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23.09.2008

Damian Sicking

Kolumne: "Hire for attitude - train for skills"

Warum es gut ist, wenn man mag, was man tut.

Liebe Fachhändler und Personalchefs,

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Spiegel-Online brachte gestern einen Artikel über junge IT-Spezialisten in Indien. Viele dieser jungen Leute, so der Inhalt des Beitrags, haben das Problem, dass sie den Beruf als Informatiker und IT-Engineer nicht aus Neigung und Interesse gewählt haben, sondern weil ihre Eltern es so wollten. Wie zum Beispiel der 29-jährige Sanjay Dev. Auf Drängen der Eltern studierte er Informatik, obwohl er sich nicht die Bohne für das Fach interessierte. "Meine Eltern verlangten von mir, dass ich IT-Ingenieur werde", sagt er. In Indien zählt der Wille der Eltern mehr als bei uns, häufig suchen Mutter und Vater sogar den Ehepartner für ihr Kind aus – und eben auch den Beruf. Nicht immer zum Wohle des Kindes.

So grämt sich Sanjay Dev, der einst als Jahrgangsbester die Schule abschloss, darüber, dass er sich dem Willen der Eltern nicht widersetzt hat und seinen wirklichen Interessen gefolgt ist. "Vielleicht wäre ich ein erfolgloser, aber glücklicher Schriftsteller geworden oder ein Lehrer. Jetzt bin ich nur ein mittelmäßiger Programmierer – und unglücklich", klagt er.

Hm, sagen Sie, traurig, aber es gibt schlimmere Schicksale. Und außerdem: Was hat das mit mir, dem IT-Händler in Deutschland, zu tun? Nun, ich denke, das Schicksal der unglücklichen indischen IT-Experten sollte uns zu denken geben. Denn noch immer stellen auch wir den Kandidaten in den Einstellungsgesprächen viel zu selten die Frage, ob sie das, was sie in unseren Betrieben tun sollen, auch gerne tun. Auch den Mitarbeitern, die bereits an Bord sind, stellen wir diese Frage nicht. Wir schauen auf ihre Qualifikation, fragen, wo sie in fünf Jahren stehen wollen, und dann passt es oder nicht.

Es gibt den Satz "Jeder soll (in einem Unternehmen) das tun, was er am besten kann". Ja klar, sagen viele, logisch, was denn sonst? In der Tat ist es phantastisch, wenn in einem Unternehmen jeder das tut, was er am besten kann. Dies müsste zu optimalen Ergebnissen führen. Ich denke allerdings, es muss noch etwas hinzukommen: Man muss das, was man tut, auch gerne tun. Ich rede nicht von "Spaß", Spaß ist ein Extra-Thema. Ich bin allerdings zutiefst davon überzeugt, dass man dauerhaft nur dann etwas wirklich gut macht, wenn man es auch gerne macht. Oft fällt beides zusammen – der Idealfall sowohl für den Mitarbeiter als auch für das Unternehmen –, aber häufig eben auch nicht.

Southwest-Mitarbeiter sollen ihre Arbeit gerne tun.
Southwest-Mitarbeiter sollen ihre Arbeit gerne tun.
Bildquelle: Southwest Airlines
Wenn ich jemanden einstellen sollte, würde ich immer demjenigen Kandidaten den Vorzug geben, der mit dem Herzen bei der Sache ist, auch wenn ein anderer vielleicht die besseren fachlichen Voraussetzungen mitbringt. Denn fachlich kann man sich verbessern und ein höheres Niveau erreichen, wenn nur die Begeisterung vorhanden ist und das innere Feuer brennt. Habe ich nur den Fachmann ohne Interesse an der Sache, werde ich dauerhaft nur bestenfalls durchschnittliche Arbeitsergebnisse bekommen. Wie bei unserem indischen Freund Sanjay Dev.

Die amerikanische Fluggesellschaft Southwest Airlines hat diese Maxime für die Einstellung von neuen Mitarbeitern, der mir gut gefällt: "Hire for attitude, train for skills." ("Stelle jemanden wegen seiner inneren Einstellung ein und bringe ihm dann das Nötige bei.") Das ist die beste Voraussetzung dafür, dass Unternehmen und Mitarbeiter eine lang anhaltende, von Zufriedenheit geprägte Leistungsgemeinschaft bilden. Ach so, um Missverständnisse zu vermeiden, sollte ich an dieser Stelle vielleicht noch einen ergänzenden Satz der ehemaligen Southwest-Managerin Colleen Barrett anführen: "We tend to hire for attitude and train for skills – but don't get nervous, we don't hire pilots who can't fly a plane."

Beste Grüße

Damian Sicking

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