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19.09.08
Infotech

Das Manchmal-Netz

Von Peter Glaser

Bereits im Mai war im britischen Parlament eine Debatte darüber ausgebrochen, wie Kinder und Jugendliche vor den Abgründen der neueren Medien – namentlich TV und Internet – geschützt werden können. Einer langjährigen Übereinkunft zufolge werden im englischen Fernsehen Sendungen, die für Kids nicht geeignet sind, erst nach 21 Uhr gezeigt. Konservative Parlamentarier waren zwischenzeitlich zu der Ansicht gelangt, die 21-Uhr-Grenze "sei tot" – und schuld daran sei das Internet.

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16 Prozent der 5- bis 7-jährigen Inselbewohner verfügen in ihrem Kinderzimmer bereits über einen eigenen Computer mit Internetverbindung. Da immer mehr Fernsehsender auch ihre Spätprogramme auf Abruf im Internet anbieten, können nun auch Kinder jenseits von Uhrzeitbeschränkungen auf Programme aller Art zugreifen. Kontrollabfragen lassen sich etwa schlicht durch Anklicken eines Kästchens überspringen ("Ich bin älter als 16"). Die Regulierungsbehörde sah die Eltern in der Pflicht. Allerdings, so Behördensprecher Stewart Purvis, seien Erziehungsberechtigte durch die neuen Technologien "auf gewisse Weise ins Hintertreffen geraten", da viele beispielsweise nicht wüssten, wie man die verfügbaren Zugangssperren für die Erwachsenenprogramme benutzt.

Nun gibt es einen kurios erweiterten Regulierungsvorschlag: jugendgefährdende Inhalte sollen auch im Netz mit einer Kennzeichnung versehen werden, die der 21-Uhr-Grenze entspricht. Kurios ist der Vorschlag auch deshalb, weil er sich gegen die zentrale Wachstumsrichtung der modernen Medien zu stellen versucht: die Entwicklung zur Permanenz.

Online gibt es keinen Sendeschluss mehr, keinen Ladenschluss, keine Sperrstunde. Die elektronischen Medien entwickeln sich schon lange auf einen Zustand der Ständigkeit hin. Die Medien versuchen sich in Umweltbedingungen zu verwandeln – etwas, das überall und immer da ist. Der Sonnenaufgang bedeutet nichts mehr. Irgendwo auf der Welt, sagt der Mann aus dem CNN-Newsroom, geht immer gerade die Sonne auf. Früher öffnete sich einmal pro Abend mit der Tagesschau das Nachrichtenfenster in die Welt, heute fließen immer unausgesetzter die Ströme an Meldungen, Unterhaltung, Information.

Das erste Medium, das 24 Stunden um die Uhr sendete, war das Radio. Im Fernsehen der fünfziger und sechziger Jahre gab es zwischen Nachmittags- und Abendprogramm noch sendefreie Stunden. Nach Einführung des Frühstücksfernsehens in den neunziger Jahren schlossen die TV-Sender die verbliebenen Nachtlücken. So sonderbare Dinge wie "Testbild" oder "Sendeschluß" kennen junge Mediennutzer nicht mehr. Auch die Zeit der Modem-Wählverbindungen ins Internet geht zu Ende. Zunehmend verlegt die Permanenz sich nun auf Programmstrukturen und Inhalte. Es gibt nicht mehr nur abends um Acht eine Tagesschau, sondern Nachrichten – und Angebote aller Art – rund um die Uhr.

Mit Methoden aus den sechziger Jahren, als Kinder aus dem Wohnzimmer geschickt wurden, wenn die Ansagerin verkündete, dass der folgende Film für Jugendliche unter 16 Jahren nicht geeignet sei, lassen sich im Internet-Zeitalter keine Punkte mehr sammeln. Am ehesten wird eine solche Initiative noch auf einer Website in der Art eines Testbild-Museums landen – als Kuriosum.