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Meite Thiede

Alexander Falk verkaufte den Kartografie-Verlag seines Vaters und stieg groß ins Geschäft mit Internet und Banken ein – es bleibt eine Schneise der Verwüstung.

Alexander Falk, als er noch Präsident der Distefora-Holding war. Inzwischen gilt das Schweizer Unternehmen als ausgeplündert. (AP)

(SZ vom 21.06.03) - Alexander Falk scheint ein Mann zu sein, den man leicht unterschätzt. Der blond gelockte Hamburger, der auf Fotos einen so smarten und wohlerzogenen Eindruck macht, bekommt in den Erzählungen jener, die sich als seine Opfer sehen, immer ein zweites Gesicht.

Das erste ist richtig nett. Das zweite ziemlich übel. Da erinnert sich einer, der heute „etliche Prozesse“ gegen Falk laufen hat, an den sympathischen jungen Mann, immer lächelnd, immer freundlich, der kurze Zeit später eiskalt Verträge bricht.

Geld nie gesehen

Ein anderer – auch er prozessiert und will seinen Namen nicht in der Zeitung lesen – hatte sich vor drei Jahren von der Internet-Euphorie des Jungdynamikers anstecken lassen und ihm seine kleine Firma verkauft. Jedenfalls auf dem Papier. Das Geld dafür hat er nie gesehen.

Einem dritten Manager, diesmal aus der Bankenszene, scheint es richtig peinlich zu sein, dass er auf einen wie Falk reingefallen ist. Der junge Investor mit der prall gefüllten Geldbörse hatte sich als Retter einer strauchelnden Privatbank angedient. Sehr verlockend, aber am Ende hatte Falk ihn ausgebootet.

Die Liste der Falk-Geschädigten ist lang, denn der 33 Jahre alte Hamburger, der unter Betrugsverdacht steht und seit zwei Wochen in Untersuchungshaft sitzt, hat in seinem unternehmerischen Wirken bei Distefora, Ision und Hornblower Fischer eine Schneise der Verwüstung hinterlassen.

Phantastische Visionen und juristische Winkelzüge

Das „System Falk“ scheint ein Muster zu haben: Phantastischen Visionen und Versprechungen folgen juristische Winkelzüge. „Da taten sich plötzlich Hintertürchen auf, die sein Anwalt trickreich eingebaut hatte“, erzählt einer, der nach seiner Falk-Begegnung um eine Firma ärmer war.

Dass „der Sascha“, wie seine Freunde Falk nennen, ziemlich clever ist, hatte er schon in jungen Jahren bewiesen. Nach dem Abitur musste der begeisterte Segler und Surfer, der im noblen Hamburger Elbvorort Blankenese aufgewachsen war, noch ein paar Monate bis zum Wehrdienst überbrücken.

Zusammen mit einem Freund wollte er „eine richtig schöne Surfreise“ nach Südafrika machen. Und um den Aufenthalt zu legalisieren, so erzählte er einmal einer Zeitung, schrieb er sich kurzerhand an der Universität von Kapstadt als Student ein.

Keine Begeisterung für den Kartografie-Verlag

Für den 1945 gegründeten väterlichen Betrieb, den international bekannten Kartografie-Verlag, konnte sich Falk nie so recht begeistern. „Ich bin ohnehin jemand, der gern nach dem Weg fragt“, frotzelte er und verkaufte sein Erbe 1995 – damals war er gerade 26 Jahre alt – für 50 Millionen DM an Bertelsmann.

Unternehmerische Ziele hatte der BWL-Student aber nicht – jedenfalls nicht solche, die in der Hansestadt Anerkennung finden würden. Mit dem geerbten Geld wurstelte Falk und sein Freundeskreis eine Zeit lang eher planlos und relativ unbeachtet von der Öffentlichkeit vor sich hin.

In der Schweiz kaufte er einen leeren Börsenmantel, der in Distefora Holding umfirmiert wurde, und brachte dort einige kleinere Firmen unter, die später im weitesten Sinne als Internet-Geschäft gelten konnten.

Gang an den Neuen Markt

In Deutschland erwarb Falk von ThyssenKrupp eine, später Ision Internet genannte, kleine Firma, und mit der ging er im März 2000 an den Neuen Markt.

Dort herrschte damals noch immer Goldgräberstimmung, und so wundert es auch nicht, dass ein Wirtschaftsprüfer Ision mit ihren vielen kleinen, defizitären Tochterfirmen mit 138 Millionen DM bewertete.

Man erinnere sich: Internet-Firmen, die in jenen Jahren Gewinne erwirtschafteten, galten als hoffnungslos fehlgeleitet. Schließlich ging es ausschließlich um Wachstumsfinanzierung und das Sichern von vermeintlich vielversprechenden Märkten.

200 Millionen Euro

Mit dem Börsengang kassierte Ision rund 200 Millionen Euro, und natürlich sollte das Geld in das Marketing und für Akquisitionen, vor allem im Ausland, fließen.

Aber Ision schwächelte von Geburt an. Nur die Kleinaktionäre bekamen davon nichts mit. Und die Falk-Connection war längst damit beschäftigt, den Ausstieg zu inszenieren.

Vieles, was damals geschah, ist heute nur noch mit dem Taumel zu erklären, in dem sich die New Economy befand. Kleine „IT-Buden“ waren plötzlich Millionen wert, und mancher Gründer einer solchen Bude ist heute ein wohlhabender Mann, weil er seine Firma an ein junges Börsenunternehmen verkaufen konnte, das mit dem am Neuen Markt eingesammelten Spielgeld auf großzügige Einkaufstour ging.

Geld, das niemals ankam

Nur jenen, die damals an Falks Ision gerieten, ging es gelegentlich schlecht, weil das Geld niemals ankam.

Im Moment interessiert sich die Hamburger Staatsanwaltschaft nur für einen kleinen Teil der Geschäfte, die Falk und seine Mitstreiter im Jahr 2000 bei Ision betrieben haben.

Mit Scheingeschäften sollen sie damals die Umsätze bei Ision in die Höhe getrieben haben, so dass der Aktienkurs sich gegen den – im Jahr 2000 nach unten zeigenden – Börsentrend ganz ordentlich entwickelte und Ision zum Jahresende für 812 Millionen Euro verkauft werden konnte.

Bezug zur Realität verloren

Heute scheint es so, als hätten die Beteiligten damals schon lang den Bezug zur Realität verloren, als hätten sie ihre dubiose Art, Geschäfte zu machen, bereits als ganz normales Gebaren verinnerlicht.

Denn warum sonst wurde offenbar ein Protokoll von jenem „Kick-off Meeting“ am 19. September 2000 geschrieben, in dem die Geschäftsfreunde ziemlich genau durchsprachen, wie die Scheingeschäfte nachträglich in die Buchhaltung einzuarbeiten seien und wie Distefora die nötige Liquidität für den Deal herbeischaffen würde.

Mit Falk in U-Haft

Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft zielt auf alle sieben Beteiligten, darunter ein Anwalt und ein Wirtschaftsprüfer, und einige von ihnen sitzen jetzt mit Falk in Untersuchungshaft.

Es ist Johann-Christoph Rudin zu verdanken, dass die Behörde sich jetzt mit so brisanten Unterlagen wie jenem Protokoll beschäftigt. Der 38-Jährige Anwalt betreibt in Zürich eine florierende Kanzlei und ist – eigentlich im Nebenjob – Aktionärsschützer.

Doch seit einigen Monaten ist der gründliche Schweizer vollauf damit beschäftigt, das System Falk aufzuspüren und zu dokumentieren.

„Ein ausgeplünderter New Technologie-Wert“

Durch Zufall wurde Rudin einziger Verwaltungsrat der Schweizer Distefora, die Falk im Chaos hinterlassen hatte und die laut Rudin heute „ein ausgeplünderter New Technologie-Wert“ ist.

Schon beim Studium der ersten Akte war dem Schweizer nach eigenen Worten klar, dass Falk bei Distefora „üppig abkassiert hat“.

Im März gab er Informationen an die deutsche Bankenaufsicht, die daraufhin Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattete.

Bei Bedarf Unbedarft

Rudin ist auch so einer, den man wohl leicht unterschätzen kann. Das weiß er selbst, und wenn es der Sache dient, spielt er auch schon mal den Unbedarften.

Zum Beispiel, als er im Februar dieses Jahres in Hamburg versuchte, an jene 800 Distefora-Akten zu kommen, die die Falk-Connection sich unter den Nagel gerissen und bei einem Spediteur gelagert hatte, damit der Aktionärsschützer dort nicht herumschnüffeln konnte.

Keiner bekam mit, dass Rudin einen Hochsee-Container für 2.200 Euro gekauft und im Hamburger Zollhafen – einem „ziemlich sicheren Ort“ – deponiert hatte.

„Ganze Horden von Detektiven“ waren in Marsch gesetzt worden, um ihn unter Kontrolle zu behalten, erzählt Rudin. Doch er schaffte es trotzdem, die Akten bei dem Spediteur herauszuholen, in einer eigens angemieteten Wohnung mit Hilfe von fünf Afrikanern – garantiert nicht deutsch sprechend – zu kopieren und im Container per Bahn in die Schweiz zu transportieren.

„Völlig neutral“

Rudin hat Alexander Falk niemals persönlich kennen gelernt, und er hegt nach eigenen Worten auch keine Gefühle für oder gegen ihn. Da sei er „völlig neutral“.

Seine Motivation für den Großeinsatz erklärt er so: „Ich wollte verhindern, dass die Kleinaktionäre weiter unter den dubiosen Interessen dieser Leute leiden.“

Von den Ermittlungen des Hamburger Staatsanwalts erhofft Rudin sich die Grundlage für spätere Aktionärsklagen. Auch das soll gründlich erledigt werden: Der Schweizer Aktionärsschützer will auch für die Ision-Geschädigten einstehen und empfiehlt dafür seine E-Mail-Adresse: info@investorenschutz.ch.

Prominenten-Strafverteidiger

Falk hat sich den Beistand des Hamburger Prominenten-Strafverteidigers Gerhard Strate gesichert. Doch der konnte seinen Mandanten bisher noch nicht aus seiner neun Quadratmeter kleinen Zelle herausholen.

In der nächsten Woche gibt es den ersten Haftprüfungstermin. Möglicherweise drängt Falk noch etwas heftiger als andere auf eine sofortige Entlassung; immerhin hat er bei einer früheren Gelegenheit gesagt: „Für mich wäre es die schlimmste Strafe, untätig auf Mallorca zu sitzen.“

Bei der Privatbank Hornblower Fischer muss unterdessen Falks Schwiegervater, der Hamburger Kaufmann Axel Schroeder, nach dem Rechten sehen.

Neues Betätigungsfeld

Falk hatte sich nach seinem glorreichen Ausflug in die Internet-Welt im Bankbereich ein neues Betätigungsfeld gesucht. Er ist Großaktionär und Aufsichtsratschef der Frankfurt Investmentbank.

Schon möglich, dass er in der Bankenwelt nach dem Reichtum nun auch Anerkennung ernten wollte. Denn was gibt es in der Geschäftswelt wohl Ehrenwerteres, als eine Bank sein eigen zu nennen?

Auch dort ist der Schaden jetzt groß. Denn was gibt es Schlimmeres für eine Bank als einen des Betrugs verdächtigten Großaktionär?

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