Kultur und Entwicklung

Kultur und Entwicklung – Wege in die Praxis
Gemeinsame Tagung von GTZ und Goethe-Institut in Berlin

Copyright: Goethe-Institut
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Der Zusammenhang von Kultur und Entwicklung ist in der internationalen Forschung und der entwicklungspolitischen Diskussion wenig umstritten. Zugleich existieren verschiedene Ansätze, mit dem Faktor Kultur in der Internationalen Zusammenarbeit umzugehen, die Rolle von Kultur in Transformationsprozessen mitzudenken und sie als kreative Ressource für Entwicklung nutzbar zu machen - ein Anliegen, das auch die UNESCO-Konvention von 2005 zur kulturellen Vielfalt zum Ausdruck bringt.

Um dem Verhältnis von Kultur und Entwicklung einer Region am konkreten Beispiel auf den Grund zu gehen, haben die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH und das Goethe-Institut im Rahmen des Kooperationsprojekts Kultur und Entwicklung seit Frühjahr 2005 weltweit zur Diskussion am Runden Tisch eingeladen. In Deutschland, Chile, Thailand, Indonesien, Südafrika und Marokko tauschten sich Expertinnen und Experten dazu aus, wie die regionale Kultur den Herausforderungen der Globalisierung begegnet, inwieweit sie Einfluss auf Entwicklung hat und wie dieser gestaltet werden kann. In Berlin wurden die Ergebnisse der Runden Tische nun abschließend zusammengeführt. Vom 20. bis 22. November kamen im GTZ-Haus in Berlin Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Runden Tische im Rahmen der internationalen Tagung Kultur und Entwicklung - Wege in die Praxis zusammen, um gemeinsam mit Experten aus Politik, Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft neue Wege in die Praxis auswärtiger Kulturpolitik und Entwicklungszusammenarbeit aufzuzeigen.

Copyright: Goethe-InstitutMit seiner Auftaktrede zum Thema Cultures between innovation and tradition: the challenges of diversity and distinctiveness schuf der Stadtsoziologe Charles Landry den Resonanzboden für eine lebendige und inspirierende Diskussion. Charles Landry, der auch die Weltbank in Kulturfragen (A) berät, sieht in der Globalisierung zuvorderst eine Chance: Wenn es gelänge, kulturübergreifend und im gegenseitigen Austausch Probleme aus unterschiedlicher Perspektive zu beleuchten und zur Lösung beizutragen, ließen sich Veränderungsprozesse nachhaltig gestalten. Dass der Zusammenhang von Kultur und Entwicklung deshalb vor allem ein ganz praktischer ist, davon ist Wilfried Grolig, Abteilungsleiter Kultur und Bildung im Auswärtigen Amt überzeugt: Kultur und Entwicklung hängen nicht nur in der Theorie zusammen. Wenn ein Projekt der Entwicklungszusammenarbeit scheitert, ist oftmals die mangelnde Kenntnis der Kultur Schuld, so der Abteilungsleiter. Das bestätigt auch Thomas Kampffmeyer, GTZ-Gruppenleiter Politik und Strategie: Wir müssen der kulturellen Dimension in unseren Projekten systematische Beachtung schenken.

Der kulturelle Austausch und die Kenntnis der Kultur des Anderen spiele gerade in der Entwicklungszusammenarbeit eine tragende Rolle, bekräftigt Volker Ducklau, Unterabteilungsleiter Zusammenarbeit mit den gesellschaftlichen Kräften im Bundesentwicklungsministerium (BMZ). Wenn der Entwicklungsimpuls nicht von der Kultur unserer Partner absorbiert und verarbeitet wird, wird unser Bemühen nicht nachhaltig sein.

Doch wann schlägt kulturelle Sensibilität in Kulturrelativismus um, wann wird ein falsch verstandener Veränderungswille zu einem der Entwicklung zuwider laufenden Kulturhegemonismus? Wie geht man mit der Ambivalenz einer zunehmend politischer werdenden Entwicklungszusammenarbeit und der gleichzeitigen Forderung nach Sensibiltät in der Entwicklungszusammenarbeit um?

Für die Beantwortung dieser Fragen war der Austausch und das Voneinanderlernen über europäische Perspektiven und Politik im Zusammenhang mit Kultur und Entwicklung ein entscheidendes Moment. Hier konnten wir herausarbeiten, was uns eint, und auch, was uns trennt, so die Teilnehmerin Helen Gould. Die Leiterin des Londoner Kulturnetzwerks Creative Exchange in London plädiert für eine stärkere Verzahnung des Kultur- und des Entwicklungssektors. Dieser Prozess sei jedoch keine Einbahnstraße. Wenn Entwicklung kulturell werden soll, dann muss Kultur entwicklungsorientiert werden. Das setze auch die Einsicht voraus, dass der Kunstsektor nicht frei von Werten und Rechenschaftspflichten ist, sondern Mitverantwortung für die menschliche Entwicklung trägt.

Copyright: Goethe-InstitutKultur als Kontext für Entwicklung war nur eine von vielen Dimensionen, die dem Kulturbegriff während der zweitägigen Konferenz abgewonnen werden konnten und mussten. Insbesondere die Dimension der Kunst wurde unter dem Aspekt des ihm immanenten Entwicklungspotentials, aber auch hinsichtlich der möglichen Instrumentalisierung künstlerische Schaffens, ausgiebig diskutiert. Einig waren sich die Teilnehmer darin, dass durch Kunst vor allem ein öffentlicher Raum geschaffen wird, in dem gesellschaftliche und politische Fragen verhandelt werden können. Gleichzeitig helfe Kunst dabei, eine kulturelle Identität und eine eigene Vision von Entwicklung aufzubauen. Beispiele aus anderen europäischen Staaten wie Norwegen und Dänemark zeigten, dass künstlerisches Schaffen im Rahmen von Entwicklungsstrategien durchaus gefördert werden kann, ohne den Künstler in seinem künstlerischen Ausdruck einzuschränken.

Die von Volker Ducklau auf die Konferenz gesetzte Hoffnung, auf der Tagung Ideen für eine global nachhaltige Entwicklung und Vorschläge zur besseren Verzahnung von Entwicklungspolitik und auswärtiger Kulturpolitik zu erhalten, ist auf jeden Fall aufgegangen Und auch der Leiter der Abteilung Kultur und Gesellschaft des Goethe-Instituts in München, Christoph Bartmann, zeigt sich überzeugt: Die Veranstaltung eröffnet Perspektiven für eine weitere Zusammenarbeit zwischen Akteuren der Entwicklungszusammenarbeit und der Auswärtigen Kulturpolitik. In einem nächsten Schritt werden GTZ und Goethe-Institut zu analysieren haben, wo ihre Übereinstimmungen liegen oder an welcher Stelle sie sich sinnvoll ergänzen können. Denn dass die Kooperation beider in diesem Bereich einmalig ist und großes Entwicklungspotenzial hat, darüber waren sich alle Teilnehmer einig.

Thorsten Wassermeyer, GTZ Berlin

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Dezember 2006