•  |  Passwort vergessen?  |  Jetzt registrieren
Drucken | Versenden | Kontakt
 
12.03.2006   13:20 Uhr

Milosevics Tod

Del Ponte: Selbstmord möglich

Die Todesursache ist weiter unklar. UN-Chefanklägerin del Ponte schließt nicht aus, dass sich der frühere jugoslawische Staatschef umgebracht hat.

 
Carla del Ponte

UN-Chefanklägerin Carla del Ponte.
Foto: Reuters

 

Del Ponte wies darauf hin, dass erst vor einer Woche ein Häftling sich in dem UN-Gefängnis das Leben genommen hatte. Dies zeige, dass ein solche Handlung möglich sei. Klarheit über die Ursache von Milosevics Tod könne aber nur die Autopsie schaffen. Erste Ergebnisse der Autopsie werden für heute Abend erwartet.

Auslieferung von Mladic und Karadzic gefordert

Die Schweizer Juristin bedauerte den Tod Milosevics, da den Opfern der von ihm zu verantwortenden Gräueltaten auf dem Balkan nun keine Gerechtigkeit widerfahren könne. Sie kündigte aber an, in anderen Verfahren zu den selben Anklagepunkten, die auch Milosevic zur Last gelegt wurden, den Nachweis zu führen, wie der Völkermord an den bosnischen Muslimen geschehen konnte.

Erneut verlangte sie die Auslieferung der ehemaligen bosnischen Serbenführer Radovan Karadzic und Ratko Mladic an das Tribunal. Der Tod Milosevics mache es noch dringender, diese beiden vor Gericht zu stellen, sagte sie.

Tot in der Zelle

Ein Wärter hatte den 64-jährigen Slobodan Milosevic am Samstag leblos auf dem Bett im UN-Gefängnis in Scheveningen entdeckt. Der Pflichtverteidiger des Ex-Präsidenten schloss einen Selbstmord seines Mandanten aus. Der britische Jurist Steven Kay erklärte dem Sender BBC News 24 am Samstag: "Er sagte mir vor einigen Wochen: Ich habe diese Sache nicht so lange ausgestanden, um mir irgendetwas anzutun."

Der Bruder von Milosevic gab dem UN-Tribunal die Schuld am Tod. "Die Verantwortung dafür liegt beim UN-Tribunal", sagte Borislav Milosevic am Samstag in Moskau, wo er Ende der 90er Jahre als Botschafter gearbeitet hatte. Die Sozialistische Partei Serbiens (SPS), deren Vorsitzender Slobodan Milosevic trotz Inhaftierung war, sprach sogar von Mord. "Milosevic ist in Den Haag nicht gestorben, er wurde ermordet", sagte der inoffizielle SPS- hef Ivica Dacic.

EU appelliert an Serben

Die Europäische Union nahm den Tod des Ex-Politikers zum Anlass, die Menschen in Serbien zur Aussöhnung aufzurufen. Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier erklärte, die Bemühungen sollten erneuert werden, auf dem Balkan für Frieden und Stabilität zu sorgen. Der Serbe Milosevic gilt als der maßgebliche Anstifter der Kriege in den 90er Jahren auf dem Balkan, bei denen zehntausende Menschen bei so genannten ethnischen Säuberungen ums Leben kamen.


 
mehr zum Thema

Gorbatschow
"Das riecht nach Unmenschlichkeit"weiter
 
Reaktionen
"Schade, dass er sich nicht mehr der Justiz stellen muss"weiter
 
Den Haag
Offizielle Erklärung zum Tod Milosevicsweiter
 
Porträt
Vom Präsidentenpalast ins Kriegsverbrechergefängnisweiter
 

 

Milosevic war seit Ende Juni 2001 in Haft. Seit Februar 2002 lief der Völkermordprozess gegen ihn wegen der Bürgerkriege nach dem Auseinanderfallen des Vielvölkerstaates Jugoslawiens. Es war beabsichtigt, die mündliche Verhandlung im Mai zu beenden. Das Gericht hatte kürzlich darauf hingewiesen, dass ihm eine lebenslange Haft droht.

Moskau kritisiert Richter des UN-Tribunals

Milosevic litt unter häufigen Kopfschmerzen und Kreislaufproblemen, weswegen der Prozess mehrmals unterbrochen werden musste. Erst Ende Februar hatte das Gericht einen Antrag seiner Pflichtverteidiger abgelehnt, ihn zur Behandlung in einer Spezialklinik vorübergehend nach Moskau zu entlassen. Das Gericht hatte die Befürchtung geäußert, der Angeklagte werde nicht zur Fortsetzung des Prozesses zurückkehren. In Moskau leben nach russischen Medienberichten angeblich auch seine Frau und sein Sohn.

Das russische Außenministerium übte indirekt Kritik an den Richtern des UN-Tribunals. "Wir bedauern, dass ungeachtet unserer Garantien das Tribunal Milosevic die Möglichkeit einer ärztlichen Behandlung in Russland untersagt hatte", erklärte ein Sprecher in Moskau.

Vor einer Woche hatte sich der bereits verurteilte frühere serbische Politiker Milan Babic im UN-Gefängnis das Leben genommen, als er darauf wartete, in einem Prozess als Zeuge vernommen zu werden.

Die US-Regierung sprach sich für eine Fortsetzung der Arbeit des Tribunals aus. "Milosevic war der Hauptverantwortliche für die gewaltsame Zerstückelung Jugoslawiens in den 90er Jahren", hieß es in einer Stellungnahme des US-Außenministeriums.

Der französische Außenminister Philippe Douste-Blazy nannte Milosevic "einen, wenn nicht den Hauptakteur der Balkankriege des Endes des 20. Jahrhunderts". Der britische Außenminister Jack Straw sagte: "Jetzt ist es wichtig, dass das serbische Volk einen Schlussstrich unter Milosevic’ Vergangenheit und sein Leben zieht."

(dpa/AFP)


Trennlinie
Drucken  |  Versenden  |  Kontakt

Kommentare


Wir wollen die Qualität der Nutzerdiskussionen stärker moderieren. Bitte haben Sie deshalb Verständnis, dass wir die Kommentare ab 19 Uhr bis 8 Uhr des Folgetages einfrieren. In dieser Zeit können keine Kommentare geschrieben werden. Dieser "Freeze" gilt auch für Wochenenden (Freitag 19 Uhr bis Montag 8 Uhr) und für Feiertage.


Trennlinie

Lesezeichen hinzufügen: 

Lesezeichen bei Mr.Wong setzen Lesezeichen bei Yigg setzen Lesezeichen bei Linkarena setzen Lesezeichen bei Google setzen Lesezeichen bei Webnews setzen Lesezeichen bei Folkd setzen Lesezeichen bei Oneview setzen Lesezeichen bei Wikio setzen

| Was ist das?


Quiz zur Großen Koalition
Kanzlerin Merkel, ddp
Wer stritt über die "Herdprämie"? Welches Ministerium hat am meisten Geld? Wo war die letzte Kabinettsklausur?
Quiz zur US-Wahl
Quiz zur US-Wahl
Testen Sie Ihr Wissen über Vorwahlen, Wahlmänner und Frauen in der US-Politik
Kontroverse Köpfe
Schröders neuer Job
Nach ihren Karrieren in Parlament und Regierung haben einige Spitzenpolitiker lukrative Jobs in der Wirtschaft angetreten.

ANZEIGE

Die Seite 3