Auf den Punkt

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Mahlzeit statt Marlboro

Cordula Eubel über die Hartz-IV-Sätze
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Cordula Eubel, Tagesspiegel-Redakteurin
Berlin -  Wer so pauschal wie der CDU-Politiker Philipp Mißfelder mit Ressentiments gegenüber Hartz IV-Empfängern spielt, muss sich nicht wundern, wenn er heftigen Widerspruch erntet. Mit seiner Äußerung, die geplante Erhöhung des Regelsatzes für Kinder zwischen sechs und 13 Jahren sei ein "Anschub für die Tabak- und Spirituosenindustrie", hat der Chef der Jungen Union den Zorn der Wohlfahrts- und Sozialverbände auf sich gezogen. Natürlich kann man nicht allen langzeitarbeitslosen Eltern unterstellen, dass sie mit den staatlichen Leistungen, die sie für sich und ihre Kinder erhalten, verantwortungslos umgehen.

Doch die Kritiker machen es sich zu einfach, wenn sie Mißfelder "völlige soziale Inkompetenz" vorwerfen. Er wolle keine Hartz-IV-Empfänger diffamieren, sondern auf Missstände hinweisen, schiebt der Nachwuchs-CDU-Mann hinterher. Das Geld der Solidargemeinschaft müsse bei den Kindern wirklich ankommen. Und da trifft Mißfelder einen Nerv: Es ist bitter, wenn Kinder von Hartz-IV-Empfängern sich das Mittagessen in der Schulkantine nicht leisten können. Oder wenn sie an der Klassenfahrt nicht teilnehmen können. Das liegt aber nicht unbedingt daran, dass arbeitslose Eltern ihr Geld grundsätzlich lieber in Zigaretten und Alkohol stecken - auch wenn es diese Fälle sicher gibt. Für die Ernährung ihrer Kinder stehen Hartz-IV-Familien nur etwa 2,60 Euro am Tag zur Vefügung. Deshalb werden nicht nur in Berlin viele Kinder vom Essen abgemeldet, obwohl sie bis 16 Uhr in der Schule sind.

Das Bundessozialgericht hat in einem Grundsatzurteil vor kurzem kritisiert, dass die Regelsätze für Kinder sich nicht nach dem tatsächlichen Bedarf richten, sondern willkürlich festgelegt sind. Ein Stück weit hat die Politik reagiert, indem sie im Rahmen des Konjunkturpakets den Regelsatz für die 6- bis 13-jährigen um 35 Euro im Monat angehoben hat. Doch einfach nur die Transfers anzuheben, reicht nicht. Bund und Länder sollten sich mindestens darauf verständigen, Kindern, die auf Hartz IV angewiesen sind, ein kostenloses Mittagessen zu ermöglichen.
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Kommentare [ 12 ] Kommentar hinzufügen »

Comment
von   gieslinder | 20.02.2009 14:26:25 Uhr
Mittagessen
Kostenloses Mittagessen wäre in Ordnung, allerdings müßte das
Geld den Hartz IV Empfängern wieder abgezogen werden.
Anderen tut das Geld auch weh, die haben aber wenigstens den
Stolz, sich nicht vom Staat aushalten zu lassen.
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von   timchen | 20.02.2009 15:23:46 Uhr
der eigentliche Skandal, sehr geehrte Frau Eubel,
ist, dass hierzulande überhaupt soviele Kinder (und Erwachsene) von Hartz4 leben müssen.

"Das Geld der Solidargemeinschaft müsse bei den Kindern wirklich ankommen" - das Geld der Solidargemeinschaft nennt sich Volkseinkommen - und dieses hat sich in den letzten 20 Jahren
a) stetig vermehrt aber
b) ist dieses Mehr fast ausschließlich bei den oberen 10% angekommen.

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von   dietmarbrach | 20.02.2009 15:48:12 Uhr
Was würde Herr Mißfelder sagen
... wenn jemand die Diätenerhöhungen im Bundestag als Anschubfinanzierung für Bordelle und Kokaindealer bezeichnen würde? Sicher würde er kaum vermuten, dass derjenige keine Politiker diffamieren möchte sondern nur um den Gesundheitszustand der Politiker besorgt ist. Sollte man vielleicht auch zumindest was Herrn Mißfelder angeht sein.
Allerdings, liebe Frau Eubel, kann ich in der von Herrn Mißfelder gemachten Aussage nicht erkennen, dass er den Hartz IV Satz als zu niedrig empfindet. Er sagt ja genau das Gegenteil. Völlige soziale Inkompetenz ist schon eine angebrachte Wertung für diesen Ausfall-Politiker.
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von   mannemoe | 20.02.2009 19:03:22 Uhr
Höhe..
...wenn man dann noch bedenkt, daß eine Diätenerhöhung regelmäßig mehr ausmacht als die gesamte Hartz IV Leistung pro Empfänger....und auch regelmäßig vorgenommen wird...praktisch als Selbstbedienung...und eine erwiesene Leistung dafür nicht erbracht werden muss....
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von   stachel | 20.02.2009 17:25:04 Uhr
Schon wieder Mißfelder
Es ist sicher schon einige Jahre her, als sich Herr Mißfelder erdreistet hat, darüber zu urteilen, ob, und in welcher Weise ältere Leute am Sozialstaat partizipieren dürfen. So hatte er z.B. vorgeschlagen, älteren Mitbürgern keine künstlichen Hüftgelenke mehr einzusetzen. Das "C", mit der sich seine Partei tarnt, hatte er wohl gerade vergessen. Dabei gehört Herr Mißfelder zu den Leuten, die potentiell unproduktiv bleiben werden und nichts zur Wertschöpfung in diesem Staat beitragen werden. Das Einkommen, das er als Abgeordneter bezieht, müssen andere für ihn erarbeiten, er wird keinen einzigen Cent wirklich verdienen! Herr Mißfelder steht seit Jahren auf meiner persönlichen Negativliste, und das wird sich wohl nie ändern.
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von   mm1 | 20.02.2009 18:52:54 Uhr
Steuergelder
Alle, die sich darüber aufregen, dass die Sozialleistung Hartz IV- von den Steuerzahlern aufgebracht werden sei gesagt, dass Hartz IV- und ALG I-BezieherInnen auch Steuern zahlen. Zwar keine Lohn-/Einkommensteuer aber alle anderen. Auch Politiker werden von Steuergeldern bezahlt. Vergessen oder nicht gewusst?
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von   gieslinder | 20.02.2009 20:35:57 Uhr
@mm1
Genau, eigentlich zahlen ja Hartz IV Empfänger mehr Steuern,
als sie Stütze erhalten. Das ist echt 'ne Schweinerei !
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von   lionfood | 20.02.2009 19:08:49 Uhr
Doch völlige soziale Inkompetenz
Auf Misstände hinweisen kann jeder. Das klischeehafte Verhalten einer Minderheit auf eine komplette soziale Gruppe zu projizieren und ihr dieses zu unterstellen ist unseriös. Besonders wenn man sich selbst als Politiker sieht, dessen Beruf es eigentlich ist mit informierten und kompetenten Vorschlägen zur Besserung erkannter Missstände aufzuwarten.
Wenn da nichts konkretes kommt, dann bitte zurücktreten und platz machen für jemand der es draufhat.
Menschen aber einfach nur vor den Kopf zu stossen ist definitiv sozial inkompetent.
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von   ignorant | 21.02.2009 00:08:15 Uhr
Kreißsaal- Hörsaal- Plenarsaal
die bisherige Lebensleistung des Herrn Mißfelder. Von solchen Politkern (und davon gibt es in der jüngeren Politiker-Generation eine Menge) muss sich kein Hartzi was sagen lassen.
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von   tokie | 21.02.2009 09:50:41 Uhr
Spirituosenindustrie im Abwärtstrend
Vielleicht wurde Herr Mißfelder mißverstanden und er wollte sich als Lobbyist dem Rückgang des Alkoholkonsums der Deutschen entgegenstemmen. Die letzten 10 Jahre ging es lt. Statistik nur bergab. Dafür waren die 90iger Jahre goldene Zeiten.
Oder er wollte sich in Polemik üben, die man in Bayern zur Folklore zählt.
Auf jeden Fall leidet er darunter, daß man bei uns die Grund-
versorgung mit absurden Begriffen belegt.
Arbeitslose werden nach kurzer Inanspruchnahme ihrer Arbeitslosenversicherung in die Sozialhilfe geschickt.
Unabhängig davon, ob sie 30 oder 1 Jahr eingezahlt haben.
Die Grundversorgung erhält kein homogener Haufen, darum macht sich jeder zum Affen, der Allgemeinplätze dazu absondert.
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von   niko1051 | 21.02.2009 10:10:44 Uhr
Mahlzeit statt Marlboro
Mein Vorschlag wäre - Mittagessen in "allen" deutschen Schulen kostenlos für alle Schüler, deren Eltern unter dem deutschen Durchschnittseinkommen - der lag 2008 bei 2300.- Euro brutto lt. statistischem Bundesamt - verdienen. Dann wäre jedenfalls garantiert, dass die Kinder zu essen hätten.
Die Frage stellt sich, ob das politisch erwünscht und durchsetzbar wäre.

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von   henrykonfu | 22.02.2009 15:54:25 Uhr
Vielen Dank, Herr Mißfelder!
Ich wünschte, dass noch mehr Politiker so offen ihre Meinung aussprechen.

Es wird nämlich Zeit, dass das Volk begreift, was für Typen die Politik gestalten, nach der es lebt.

Schönen Gruß noch an Sarrazin.


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