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1968 - Aktuelle Artikel

Revolutionäre Sprechblasen

Der Frankfurter Germanist Bernd Dolle-Weinkauff erforscht die Comics der '68er
VON ANNE LEMHÖFER

So kann's gehen. Jolly Boom will Verkäuferin werden. Schöne Sachen verkaufen, die schön bunt sind. So wie Eis zum Beispiel. Schöne Sachen verkaufen und schön aussehen und dazu schöne Dinge denken: "Ich mache nur noch, was mir Spaß macht. Ich will mich pflegen. Schön sein. Geliebt werden." Jolly Boom könnte also eigentlich ein sehr glücklicher Mensch sein.

Aber nicht in einem Comic von Alfred von Meysenbug, in dessen 1968 erschienenen Buch "Supermädchen" sie verträumt aus schwarz umrandeten Kästen schaut wie aus einem Gemälde von Roy Lichtenstein. Da dräut das Unheil nämlich schon im ersten Panel. "Als Jolly aus der Volksschule kam, übernahm ein großes Kaufhaus ihre Ausbildung." Und so verkauft die Verkäuferin Jolly irgendwann nicht mehr nur Waren - nein, sie wird selbst zur Ware, zur Prostituierten. Doch Rettung naht. Nicht in Gestalt eines Superhelden im wehenden Umhang, sondern in philosophischen Schriften. "In dieser Zeit fing Jolly an, sich zu bilden. Sie wollte alles wissen." Denn die Konsumgesellschaft, sie ist nicht nur schön bunt. Sie raubt den Menschen ihre Persönlichkeit. So wenig subtil die Flugblätter der '68er waren, so wenig waren es ihre Comics.

Und so wenig die 68'er durch ihren Humor auffielen, so wenig sind die Pop-Art-Comics des damals 28-jährigen Künstlers witzig. "Supermädchen" ist ein Lehrstück in Sprechblasen. Der Comic habe im Deutschland der 60er Jahre aber nicht nur als Trägermedium für Kapitalismuskritik fröhliche Urständ gefeiert, betont Germanistikprofessor Bernd Dolle-Weinkauff vom Institut für Kinder- und Jugendbuchforschung der Goethe-Uni. "Comics wurden zu dieser Zeit eine eigenständige Kunstform", sagt er. Zum publizistischen Zentrum des Genres zählt Dolle-Weinkauff auch die 1961 gegründete Satirezeitschrift "Pardon", in der die Cartoons von Hans Traxler, F.K. Waechter und Chlodwig Poth erschienen.

Wie viele der später im Dunstkreis der Neuen Frankfurter Schule schreibenden und zeichnenden Künstler war Alfred von Meysenbug im Umfeld des Frankfurter SDS aktiv. Er war Student am Institut für Sozialforschung und bereits Jahre zuvor durch seine Strips für die Schülerzeitschrift "Peng" in der politischen Szene bekannt geworden. In Meysenbugs Geschichten finden sich zahlreiche Anspielungen aufs Frankfurter Protestmilieu.

"Die Pop-Art hatte großen Einfluss auf die Comicszene, sie war Ausdruck politischen Aufbegehrens - mit Humor hatte das allerdings oft nicht viel zu tun", sagt Dolle-Weinkauff. Striptease-Tänzerinnen treffen auf eine SDS-Frauengruppe und "Brummbär, der stockhigh war und den ganzen Tag die Wohnung putzte", sind dem Alltag derer entlehnt, die in Frankfurt-Bockenheim oder Berlin-Kreuzberg in WGs wohnten und in ihren Jeanstaschen gut sichtbar rote Mao-Bibeln spazieren trugen. Ebenfalls 1968 erscheint Meysenbugs Band "Glamour Girl". Dessen Protagonistin Carla Ehrlich wandelt sich von der Prostituierten zur Feministin. Die arme Jolly dagegen, sie verheddert sich letztlich unrettbar in den Widersprüchen ihrer Zeit - darf aber noch bis zum 6. September in der Nationalbibliothek in Leipzig in revolutionären Sprechblasen ihre Epoche vertreten.

Um Comics der 68er dreht sich ein Artikel in der aktuellen Ausgabe des Magazins "Forschung Frankfurt": www.
forschung-frankfurt.uni-frankfurt.de

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Dokument erstellt am 02.09.2008 um 00:33:17 Uhr
Erscheinungsdatum 02.09.2008 | Ausgabe: R2NO | Seite: 23
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