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I LIKE TRAINS

I LIKE TRAINS

The Shallows

 

Release-Datum: 11.05.12

Label:  Cargo Records

Format: Album

Review:  Alfie

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Eins vorweg: I Like Trains tragen schon lange keinen Trauerflor mehr und sie klangen schon auf ihrem Zweitling „He Who Saw The Deep“ nicht mehr so verzweifelt und gaben keinen Nachhilfeunterricht in Geschichte mehr. Die Zeiten als sich der Zug aus Leeds eher behäbig als zügig vom Fleck weg bewegte, sind lange vorbei. Schon auf LP #2 dominierten eher persönliche Themen und David Martin erzeugte ein regelrechtes Bombardement an Zitaten, wie man sie perfekt auf T-Shirts drucken könnte: „In a million years our bones will be your oil“ oder „Your heart will have a hard time“.

Nun folgt nach zwei Jahren das neue Album „The Shallows“, welches in Nord-Wales mit Produzent Richard Formby, der die letzten Platten der Wild Beasts gemacht hatte, entstanden ist.

In Richards Studio standen einige wirklich seltene und originelle analoge Maschinen herum, an denen Leeds spannendste Band scheinbar ausgiebig herumgespielt hat. Neben dem Hantieren mit russischen „Echo Tape“-Geräten und Uralt-Synthesizern vergaßen sie gottlob nicht ihre Gitarren. Diese werden auf „The Shallows“ nun deutlich reduzierter eingesetzt und die Band verabschiedet sich damit fast endgültig von Hall- und Echowänden, durch die es keinen Weg gibt. Nein, sie lassen ihrer neuen Musik viel Luft zum Atmen, wobei sie durch die nun neu entdeckte Technik weniger organisch scheint als vorher. I Like Trains klingen gezügelter und kontrollierter, der Opener „Beacons“ gar wie eine bewusste Abkehr von jeglicher dramatischen Pose. Es zirpt und knistert an allen Ecken und Enden. David Martins Gesang ist in den sehr stimmigen Gesamtsound verwoben, ohne dass er ihn dominiert. Es scheint schon zu Beginn alles zu passen.

Das nächste Highlight von „The Shallows“ ist das leicht verstörende „Water/Sand“, das sich zunächst eine Weile hinzieht und eine recht düstere Stimmung aufbaut, welche durch das dann einsetzende Schlagzeug noch untermalt wird: es klingt wie das Klappern von Knochen und recht voodooesque. Der Refrain „I am water through sand, I made the channel for others to follow“ geht dann wirklich an die Nieren und just in dem Moment, an dem man fast wieder denkt, dass I Like Trains alles bierernst nehmen, entflieht ihnen ein kleiner Wortwitz: „Using your maps to find Jesus“.

Auf „Reykjavik“ lassen I Like Trains wieder ihre Muskeln spielen und zeigen alte Stärken: Songs mit einer gewissen Überlänge. Diesmal jedoch klingen sie dabei deutlich entschlossener und gleichzeitig gewinnt man das Gefühl, dass sie nicht von Untergängen und zerbrochenen Existenzen berichten, sondern sich von einem fast optimistischen Gefühl tragen lassen und eben jenes weitertransportieren. Ein einziges Mal auf „The Shallows“ spielen sie sich in einen kleinen Rausch und lassen kurz etwas mehr ihre Hallgeräte aufheulen. Während der Bass Joy Division-haft grollt und sich Hallwände aufrichten, klingt David Martin fast wie ein Schelm. An dieser Stelle fällt mir übrigens ein kleines Phänomen auf: I Like Trains zitieren sich relativ oft selbst. Auf „Reykjavik“ singt David Martin etwas von „Skin between my teeth“. Die exakt gleiche Formulierung benutzt er auf „Wewere Matadors“ (ein Song vom letztjährigen Tour-mp3) und ebenso spricht er im Laufe des Albums mehrere Male von einer „Löwengrube“, die im fantastischen „These feet of clay“ vom Vorgängeralbum ebenso beschrieben wird: „we marched bravelyto thelion’s den“. Neben der Löwengrube kommt später noch das „Rabbit hole“ hinzu. Hält man sich also nun vor Augen, dass „The Shallows“ eine Abkehr von der digitalen Welt heraufbeschwört, klingen Rückzugsräume wie Löcher und Gruben fast wie Orte der Natur, in die man sich bei aller Digitalisierung vor allem und jedem verschanzen möchte. Dazu passt in der Retrospektive auch der witzige Werbeclip, den I Like Trains gedreht haben, um ihren Band-eigenen Tee zu promoten: David Martin sitzt wie ein Landlord in seinem Haus und erklärt den Verlust jedes Greifbaren und dass Tee das Einzige ist, das nicht digitalisiert werden kann.

„The Shallows“ schließt zunächst mit dem psychedelischen Trip „We used to talk“, welches auf nächtlichen Autobahnen wahrscheinlich famos passt, und final dem recht barocken „In Tongues“. Wieder erscheinen die analogen Synthie-Klänge und ein Interpol-artiges Bassdrum-Hämmern. Alles ist bis aufs Äußerste reduziert, als plötzlich ein Grandaddy-Fiepen das Kommando übernimmt. „Over and over and over again, we find comfort in the why’s and when’s, over and over and over again into the rabbit hole, into the lion’s den“. Aus!

Plötzlich ist dieses über das erste, zweite und dritte Mal Hören schwer verdaulich scheinende Album beendet. Nicht ganz unabsichtlich endet der letzte Song mit dem gleichen Tempo wie der erste und auch das Synthie-Fiepen erinnert am Ende stark an den Anfang, weswegen es empfehlenswert ist, das Album mal einen ganzen Abend im Repeat-Modus durchlaufen zu lassen. Der Mehrwert, den dieses Album bereithält, ist faszinierend. Man muss einfach nur bereit sein, dieser Band ihre Veränderungen zu lassen und mitzugehen.

 

Tracklisting

1. Beacons
2. Mnemosyne
3. The Shallows
4. Water/Sand
5. The Hive
6. The TurningOf The Bones
7. Reykjavik
8. WeUsedTo Talk
9. In Tongues

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