2006

Produktionsrecherche Tanztheater Wuppertal, Pina Bausch in Kalkutta und Kerala

Recherchereise
14.11.2006
bis
26.11.2006
Kolkata und Kerala
Produktion und Gastspiele eines Tanztheaterstücks mit dem „Tanztheater Wuppertal– Pina Bausch“ in Indien 2006-2008

„mich interessiert mehr, was Menschen bewegt,
als wie sie sich bewegen“
Pina Bausch

1. Pina Bausch und das Tanztheater Wuppertal

Pina Bausch, Jahrgang 1940, gehört zu den bedeutendsten Choreographen des zwanzigsten Jahrhunderts. Ihr „Tanztheater“ erlangte Weltgeltung. Seit 1977 hat das „Tanztheater Wuppertal – Pina Bausch“, so der offizielle Name der Kompanie, in über 40 Ländern ca. 300 Gastspiele durchgeführt, neben den jährlich ca. 30 Aufführungen an ihrem Heimatort Wuppertal.

Pina Bausch hat mittlerweile über 40 Tanztheaterstücke geschaffen, die alle regelmäßig in ihrem Repertoire auf Gastspielen und Zuhause wieder aufgenommen und gezeigt werden. Es gibt keine Tanzkompanie auf der Welt, die Vergleichbares leistet. Der Terminkalender des Ensembles ist entsprechend auf Jahre hinaus Monat für Monat ausgebucht (siehe Anlage Übersicht sämtlicher Gastspiele des Tanztheaters Wuppertal seit 1977 bis heute).

In den siebziger Jahren haben die revolutionären Inszenierungen Pina Bauschs das Publikum in höchstes Erstaunen versetzt: Sie lockte alle nach Wuppertal – die begeisterten Fans, die skeptischen Kritiker und das entsetzte Establishment. Alle wollten ihr huldigen, auf ihre Art. Das Genie der Essener Folkwangschule,

eine der renommiertesten Tanzschulen Deutschlands, hatte es geschafft. In zehn Jahren konnte sie alles niederreißen, was bis dato für das Tanztheater galt. Ensembles in der ganzen Welt orientierten und orientieren sich an ihrer Kunst. Sie definierte das Genre völlig neu: Tanz als Plädoyer der Freiheit des Körpers und des Geistes. Pina Bausch ist auch eine überzeugende Führungspersönlichkeit und weiß die besten Tänzer aus aller Welt, aus den unterschiedlichsten Kulturen kommend, an sich zu binden und sie in Wuppertal zu halten.

Tanz ist Pinas Welt, doch sie betont, weniger an der Frage interessiert zu sein, wie sich die Menschen bewegen, als daran, was sie bewegt. Und dies weiß sie mit Kraft,

Präzision und Ideenreichtum in einzigartiger Weise darzustellen. Grenzen zu überschreiten, das ist ihr großes Ziel – noch heute. Pina Bausch hat international Tanzgeschichte geschrieben wie sonst niemand auf der Welt.

2. Projektvorhaben

Die Goethe-Institute/Max Mueller Bhavans, seit über 50 Jahren die wichtigsten offiziellen Repräsentanten des deutsch-indischen Kulturaustausches, planen gemeinsam mit Pina Bausch und ihrem Tanztheater Wuppertal ein Indienstück, das in den kommenden Jahren nicht nur in Deutschland und Indien zur Aufführung kommen wird, sonder darüber hinaus an vielen Orten der Welt.

Im November 2006 haben Pina Bausch und ihr Team, bestehend aus Tänzern, Bühnenbildner, und Assistenten (15 Personen) auf Einladung des Goethe-Instituts Kalkutta und Kerala besucht, um für das neu entstehende „Indien-Stück“ Eindrücke, Ideen und Anregungen für die Choreographie zu sammeln.

Für den April 2007 ist die Premiere dieses Stücks – wie bei allen Premieren Pina Bauschs – in Wuppertal/Deutschland geplant.

Im Januar 2008 soll die Kompanie (ca. 33 Personen) das Stück dann in Indien vorstellen: Auftakt voraussichtlich zur Eröffnung des Festivals der National School of Drama in New Delhi; weitere Gastspiele in Kalkutta und Bombay, evt. Bangalore.

Für den Juni 2008 steht bereits ein weiteres Gastspiel mit dem Indien-Stück in Paris (Theatre de la Ville) fest.

 

3. Pina Bausch und Indien

Pina Bausch war bereits zweimal mit Gastspielen auf Indientournee. Erstmals im Januar/Februar 1979 mit dem Stück „Frühlingsopfer“ (Musik Strawinsky) in

Delhi, Madras, Hyderabad, Kalkutta und Bombay. Die zweite große Gastspielreise nach Indien, über die es auch eine deutsche Fernsehdokumentation bei ARTE gibt, brachte das Tanztheater Wuppertal mit dem Stück „Nelken“ 1994 nach Delhi, Kalkutta, Madras und Bombay. Hatte die erste Gastspielreise 1979 das indische Publikum mit seiner neuen Form des Tanztheaters eher noch verstört, so war die zweite Gastspielreise 1994 mit „Nelken“ Indien weit ein enormer Erfolg. Seit dieser Zeit wird Pina Bausch und ihr Ensemble auch in Indien sehr verehrt und ist in der Öffentlichkeit bekannt.

Pina Bausch berührten diese beiden Indienreisen tief. Indiens kulturelle Vielfalt, der Reichtum gelebter Traditionen, die Offenheit und Warmherzigkeit der Menschen und natürlich auch die unvergleichliche Formensprache der klassischen indischen Tanzstile, die sie persönlich kennenlernte (u.a. durch ihre Freundschaft mit Chandralekha), - all dies hat bei Pina Bausch zu einer intensiven Beschäftigung mit der Kulturgeschichte Indiens geführt und in ihr die Bereitschaft reifen lassen, ein "Indienstück" zu choreographieren. In diesem Stück werden die künstlerischen Erfahrungen des Wuppertaler Tanztheaters und die Begegnung mit Indien kulminieren, die vor über 25 Jahren begonnen haben.

 

4. Internationale Ko-Produktionen

Neben den im eigenen Haus produzierten Stücken in Wuppertal haben in den vergangenen zehn Jahren internationale Koproduktionen, meist verbunden mit einer bestimmten Stadt oder einem Land, eine zentrale Rolle im Werk der Bausch gespielt.

Kulturintendanten, Künstler und Freunde in aller Welt haben Pina Bausch immer wieder eingeladen, in ihrer Stadt ein Stück zu entwickeln und es zu ko-produzieren.

So entstanden seit den 80iger Jahren eine Reihe herausragender internationaler Ko-Produktionen, die bei den wichtigsten Festivals und Tanztheater-Adressen weltweit gezeigt wurden, oft in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut.

Die wichtigsten internationalen Ko-Produktionen der vergangenen Jahre sind:

PALERMO, PALERMO (1989), mit Teatro Biondo Stabile di Palermo und Andres Neumann International
Gastspiele in: Palermo 1990, Mailand 1990, Antwerpen 1991, Paris 1991, Hannover 2000, London 2005, Antwerpen 2005

DER FENSTERPUTZER (1997), Hong Kong, mit Hong Kong Arts Festival Society und Goethe-Institut
Gastspiele in: Hong Kong 1997, New York 1997, Paris 1998, Istanbul 1998, Stockholm 1998,
Tokio 1999, Avignon 2000, Bologna 2000, Vilnius 2001, Barcelona 2003, Antwerpen 2004,
Moskau 2004, Ludwigsburg 2006

MASURCA FOGO (1998), Lissabon, EXPO und Goethe-Institut
Gastspiele in: Lissabon 1998, Berlin 1998, Paris 1999, Barcelona 1999, Istanbul 2000,
Sydney 2000, Palermo 2000, Sao Paulo 2000, Hong Kong 2001, Paris 2001, New York 2001,
Tokio 2002, Otsu 2002, Seoul 2003, Ludwigsburg 2003, Brüssel 2003, Ottawa 2004

AGUA (2001), Sao Paulo, mit Emilio Kalil und Goethe-Institut
Gastspiele in: Sao Paulo 2001, Paris 2002, Lissabon 2002, Amsterdam 2002

NÈFES (2003), Istanbul, mit International Istanbul Theatre Festival, und Istanbul Foundation for Culture and Arts
Gastspiele in: Istanbul 2003, Paris 2004, Tokio 2005, Helsinki 2005

TEN CHI (2004), Japan, mit Saitama Arts Foundation und dem Nippon Cultural Centre, gefördert von der Kulturstiftung des Bundes
Gastspiele in: Saitama 2004, Paris 2005, Lissabon 2005, Wiesbaden 2006

ROUGH CUT (2005), Korea, mit LG Arts Centre Seoul, Goethe-Institut
Gastspiele: Seoul 2006, Paris 2006

Diese internationalen Ko-produktionen basieren grundsätzlich auf mehrwöchigen Recherchereisen der Kompanie in das jeweilige Land bzw. in die thematisierte Stadt. Der prominente Bühnenbildner Peter Pabst, seit Anfang der 80iger Jahre für das Tanztheater engagiert, ist bei diesen Recherchereisen ebenso dabei wie ihre Tänzerinnen und Tänzer, Assistenten, die Kostümdesignerin oder die Experten für die Musik.

 

Die so international und interkulturell vorbereiteten und dann in Wuppertal endgültig fertig gestellten Stücke sind alles andere als touristische Schaubilder der jeweiligen Stadt, auch wenn typische Geschichten, Bilder, Verhaltensweisen oder andere kulturelle Ausdrucksformen der Stadt/des Landes auftauchen und erkennbar sind. Pina Bausch geht es bei ihrer Arbeit sehr viel mehr um das Aufspüren einer universalen Grammatik menschlicher Existenz, die die jeweilige lokale Kultur überschreitet, und um deren Artikulation in dem ihr eigenen Tanzidiom. Dies ist der Grund, warum ihre Stücke in der ganzen Welt verstanden und begeistert aufgenommen werden, zumal es ihr immer wieder mit neuen berauschenden Bildern gelingt, menschliche Grundbefindlichkeiten wie Angst, Trauer, Freude und auch Verzweiflung ironisch, poetisch und zugleich unterhaltsam-verspielt an ihre Zuschauern zu vermitteln. Hierbei spielt die Persönlichkeit und Individualität der einzelnen Tänzerinnen und Tänzer eine ganz entscheidende Rolle, weil sich die Tänzer mit ihren eigenen Erfahrungen und kulturellen Codes auf der Bühne präsentieren und so maßgeblich die Entstehung des Stückes mitgestalten.

 

5. Perspektiven

Das Indienstück von Pina Bausch wird mit Sicherheit international auf erhebliches Interesse stoßen, nicht zuletzt auf Grund der exponenziell wachsenden wirtschaftlichen und kulturellen Bedeutung Indiens. Im Anschluß an die Premiere in Wuppertal 2007, die Indientournee 2008 und das bereits vereinbarte Gastspiel in Paris 2008 werden weitere Gastspiele in verschiedenen Ländern der Welt folgen. Für die (Ko-)Produzenten bietet sich hierdurch die einzigartige Möglichkeit, einem internationalen Elite-Publikum die choreographierten Indieninspirationen einer der größten Künstlerpersönlichkeiten unserer Zeit zu präsentieren. Das „Indienstück“ Pina Bauschs wird den Menschen in aller Welt, ob in London, Paris, Tokio oder New York, in Wuppertal oder New Delhi, Indien auf eine völlig neue und unerwartete Weise näher bringen, gewissermaßen als indischer 'imprint' auf die Kultur einer globalisierten Welt.

 

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