Zur Unvergleichlichkeit - Greifswalder Professor Flaig erhält Beifall von Rechtsextremisten PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von: Mathias Brodkorb   
Donnerstag, 20. Dezember 2007 um 05:31
egon-flaigIn der Ausgabe 701 des „Merkur" veröffentliche der Greifswalder Althistoriker Prof. Dr. Egon Flaig im Oktober 2007 unter dem Titel „Zur Unvergleichlichkeit, hier wird’s Ereignis. Reflexion über die moralisch erzwungene Verdummung“ einen Beitrag zur vermeintlichen Unvergleichlichkeit des Holocaust. Dafür erhielt er umgehend Zuspruch von rechtsextremer Seite.

So dauerte es nur kurze Zeit, bis Flaigs Artikel ohne dessen Kenntnis auf der revisionistischen Plattform nonkonformist.net platziert wurde. Von dort schließlich schaffte es der Beitrag ins forumgermanicum.net sowie bis in den Kommentarteil der mutmaßlich vom Stralsunder Neonazi Axel Möller betriebenen Internetseite de.altermedia.info.

Kommentiert wird dort ein Beitrag der mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilten Revisionistin Ursula Haverbeck, Ehefrau des verstorbenen Mitglieds der NSDAP-Reichsleitung Werner Georg Haverbeck: „Ergänzend zu dem hervorragenden Aufsatz von Frau Haverbeck über das in der brd gesetzlich vorgeschriebene Holocaust-Denkverbot empfehle ich einen Text von Prof. Egon Flaig von der Universität Greifswald. Dieser Autor spricht zwar nicht ganz so offen über die Materie wie Frau Haverbeck (sicher will der Herr Professor weder Professur noch Rente verlieren!). Trotzdem lässt der Text klar erkennen, dass sich auch in den Universitäten allmählich kritische Stimmen zur Holocaust-Inquisition regen!“, notiert der Kommentator unter dem Pseudonym „Deutschländer“. Ursula Haverbeck wurde zuletzt im Juni 2007 vom Landgericht Dortmund zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt, weil sie in einem Artikel geäußert hatte, Adolf Hitler sei "eben nicht vom geglaubten Holocaust oder seiner angeblichen Kriegsbesessenheit zu verstehen", "sondern nur von einem göttlichen Auftrag im weltgeschichtlichen Rahmen".

Prof. Flaig hatte sich in seinem Artikel jedoch nicht mit der Leugnung des Holocaust beschäftigt, sondern reagierte auf einen nach seiner Ansicht bestehenden „moralischen Terror“ in der Bundesrepublik, der in der Formulierung „Wer vergleicht, bestreitet das Einzigartige.“ gipfele. Gegen diese These versucht der Greifswalder Althistoriker nachzuweisen, dass selbst die Postulierung der Einzigartigkeit des Holocaust den Vergleich als analytisches Instrument immer schon voraussetzt: „Um negieren zu können, muß der Verstand bereits verglichen haben.“ Das Relativieren, also das Inbeziehungsetzen von Untersuchungsgegenständen erweise sich für den Wissenschaftler daher als dessen Pflicht. Ohne Vergleich könnte die spezifische Beschaffenheit der Erkenntnisobjekte gar nicht erfasst werden.

Jene Wissenschaftler, die sich einer solchen Relativierung historischer Ereignisse nicht stellten, würden nach Flaig zu einer Sakralisierung des Denkens beitragen. Dinge, die nicht in Beziehung zu anderen gesetzt werden dürften, erhielten so den Status eines „Hyperabsoluten“: „Dann kann man nur noch andächtig den Kopf senken und beten, anstatt die Augen zu öffnen und das Gehirn anzustrengen.“ Im Ergebnis entstehe so eine „intellektuelle Sperrzone“, „in der die Hohenpriester des Hyperabsoluten warnungslos moralische Todesschüsse abgeben dürfen.“ Flaig spielt hiermit offenbar auf Diskussionen über „political correctness“ in der deutschen Öffentlichkeit an.

Neben der These, dass der Holocaust nicht unvergleichlich sei, behauptet Flaig zudem, dass dessen vermeintliche Singularität einer Banalität gleichkomme: „Rein logisch ist alles Existierende singulär, weil die Bedingungen des Existierens für zwei Dinge unmöglich dieselben sein können, ja weil diese Bedingungen sich für ein und dasselbe Ding bereits geändert haben, während ich diesen Satz schreibe. Doch wenn ich wissen will, in welcher Hinsicht etwas singulär ist, dann komme ich nicht umhin zu vergleichen. Wer wird bestreiten, daß das Warschauer Ghetto »singulär« war? Aber jede einzelne Krankheit meines Großvaters war es ebenso. Sogar der Rotz in meinem Taschentuch ist singulär...“, bringt Flaig seinen Standpunkt mit polemischem Unterton auf den Punkt.

Dass es gerade diese Ausdrucksweise, die Opfer des Nationalsozialismus in einem Atemzug mit „Rotz“ erwähnt, sein könnte, die einige Rechtsextremisten zu Beifall animiert, will Flaig gegenüber ENDSTATION RECHTS. jedoch nicht gelten lassen: „Kein Wissenschaftler, der sich öffentlich äußert, entgeht dem Risiko, daß jedweder Idiot aus der Äußerung macht, was ihm beliebt. Um Internet-Einträge zu studieren, bleibt mir keine Zeit. Meine Worte sind glasklar. Meine Position zur Schoah wie auch zum Existenzrecht Israels lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.“, so der Greifswalder Geschichtsprofessor.

Der "Merkur" hat die Ausgabe 701 heute aus dem Netz genommen. Die einzige derzeit im Internet zugängliche Fassung des Artikels finden sie auf der Internetseite www.nonkonformist.net. Da diese Veröffentlichung nach unseren Informationen jedoch nicht mit Zustimmung des Autors und des Verlages des "Merkur" geschah, verzichten wir auf eine Verlinkung.

Ein mit Prof. Flaig geführtes Interview veröffentlichen wir voraussichtlich noch in dieser Woche.



Kommentar: Ein Professor vergreift sich im Ton

von Mathias Brodkorb, MdL

mathiasbrodkorbEs wäre abwegig Professor Flaig in die rechtsextremistische Ecke zu stellen. Ebenso unzulässig wäre es, ihn für die schrägen Gedanken verantwortlich zu machen, die mancher Rechtsextremist in seinem Hirn mit sich herumträgt. Hierfür verantwortlich bleiben die Rechtsextremisten selbst. Und dennoch sollte Beifall von der falschen Seite zumindest Anlass sein für eine selbstkritische Reflexion darüber, ob man diesem Beifall – und sei es ungewollt – selbst unnötig Nahrung gegeben hat.
Flaig stellt respektable wissenschaftliche Thesen auf, die einem nicht gefallen müssen. Auch wer daran festhält, dass der „Fall Auschwitz“ im Hinblick auf seine systematische Bestialität historisch singulär ist, kommt nicht ohne Vergleiche aus – auch wenn er sich dies selbst nicht eingestehen mag. Denn woher sollte man um die Einzigartigkeit wissen, wenn der „Fall Auschwitz“ nicht zuvor mit anderen geschichtlichen Ereignissen verglichen und gerade Nicht-Identität festgestellt wurde?
Entscheidend ist daher, von welcher Qualität die Argumente sind und welche Motivation ihnen zugrunde liegt. Es macht einen gehörigen Unterschied, ob ein Wissenschaftler um historische Wahrheit und Objektivität bemüht ist und uns deshalb mit unbequemen Thesen konfrontiert oder ob sich in Wahrheit politische Absichten hinter einer Position verbergen, deren Zweck letztlich die Verharmlosung der Verbrechen der Nationalsozialisten ist.
Flaig hat als deutscher Gelehrter in einem Artikel gezielt die Öffentlichkeit gesucht. Und gerade deshalb muss er sich als Wissenschaftler die Frage gefallen lassen: Welchen Erkenntnisgewinn fördert es zu Tage, im Zusammenhang mit dem „Warschauer Ghetto“ und der „Schoah“ den „Schleim“ im Halse und den „Rotz“ im eigenen Taschentuch ins Spiel zu bringen? Keinen! Dies könnte höchstens von der falschen Seite Beifall und auf Seiten der eigentlichen Adressaten Unverständnis und Diskursverweigerung befördern.


Die Flaig-Debatte in ganzer Pracht:

Zur Unvergleichlichkeit - Greifswalder Professor Flaig erhält Beifall von Rechtsextremisten

"Für moralischen Terror gibt es keine mildernden Umstände" - Prof. Flaig im Interview

„Der Revisionismus gehört zum Kernbestand der Aufklärung " - Gespräch mit Prof. Dr. Egon Flaig I

"Der Nationalsozialismus war eine Reaktion auf den Kulturrelativismus" - Gespräch mit Prof. Flaig II

"Multikulturalismus führt in den Bürgerkrieg" - Gespräch mit Prof. Flaig III

„Mit einer Zeitung am rechten Rand will ich nichts zu tun haben." - Gespräch mit Prof. Flaig IV



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