Wenn in Ost-Berlin gebaut wurde, war Fotograf Karl-Heinz Kraemer dabei. Eine Schau zeigt seine Werke.
Eine Zeitreise ist die neue Ausstellung mit 200 Fotos im Eingangsbereich des Fernsehturms. Erst sieht der Betrachter von heute, wie sich das alles gestern entwickelt hatte: der Bau des Turms, die Vormontage der 4800 Tonnen schweren Kugel mit ihrer Silberhaut zu ebener Erde, danach das Hochhieven der Einzelteile per Kran. In der Nähe war die Markthalle mit ihren Berliner Typen (wo echter! Bohnenkaffee ausgeschenkt wurde) und der aufgewühlte Alex, das verriegelte Brandenburger Tor oder der Gendarmenmarkt als großer Aufbauplatz anno 1977. Dann der Alltag in der kleinen DDR mit freundlichen Leuten, liebenswerten Originalen und kräftig zupackenden Frauen, schließlich der Mauerfall, die Wende, die Freude, auch beim Reisen in alle Welt. Hatte Karl-Heinz Kraemer sein fotografisches Talent mit dem untrüglichen Gefühl für den Augenblick vor allem zwischen Ostseeküste und Goldstrand ausprobiert, ging es nun hinaus in die Welt: Mexiko, Hongkong, Kalkutta. Und immer wieder Berlin. Der 1940 in Halle geborene Bildjournalist, Fotografiker und Mediengestalter, der an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst studierte, hat sich nie auf ein Genre spezialisiert, dafür war seine Liebe zur Fotografie zu leidenschaftlich: Reportagebilder, Architekturfotos, Landschaft, Porträt oder „Genre“ hat er gemacht, zu Hause in Birkenwerder stehen 89 große Kästen voller Negative, Produkte unzähliger „Klicks“ der letzten 50 Jahre: 1958 war in der Zeitung „LDZ Halle“ das erste Kraemer-Foto erschienen. Der stille, grauhaarige Kamerakünstler sagt, Fotografie sei für ihn „das Ergebnis von Sehen und Verstehen“. Damit hält man sich natürlich weiter fit, nun vornehmlich mit Fotos für große Ausstellungen im öffentlichen Raum. Oder für Multivisionsschauen „in Berlin und anderswo“. So der Titel der Schau – bis 7. Juni im Fernsehturm, täglich von 9 bis 23 Uhr. Lo.
(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 17.04.2008)
Kommentare [ 0 ]