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Nachhilfe in ...
18.07.2006    13:09 Uhr Drucken  |  Versenden  |  Kontakt
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Nachhilfe in .... Die richtige Anrede

"Das Du suggeriert eine Gleichheit, die es nicht gibt"

Du oder Sie? Ein Interview über die richtige Anrede im Job, den Zwang zum Du und moderne Zwischenformen.
Von Birgit Taffertshofer

Duzen oder Siezen? Nicht nur Berufseinsteiger sind sich dabei oft unsicher. Werner Besch, Germanistik-Professor und Autor des Buches "Duzen, Siezen, Titulieren" weiß Rat.

sueddeutsche.de: Wie verhält sich der Jobeinsteiger richtig, wenn er noch nicht weiß, welcher Umgangston in einem Unternehmen gepflegt wird?

Werner Besch: Er siezt erst mal. Wenn man eine neue Stelle antritt, sollte man sehr vorsichtig sein mit dem Du. Es könnte kumpelhaft oder sogar tölpelhaft wirken.

sueddeutsche.de: Aber viele Firmen haben das förmliche Sie doch längst aus ihren Geschäftsräumen verbannt. Wirkt ein Sie hier nicht steif?

Besch: Ein Sie muss nicht steif oder distanziert wirken, es kann auch sehr herzlich sein oder einfach Höflichkeit ausdrücken. Ist man sich als Jobeinsteiger unsicher, liegt man mit dem Sie jedenfalls nie falsch. Man sollte lieber abwarten, ob einem das Du angeboten wird. Man kann aber ruhig auch mal nachfragen. Insbesondere bei Kollegen könnte man zum Beispiel fragen: "Wie wollen es wir mit der Anrede halten?"

sueddeutsche.de: Die Möbelhauskette Ikea oder die Bekleidungsfirma Hennes & Mauritz sind hierzulande wohl die bekanntesten Unternehmen, in denen das Du auf allen Ebenen angesagt ist. Was sind die Vorteile?

Besch: Die Unternehmen sehen die einheitliche Anrede als gutes Mittel, Hierarchien abzubauen und neue Kollegen schnell zu integrieren. Die Botschaft dahinter ist: Ob jung oder alt, ob Einsteiger oder Betriebsveteran, jeder gehört dazu. Außerdem argumentieren sie, dass die Anrede in Teams mit Mitarbeitern verschiedener Nationalitäten kompliziert wird, wenn sich die einen als Manfred und Lisa, die anderen aber als Herr Klein und Frau Kern vorstellen.

sueddeutsche.de: Das klingt nicht so, als ob Sie diese Argumentation überzeugen würde.

Besch: In Untersuchungen konnte man bislang nicht nachweisen, dass sich durch das "Du per Anordnung" das Betriebsklima verbessert. Ich finde, wenn Unternehmen in ein anderes Land gehen, sollten sie die dort geltenden Umgangsformen respektieren. Es ist eine Art Kulturmissachtung, wenn sie deutsche Mitarbeiter zum Du zwingen.

sueddeutsche.de: Gibt es denn einen Zwang?

Besch: Ja, sobald das Du Teil der Unternehmenskultur ist, müssen sich alle Mitarbeiter anpassen. Das konnte auch ein unzufriedener Mitarbeiter von Hennes & Mauritz nicht ändern. Er zog vor Gericht - und verlor. Das Du sei zum Inhalt des neuen Arbeitsverhältnisses geworden und stelle daher keine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts dar, lautete die Begründung der Richter.

sueddeutsche.de: Wie halten Sie es denn an der Universität?

Besch: Ich bin in meinem Berufsleben immer beim Sie geblieben. In den Nach-68er-Jahren war das vertrauliche Du zwischen Professoren und Studierenden zwar Ausweis einer makellos progressiven Gesinnung. Viele meiner Kollegen sind aber nach einer gewisser Zeit wieder zum Sie zurückgekehrt.



» Das Du raubt die Distanz, die für eine sachliche Diskussion manchmal notwendig ist. «

sueddeutsche.de: Warum?

Besch: Das Du raubt Professoren wie Studenten die Distanz, die für eine sachliche Diskussion und gegenseitige wissenschaftliche Kritik notwendig ist. Außerdem wird dem Professor eine individuelle, objektive Leistungsbewertung erschwert. Denn er muss Angst haben, den Studenten persönlich zu verletzen.

Auf ähnliche Probleme stoßen auch Vorgesetzte in der Wirtschaft, wenn sie ihre Mitarbeiter duzen. "Wir werden Ihren Vertrag nicht verlängern" sagt sich nun mal leichter als "Wir wollen uns von Dir trennen." Das Du suggeriert eine Gleichheit, die es weder an der Universität noch in der Arbeitswelt gibt. Der Vorgesetzte entlässt eben den Mitarbeiter – und nicht andersherum.

sueddeutsche.de: Benimm-Ratgeber favorisieren das Sie auch deshalb, weil es in Führungspositionen Respekt und Autorität vermitteln soll.

Besch: Nun ja, Autorität erhält ein Vorgesetzter wahrlich nicht dadurch, dass er sich von seinen Mitarbeitern siezen lässt. Aber das Sie unterstützt sicherlich ein höfliches und freundlich-distanziertes Miteinander, weil es zu hohe Emotionalität und verbale Übergriffe erschwert. "Du Saukerl" lässt sich eben nicht auf die Sie-Ebene übertragen. So etwas hat nur unser ehemaliger Außenminister Joschka Fischer fertig gebracht, als er damals dem Bundestagspräsidenten zurief: "Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch." Eine wirklich kuriose Formulierung.


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