Vergütung von Lehrbeauftragten und Privatdozenten

In Deutschland ist es Tradition, dass Privatdozenten kostenlos lehren und Lehrbeauftragte nichts oder eine relativ geringe Vergütung je nach Fächern, Instituten und Zahl der Lehraufträge erhalten.


Von Ulrich Oberdiek
Akademische Nobodies?
Der größte Sponsor deutscher Hochschulen ist die Gruppe der Privatdozenten (PDs) und Lehrbeauftragten (LBs). Seit vielen Jahrzehnten ist es in Deutschland üblich, sie an Hochschulen quasi gratis arbeiten zu lassen - tausende Personen (Statistisches Bundesamt 2002: 45 018 LBs und rund 5 000 PDs), die für den staatlichen Arbeitgeber mehr oder weniger kostenlos und dauerhaft, d.h. fest eingeplant, lehren. Hinter diesem Brauch, dieser Tradition, stehen Vorstellungen und Werte. PDs und LBs stellen rund 25 Prozent der Lehre (vgl. Oberdiek: "Ausgebootet". Marburg 2004:75ff.) an den Hochschulen. Würden sie bezahlt, läge der Gesamtpersonaletat rund 15 Prozent höher.

Da nach der von C. Lorenz dargestellten (Sociologia Internationalis 44.2006:127ff.), gegenwärtig herrschenden, aus der Betriebs-
wirtschaft stammenden, von interessierten Kreisen (wie WTO, GATT, GATS) betriebenen und von der Politik mit Nachdruck durchgesetzten Ideologie das Geld auf allen Ebenen zum leitenden Faktor für Hochschulen gemacht wurde und entsprechend dieser Ideologie nun auch von den Studierenden Geld dafür gefordert wird, dass sie sich "für das System" (aus-)bilden lassen, erscheint es legitim und systemkonform, auch jenes Geld anzusprechen, das PDs und LBs vorenthalten wird - ihr Arbeitsentgelt. Nicht PDs und LBs betreiben die Ökonomisierung der Hochschulen, aber wenn sie schon von der Politik durchgesetzt wird, ist es konsequent, die Entscheidungsträger auf dieser Ebene anzusprechen und die Entlohnung zu fordern.

Schon Max Weber hat um 1919 in seinem Aufsatz Wissenschaft als Beruf die "idealistische" Idee, die hinter der Nichtbesoldung steht, beschrieben. Er kritisierte das Bild, dass dieser nichtbezahlte Personenkreis, die PDs, als Professoren ohne weiteres in eine gut bezahlte Position "einrücken" würde; es stimmte also auch damals nicht. Danach wurde und wird die Idee von erfolgreich im Beruf stehenden LBs tradiert, die "für die Ehre" als Dozenten tätig sein würden. Dieses Prinzip der "Ehre" hat möglicherweise für Mediziner eine gewisse Bedeutung - aber was ist mit all den anderen? Weber diagnostizierte, dass es sich bei der Institution der PDs eigentlich um ein plutokratisches System handele, in welchem nur die jahrelang unbezahlt wissenschaftlich tätig sein können, die das Kapital haben - während die Lecturer in den USA wenigstens entlohnt würden. Weber etabliert also den Gegensatz von deutschem (plutokratisch) und US-amerikanischem System (bürokratisch). Bedenkt man seine generelle theoretische Haltung, so stellt die bürokratische Organisation einen "Fortschritt" dar. Nun haben manche Akteure im deutschen System, das verschiedentlich auch als "ständisch" charakterisiert wurde, versucht, die persönlich unerträgliche Unsicherheit einer zukünftigen Stelle durch persönliche Netzwerke, Seilschaften, zu verringern. Hier wurde aus einer systembedingten Not eine systematische Untugend, nämlich eine Form von Korruption. Eine solche "Schlüsselqualifikation" zum Klientelismus ist freilich nicht allen gegeben, und manchmal geraten gerade jene, deren Leidenschaft stärker der Wissenschaft gilt, hier ins Hintertreffen. Erst kürzlich wurde die "ständische" Organisation der deutschen Wissenschaft von zwei in die USA "geflohenen" Wissenschaftlern beklagt: "Die große Zahl an Hochschulen in den USA und die deutlich größere Zahl der Professorenstellen pro Student bedingt, dass praktisch jeder produktive Forscher "seine" Stelle findet. In Deutschland dagegen führt die geringe Zahl an festen Stellen zu einer Abhängigkeit vom Lehrstuhlinhaber, der de facto über die Karrierechancen entscheidet [...es besteht] die Tatsache, dass Professorenstellen in Deutschland oftmals aufgrund von Beziehungen und Absprachen und nicht immer strikt leistungsbezogen vergeben werden" (Forschung & Lehre 2007, S. 98). Dieser deutsche "Systemcharakter" ist vielleicht aus Vorläufern wie Zünften und Gilden seit dem späten Mittelalter erklärbar, wo Systemgehorsam wesentlich war. Dazu passt auch das "Sich hochdienen" unter zunächst schlechten Bedingungen wie etwa der Nichtentlohnung. Sie ist allerdings keine - gelegentlich angeführte - Analogie zu Auszubildenden oder Praktikanten, weil promovierte und habilitierte Lehrende vollausgebildet sind: allenfalls könnten die ersten beiden Lehrsemester in geringerem Maß vergütet werden.

Übertrüge man die Inanspruchnahme der quasi ehrenamtlichen Lehre auf die Wirtschaft, so würde dies heißen, dass ein großes, landesweit tätiges Unternehmen - sagen wir Siemens oder Daimler - etwa ein Drittel seiner hochqualifizierten Ingenieure für ihre Tätigkeit nicht bezahlen würde - mit dem Hinweis, es sei eine Ehre, im Unternehmen zu arbeiten.

Eine Musterrechnung

PDs müssen kostenlos lehren, LBs bekommen in Deutschland entweder nichts (d.h. auch keine Aufwandsentschädigung) oder ein Semesterentgelt zwischen ca. 200 bis 500 Euro für ein zweistündiges Seminar - dies variiert nach Fächern, Instituten und Zahl der Lehraufträge: Ein Institut erhält gewöhnlich einen festen Betrag, der dann unter die LBs aufgeteilt wird (statt eines festen Betrages für einen Lehrauftrag). Diese Beträge können nicht als Bezahlung gewertet werden, weil tatsächliche "Preise" für die Lehre wesentlich höher liegen.

Eine Musterrechnung von T. Würtenberger (s. Forschung & Lehre 2003 und 2007) hat eine Arbeitsbelastung - in einem konkreten Fall - durch die Lehre von über 50 Prozent ergeben. Da es ähnlich wie bei Gehältern kaum möglich ist, dies nach Fächern oder Personen zu differenzieren, sei hier eine pauschalierte Rechnung angeführt: Ein Monatsgehalt eines Professors von 5 000 Euro ergibt ein Semestergehalt von 30 000 Euro. Wenn vier zweistündige Lehrveranstaltungen gehalten werden und man 50 Prozent Arbeitszeitbelastung durch die Lehre annimmt (Lehrstunden, Vorbereitung, Korrekturen, Klausuren, Prüfungen, Beratung...), dann entfallen auf die Lehrveranstaltungen rund 15 000 Euro Gehalt, für eine Lehrveranstaltung (15 000 durch 4) dann also 3 750 Euro. Bei Assistenten ist ein Aufwand für die Lehre von rund 50 Prozent festgelegt, dafür sind zwei Lehrveranstaltungen zu leisten. Wenn man das Assistentengehalt mit 2 500 Euro veranschlagt, ergibt das bei zwei Lehrveranstaltungen dieselbe Summe pro Lehrveranstaltung wie bei Professoren.


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