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Verfassungsrecht

FDP: Neuordnung der Jobcenter erst nach der Wahl

Union und FDP sperren sich gegen Kompromiss bei Jobcentern – Minister Scholz mahnt zur Eile. Doch Karlsruhe hat dem Gesetzgeber Zeit bis Ende 2010 für eine Neuregelung gegeben.
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Berlin -  "Jetzt heißt es durchhalten, denn Hilfe ist nah", sagt Jörg Rohde und meint die Bundestagswahl im Herbst. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der bayerischen FDP-Landtagsfraktion hofft, dass die organisatorische Neuordnung der Jobcenter für Langzeitarbeitslose in dieser Legislaturperiode nicht mehr kommt und "von einer anderen Mehrheit" im kommenden Jahr neu auf den Weg gebracht wird. Die Chancen dafür stehen derzeit nicht schlecht: Auch die Unionsfraktion im Bundestag sperrt sich gegen den Kompromiss, den Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) am vorigen Freitag mit NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) und dem Mainzer Regierungschef Kurt Beck (SPD) gezimmert hatte. Wobei Rüttgers da die Bedenken der Union auf Bundesebene schon bekannt waren, wie es in Fraktionskreisen heißt.

Es eilt aus Sich des Arbeitsministers

Die Neuorganisation war nötig geworden, weil das Bundesverfassungsgericht im vorigen Jahr die Mischverwaltung von Bundesagentur für Arbeit und Kommunen in den Jobcentern als grundgesetzwidrig einstufte. Der Kompromiss sieht nun vor, die Verfassung so zu ändern, dass für die Hartz-IV-Verwaltung eine solche Mischlösung gelten darf. Das passt nun der Unionsfraktion nicht. Der geschäftsführende Vorstand meint, man dürfe nicht einfach ein verfassungswidriges Gesetz überarbeiten, indem man die Verfassung ändere. Außerdem sei es problematisch, in der Wirtschaftskrise bei steigenden Arbeitslosenzahlen 370 neue Behörden einzurichten - was durch die Kompromisslösung in Form der Anstalt öffentlichen Rechts der Fall wäre. Zudem habe die Föderalismusreform eine klare Aufgabentrennung zum Ziel gehabt. Auch in den Kommunen grummelt es. Der Städtetag fordert, den Einfluss der Kommunen, die für das Wohngeld und die eigentliche Betreuung der Arbeitslosen zuständig sind, zu stärken.

Scholz zeigte sich "überrascht" über die Einwände "in letzter Sekunde". Im vergangenen Sommer habe es einen einstimmigen Beschluss der Sozialminister der Länder für eine Verfassungsänderung gegeben. "Das kann doch niemandem verborgen geblieben sein", meinte Scholz, der ursprünglich ohne Verfassungsänderung auskommen wollte. Nun eilt es aus Sicht des Arbeitsministers. Das Kabinett müsse im März die Gesetzentwürfe beschließen, betonte Scholz und forderte indirekt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Eingreifen auf. "Ich wünsche mir, dass alle, die eine Möglichkeit haben, Einfluss zu nehmen, diese Möglichkeit auch wahrnehmen", sagte Scholz.

Die Liberalen neigen zu einem Kompromiss


Nur will die Unionsfraktion in dieser Legislaturperiode keine Gesetzesänderung mehr. Wie auch die FDP. Und die hat ein gewichtiges Wort mitzureden, denn eine Verfassungsänderung ist im Bundesrat nur mit Stimmen von Ländern mit FDP-Regierungsbeteiligung zu haben. Im Gegensatz zum Konjunkturpaket, wo die Liberalen ihren Widerstand nicht aufrechterhalten konnten, ist die Jobcenter-Frage auch keine Sache, die unbedingt jetzt erledigt werden muss. Karlsruhe hat dem Gesetzgeber Zeit bis Ende 2010 für eine Neuregelung gegeben.

Allerdings haben die Liberalen auch Kompromisswillen signalisiert. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel forderte weniger Aufsichtsrechte für den Bund und eine Lösung, bei der mehr als die bislang vorgesehenen 69 Kommunen für eine eigenständige Lösung ohne Kooperation mit der Bundesanstalt für Arbeit optieren können. "Die Zahl 69 darf nicht in Stein gemeißelt sein", sagte Rohde. "Jede Kommune soll entscheiden dürfen, was sie will." Vor allem viele Landkreise würden dann wohl aus der Kooperation aussteigen - was dem Bund nicht behagt, denn er vor allem finanziert die Jobcenter.



(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 19.02.2009)
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Kommentare [ 1 ] Kommentar hinzufügen »

Comment
von   mm1 | 20.02.2009 18:40:17 Uhr
Hände weg vom Grundgesetz
Hier haben sich die Politiker aller Parteien, außer der Linken,
2004 bis auf die Knochen blamiert. Das Verfassungsgericht sagte zu recht, so geht es nicht. Nun kommen die Arbeits- und Sozialminister auf die schlechte Idee, für ein schlechtes Gesetz das Grundgesetz zu ändern. Da machen es sich die Herrschaften etwas zu einfach. Ob die Optionskommunen der richtige Weg sind, wage ich zu bezweifeln. Bisher haben sich weder die einen noch die anderen mit herausragenden Vermittlungszahlen in den 1. Arbeitsmarkt hervorgetan.


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