Gerhard Schröder tritt derzeit in seiner stärksten Rolle auf. Als Wahlkämpfer. Er ist der grobe Klotz auf den groben Keil von Hessens Ministerpräsident Roland Koch. Doch darf der Ex-Kanzler das?
Geplant waren nur einzelne Auftritte, jeweils als Ausdruck alter Verbundenheit, mit dem Land Niedersachsen, mit dem Weggefährten Michael Naumann. Das stört eigentlich niemanden – Anstoß erregt das ungeplante Eingreifen Schröders in die übergreifende Debatte, mit der Roland Koch die Wahl in Hessen gewinnen will.
Schröder darf – so wie Koch die Gewaltbilder aus München instrumentalisieren und sich dabei der „Bild“ bedienen durfte. Wahlkämpfe sind die Meisterschaften der Demokratie, und weder eine WM noch ein Wahlkampf funktioniert wie ein Schachspiel. Nur dort gelten alle Regeln absolut. Im Sport wie in der Demokratie finden Regelabweichungen statt, wenn es ums Ganze geht und der Schiedsrichter gerade nicht guckt.
Schiedsrichter in der Demokratie ist die Bevölkerung; sie hat Verstand, Ängste und Schwächen. Koch hat mit seinem Wort, es gäbe zu viele jugendliche kriminelle Ausländer, ein Thema auf den Plan gerufen, dem mit Argumenten und Aufklärung nur begrenzt beizukommen ist. Denn Koch hat ja recht mit dem Befund, der viele Menschen verstört und beunruhigt – und fürchterlich unrecht mit der Mobilisierung von Ressentiments und der Suggestion, allein in „mehr Härte“ eine Antwort zu finden. Dass er mit diesen Wahlkampfwaffen abweicht von der idealtypischen demokratischen Auseinandersetzung, ist schon daran zu erkennen, dass er das Thema längst sich selbst überlassen kann.
Die Münchner Tat war abscheulich, die Bilder davon sind übermächtig. Solange das Fernsehen Abend für Abend ein neues Video über jugendliche U-Bahn-Kriminalität präsentiert (und bis zum Wahltag wird die mediale Energie schon reichen), hat eine differenzierte, sachliche Debatte bei vielen Wählern keine Chance. Vor allem nicht bei denen, die in den unsicheren Zonen unserer Gesellschaft leben – und die, nebenbei gesagt, von der christdemokratischen Politik seit Jahren so allein gelassen werden wie von der sozialdemokratischen.
Schröder ist der grobe Klotz auf den groben Keil des hessischen Ministerpräsidenten. Das ist unfein, aber nötig. Gerade das, was Schröder im aufgeklärten Milieu unglaubwürdig macht, nämlich seine früheren wortstarken Ausfälle zum Ausländerthema, verschafft ihm – vielleicht – bei denen Gehör, auf deren Verunsicherung Kochs Wahlkampf setzt. Kann man dagegen sein, wenn Schröder in dieser Auseinandersetzung differenzierter argumentiert denn zu Zeiten, als er selbst noch mit rabiatem Ton die Macht erobern wollte? Man muss vielmehr hoffen, dass er den einen oder anderen Wähler erreicht, der zu Recht von Ängsten vor den Abgründen verfehlter Integration getrieben ist.
Groß ist diese Hoffnung nicht. Wer täglich Bilder wie die aus München sieht, kann dem Drang kaum widerstehen, diese Gewalt einfach abzuschieben oder wegzusperren. Die schwierige Wahrheit bleibt, dass das nicht möglich ist.
(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 10.01.2008)
Kommentare [ 12 ] Kommentar hinzufügen »
Will heißen, man kann lügen, daß die Heide wackelt, und sich hinterher beschweren, wenn's jemand gemerkt hat und Krawall schlägt. Die gängige Antwort darauf lautet dann: "Der Wähler hat noch nicht verstanden, daß ..." Hier wird Kommunikation auf den Kopf gestellt, manipuliert, verfälscht und gelogen, daß -- aber das hatten wir schon.
Koch und die CDU suchen nach der einfachsten und billigsten Lösung wenn sie die Brutalität jugendlicher Krimineller Sozialpädagogen, Staatsanwälten und Richtern ankreiden.
Das Wahlvolk rennt aber diesen billigen NPD Parolen nicht mehr hinterher.
Die SPD hätte doch im Grunde genommen ein leichtes Spiel, sie braucht doch nur die Lunte die von Koch gelegt wurde am brennen zu halten.
Ob es aber für den Bürger etwas bringt wenn Demagogen und Populisten sich dieses Thema im Wahlkampf widmen?
Er soll schön auf die Gaspipline aufpassen
Hatte ER nicht äußerst knapp die Bundestagswahl verloren ???
Hatte ER nicht die richtigen Reformen durchgeboxt,die jetzt
wirken ???
Hatte ER nicht sein Basta oder Nein gesetzt, wo es notwendig und gut war für Deutschland ???
Hatte ER nicht sinnvoll gehandelt, wo Merkel und Koch nur taktische Machtmanöver vorexerzieren ???
Es kommen langsam viele zur Besinnung - auch in der Presse !!!
Wenn es einfache und billige Lösungen für die zunehmende Gewaltbereitschaft gäbe, her damit! Denn bezahlen muss es ja der Steuerzahler - so oder so.
Ich fürchte aber, einfache und 'billige' Lösungen gibt es nicht.
Das wird uns noch eine Weile begleiten. Koch hat jedenfalls die Finger auf ein Problem gelegt, das aus political correctness Jahrzehnte beschönigt oder totgeschwiegen wurde.
Wählen muss man ihn deshalb nicht.
und der Koch von der CDU hat unrecht.
Basta
So wird in Deutschland Politik gemacht.
Um Tatsachen und Argumente geht es nicht.
Besser wäre es, wenn Koch den Wählern sagen (und sich dann auch daran halten) würde, mit welcher positiven Politik er die Jugendlichen von der Gewaltbereitschaft abhalten will! Er soll auch sagen mit welchen Zukunftperspektiven er Menschen davon abhalten will zu den Nazis über zulaufen!
Hier der Link zum Plakat der CSU:
=> www.was-zaehlt-ist-muenchen.de/container/details/news/15/csu-stellt-n.html?cHash=6cfe858f79
Beschönigt und totgeschwiegen wurde im Übrigen nichts.
In der Bewertung des vorhandenen Problems gab es Unterschiede und wie es zu 'bekämpfen' ist.
Wenn man keine ausreichenden Mittel für eine gute, kostenlose Bildung (Kindergärten/-krippen, kleine Klassen etc.), keine ausreichenden Ausbildungsplätze (gerade auch für junge Menschen mit einem Migrationshintergrund) zur Verfügung stellt, dann muss man bestimmte Probleme später auf anderem Wege lösen: Mehr Sozialarbeit, mehr Polizei, ...! Teilhabe sieht für mich anders aus.
Es ist - darüber wurde hier schon oft geschrieben und kontrovers ausdiskutiert - ein gesellschaftliches Problem.
Und bekannt sollte sein, dass die Polizei und die Justiz gesellschaftliche Probleme nicht lösen können. Sie können nur verhaften und bestrafen.
Ich möchte damit aber kein neues Fass aufmachen, da schon alles geschrieben wurde, alles bekannt ist.