist ein ganz kleines Licht. Das Politische ist so gesehen nur ein kleiner Teil des Albums. Wir dachten, „Leaders Of The Free World“ ist ein fetter, beeindruckender Titel und mochten den Klang.

Soundmag: Sind Elbow denn allgemein eine eher politische Band?

Peter: Nein, nicht wirklich. Wie jeder haben wir natürlich eine Meinung. Uns gefällt nicht, was in der Welt vorgeht. Wir sind genauso politisch wie es auch unsere Freunde sind, also eher auf einem normalen Level. Vielleicht sogar etwas darunter.

Soundmag: Dieses Album habt ihr zum ersten selbst produziert. Bei den beiden Alben davor habt ihr mit Ben Hillier zusammengearbeitet. Läuft es besser mit oder ohne Produzent?

Peter: Das kann ich nicht sagen. Ich glaube allerdings nicht, dass wir jemals wieder mit einem Produzenten zusammen arbeiten werden. Die Songs für „Asleep On The Back“ haben wir über eine Zeit von vier Jahren geschrieben. Nachdem wir einen Vertrag mit V2 unterschrieben, kam Ben dazu. Da waren die Songs aber eigentlich schon so gut wie fertig. „Cast Of Thousands“ hingegen war genauso Bens Album wie es unseres war. Er war wie ein sechster Mann. Für uns war das eine wirklich schwere Phase, weil und die Songs fehlten. Während der Tour zum ersten Album haben wir mit dem Schreiben einfach aufgehört, um die Zeit zu genießen, die wir zum ersten Mal als Band unterwegs waren. Anschließend gab es dann nichts, woraus wir ein neues Album hätten machen können. Damals entschieden wir uns, immer zu schreiben. Während der nächsten Tour schrieben wir also ständig und merkten, dass wir viel besser wurden – sowohl was das Schreiben, aber auch was das Produzieren angeht. Craig konnte inzwischen gut mit dem Pro-Tools-Programm umgehen. Wir wollten, dass das neue Album 100% Elbow ist und externe Einflüsse ausschließen. Darum produzierten wir es allein.

Soundmag: Ihr habt auf Tour neue Songs geschrieben, aber auch schon einige Demos aufgenommen, richtig?

Peter: Genau. „Picky Bugger“ zum Beispiel entstand nach unserem letzten Auftritt hier in Berlin. Ich weiß nicht mehr, wie der Club heißt, aber auf das eine oder andere Riff kamen wir zwischen Soundcheck und Konzertbeginn. In Köln fiel uns dann der Chorus ein. Wo immer wie waren, wann immer etwas Zeit waren, haben wir das, was uns einfiel, auf einem Laptop mitgeschnitten. Das geht ja heute sehr einfach und wir hatten so schon die ersten Startpunkte als wir zurück im Studio waren.

Soundmag: Während der letzten Aufnahmen für „Cast Of Thousands“ wart ihr oft fischen, um einen klaren Kopf zu bekommen. Gab es diesmal ähnliche Aktivitäten?

Peter: Ja, wir haben Vögel beobachtet. Mark´s Dad ist verantwortlich für die Beobachtung von Seemöwen. Er hat Zutritt zu einem für die Öffentlichkeit gesperrten Gebiet. Dorthin nahm er uns mit und wir beobachteten sie durch Ferngläser. Jimmy von den Doves, der es liebt, Vögel zu beobachten, war auch dabei. Es war unglaublich. Fischen waren wir aber auch oft. Unglaublich beruhigend und es räumt Deinen Kopf auf. Craig ist der Fischer in der Band. Wir anderen stehen nur so dabei.

Soundmag: Beim letzten Interview 2003 hat Dich Mathias nach Deinen aktuellen Lieblingsalben gefragt. Das würde ich auch gern tun.

Peter: Interpol sind zur Zeit das Größte für mich. Ich liebe „Antics“. Willy Mason „Where Humans Eat“. Ich höre auch viel Muse, wofür ich mich von den anderen oft was anhören muss, weil sie keine Fans sind. Wir haben auch gerade mit ihnen getourt. Wir kennen sie seit Jahren und es war großartig. Sie haben einen fantastische Liveshow. Das neue Queens Of The Stoneage-Album. „Some Cities“ von den Doves ist auch unglaublich. Ich habe mir vor drei Monaten einen I-Pod gekauft, obwohl ich immer gesagt habe, dass ich keinen MP3-Player haben will. Ich sehe mir gern meine Musiksammlung an. Aber dann hatte ich ihn und es war das Beste in der Welt. Allerdings haben sie mir den I-Pod vor einiger Zeit geklaut.

Soundmag: Bei den Bands, die Du genannt hast, fehlten junge Gruppen wie die Kaiser Chiefs oder Futureheads. Was denkst Du über die?

Peter: Ich mag einige von ihnen, z.B. Bloc Party. Wir hatten ihr Album als White Sleeve mit im Studio, wussten nichts über sie, fanden einige der Songs aber wirklich genial. Wir versuchten einige ihrer Ideen wie den Schlagzeug-Sound bei unserem Album im Gedächtnis zu haben. Bei dem einen oder anderen Song merkt man das sicher auch. Ich bin kein so großer Kaiser Chiefs-Fan, aber ich hab sie getroffen und sie sind wirklich nett. Diese ganze Bewegung kommt mir manchmal komisch vor. Wir sind jetzt schon seit ein paar Tagen dabei und ziehen unser Ding durch. Wir haben aber sicher nie ein Album verkauft, weil wir so oder so aussehen. Aber diese Leute sehen großartig, fantastisch aus und verkaufen darum sicher auch die eine oder andere CD. Uns hingegen nennen sie bereits die „Elder Statesmen“, was mir eigentlich ganz gut gefällt. Musikalisch unterscheiden wir uns sehr von ihnen, aber viele der jungen Bands, sagen uns, dass ihnen unsere Musik sehr gefällt. Manchmal kann ich das nicht verstehen, weil wir nicht die Band zu sein scheinen, in der sie gern dabei wären.

Soundmag: Darüber hatte ich auch nachgedacht, ob Ihr Euch ein wenig wie „Elder Statesmen“ fühlt, weil ihr irgendwie der Generation davor angehört.

Peter: Aber das ist doch komisch, oder? Für mich ist das alles hier immer noch neu. Ich bin immer wieder überrascht, dass wir schon drei Alben zu Stande gebracht haben. An dem Tag als „Asleep In The Back“ rauskam, waren wir in Cardiff im Virgin-Megastore und haben uns gegenseitig dazu gratuliert. Wir haben nie viel über Erfolg oder so was nachgedacht. Es kommt wie es kommt und wir versuchen immer, es zu genießen. Das erste Album ist ja noch gar nicht so lange her, es erschien 2001.

Soundmag: Aber ihr habt ja auch zehn Jahre gebraucht, bis das Album dann da war. Von daher macht das schon Sinn.

Peter: Ja, das stimmt. Auf jeden Fall gefällt es mir gut, als „Elder Statesman“ bezeichnet zu werden. Wenn ich an so was denke, kommen mir Nick Cave oder die Tinderdsticks in den Sinn. Die sind schon ewig dabei und werden respektiert. We are the new boys, we´re still kids!

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