Folgen
Auswirkungen einer diplomatischen Mission 
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Für Friedrich Rosen war die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Äthiopien nur ein kleiner Schritt im Rahmen einer weltpolitischen Strategie, in der für Deutschland Lösungen für Probleme insbesondere mit Großbritannien und Frankreich gefunden werden mussten, die sich aus der rastlosen imperialistischen Expansion ergaben. Afrika war ein Kontinent, über den man verhandeln konnte und damit ein Laboratorium für die Entwicklung gegenseitigen Verständnisses unter den europäischen Mächten. Das zentrale Ziel der Politik Rosens war Frieden und Stabilität in Europa. Rosen war kein Anti-Kolonialist. Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges verhandelte er mit Großbritannien über die Zukunft der portugiesischen Kolonien in Afrika und des belgischen Kongo-Freistaates. Ziel war die Bildung eines deutschen Zentralafrika. Der Weltkrieg zerstörte Rosens Pläne und marginalisierte seine politischen Visionen.

Rosen hatte im Mittleren Osten zur Politik der Verbindung von wirtschaftlicher Durchdringung und Wissenschaft beigetragen, aber er glaubte nicht wirklich an die nachhaltigen Folgen von Kapitalexport. Er machte sich darüber lustig, wie sich innerhalb seiner eigenen Wirkungszeit das Bild vom “Orient“ geändert hatte. Was für ihn als materiell desinteressierter Idealismus begonnen hatte, wurde übertragen in Vorstellungen von wirtschaftlichen Profiten, die an Eisenbahnbau und Banken gebunden waren. In dieses mittelöstliche Muster passte der Verhandlungsstil, den Rosen gegenüber Menelik angewandt hatte. Aber Rosen glaubte nicht wirklich an die wirtschaftliche Seite dieses Prozesses. Äthiopien war für ihn ein Laboratorium, um deutsche, französische und britische Interessen zu vereinbaren. Die wirtschaftliche Seite dieses Prozesses erwies sich schnell als nebensächlich. Die wissenschaftliche Seite vereiste zum Teil in den Ergebnissen der Littmann-Expedition.
lij_iyasu.jpg Copyright: Arnold Holtz
Als der vierbändige Expeditionsbericht 1913 erschien war Menelik verstorben und – folgt man dem deutschen Gesandten von Syburg – Kronprinz lij Iyasu völlig desinteressiert an Aksums Vergangenheit. Die späteren deutschen Versuche lij Iyasu als deutschen Alliierten in den Weltkrieg hineinzuziehen, hätten kaum Rosens Befürwortung finden können. Die im Jahre 1916 erfolgte Revolte ras Teferis gegen lij Iyasu schuf genau die Situation, die völlig im Gegensatz zu Rosens Absichten stand. Die Gesandtschaft war nun im wahrsten Sinne des Wortes durch feindliche Mächte isoliert.

Rosens nüchterner Blick auf wirtschaftliche Potenziale, seine vorsichtige Art mit den anderen europäischen Mächten in Äthiopien umzugehen, und sein Respekt vor der äthiopischen Souveränität, standen im Schatten seiner Vorstellungen für Frieden in Europa. Diese Sicht wurde nicht von allen Mitgliedern der Delegation, bzw. nicht von Arnold Holtz, geteilt. Der wirtschaftliche Berater der Delegation, Carl Bosch, entwickelte große Pläne für wirtschaftliche Zusammenarbeit.
holtz_car.jpg,Copyright: Arnold Holtz
Arnold Holtz wurde zu einem rastlosen Ideenunternehmer in wirtschaftlichen und politischen Träumen. Das schloß den Transport des zweiten Automobils ein, das Addis Ababa erreichen sollte. Holtz’s Privatkrieg gegen die Franzosen in Dschibuti, den er 1917 begann, brachte ihn für viele Jahre in strenge französische Haft. Holtz’s und Boschs indirekte Wirkungen waren größer als ihre vorweggenommenen Wünsche. Beide waren paradoxe Pioniere in der Geschichte technischer Zusammenarbeit in Äthiopien. Beide trugen dazu bei, dass sich in Addis Abeba eine widersprüchliche duale Struktur zwischen einer privaten deutschen Gemeinschaft und der deutschen Gesandtschaft entwickelte. Der erste dauerhafte deutsche Gesandte in Äthiopien, Georg Coates, der sich 1906-1907 in Addis Abeba aufhielt, war ein vorsichtiger Mensch. Seine Nachfolger waren stärker gewillt sich in lokale Machtpolitik und chiqachiq (amharisch: Zwist, Streit) verwickeln zu lassen.

dejaz_mashasha.jpg Copyright:Lorenz Jenser
Im Jahre 1907 besuchte eine äthiopische Delegation unter dajazmach Meshesha Deutschland. In Hamburg wurde die Delegation durch den nunmehrigen Legationssekretär Edmund Schüler empfangen. Sie trafen auch mit Carl Bosch und Hans Vollbrecht zusammen. Carl Bosch war allerdings sehr enttäuscht – ähnlich wie vor ihm Arnold Holtz – über das allgemeine politische Desinteresse große wirtschaftliche Pläne für Äthiopien zu unterstützen. “Militärindustrie“ stand deutlich im Mittelpunkt des Interesses von dajazmach Meshesha, aber auch ein Besuch des Kölner Doms stand auf dem Programm. Während der Audienz bei Kaiser Wilhelm II. wurde die Jerusalem-Frage angesprochen, d.h. das Recht der äthiopischen Christen die Grabeskirche durch eine Tür zu betreten, die bisher nur durch die ägyptischen Kopten benutzt werden durfte. Als Geschenk Kaiser Meneliks erhielt Kaiser Wilhelm II. ein Bündel Elephantenstoßzähne. Das Kaiserreich Österreich war der nächste Stop auf der Europareise der Delegation. Österreichische Diplomaten verfolgten aufmerksam die Ereignisse um die Delegation. Laut eines österreichischen Berichtes war die deutsche Regierung nicht unglücklich, als die Delegation Deutschland endlich verlassen hatte.
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Bis 1927 hatte Äthiopien keinen eigenen Vertreter in Deutschland. Der erste Konsul war deutscher Staatsbürger, der Ex-Major und umtriebige Waffenhändler Hans Steffen. Im Jahre 1935 wurde Steffen zum Generalkonsul ernannt. Obwohl er Mitglied der NSDAP war, hätte er für eine Ernennung zum äthiopischen Gesandten auch die äthiopische Staatsangehörigkeit angenommen. Diese Möglichkeit wurde durch das Ergebnis des Italienisch-Äthiopischen Krieges im Jahre 1936 verhindert.

dt.botschaft.jpg,Copyright: Georg Escherich
Das nachhaltigste Resultat der Rosengesandtschaft von 1905 ergab sich aus einem Versprechen. Menelik II. hatte der deutschen Gesandtschaft ein Grundstück überlassen, auf dem sich heute noch die deutsche Botschaft in Addis Abeba befindet. Damit war das deutsche Versprechen verbunden, für eine äthiopische Botschaft in Berlin ein entsprechendes Stück Land zu geben. Die Möglichkeit dieses Versprechen einzuhalten kam erst zustande, als 1991 Berlin wieder deutschen Hauptstadt wurde.