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Obamas Politik

Der große Aufbruch

Barack Obama sieht den Horizont nicht als Grenze, sondern er weiß: Dahinter geht es weiter. Das beflügelt eine Nation, Amerika wird es besser gehen. Unsere Politik wirkt dagegen papiern - der letzte, der in Deutschland ein Ziel hinterm Ziel hatte, war Willy Brandt.
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Amerika, du hast es besser. Da kommt einer ins Amt, der wirklich etwas erreichen will; einer, der den Horizont nicht als Grenze ansieht, als Begrenzung, sondern weiß: Hinterm Horizont geht’s weiter. Ja, das ist amerikanisch, das auch, aber nicht nur. Die USA waren immer eine Nation im Aufbruch, und immer stark, wenn die, die das Land ausmachen, aufs Neue aufbrechen. Wenn sie die eigenen Grenzen überschreiten. Das beflügelt. So kamen die Siedler in den Westen und die Astronauten auf den Mond.

Und im Anfang war: das Wort. Barack Obama ist ein Meister der Beschreibung dessen, was nottut. Was ansteht. Was getan werden muss, damit es losgeht. Mit Pathos (allein) hat das nichts zu tun. Das bliebe Phrase, wenn den Worten nichts folgte. Seine Botschaft aber wird mit jedem Tag, den er regiert, schärfer konturiert. Nicht nur, dass sein Auftakt atemberaubend ist, von den Entscheidungen zu Guantanamo bis zum Megakonjunkturpaket, das er in Maximalgeschwindigkeit durch sein Parlament gebracht hat, die beiden Häuser des Kongresses. Nun lässt Obama seiner Inaugurationsrede eine Ansprache folgen, die klar benennt, worum es geht. Die damit auch große Ansprüche kennzeichnet, an ihn selbst und an die Amerikaner. Der Präsident wird am Ergebnis gemessen werden. Aber jeder Satz zeigt, dass er weder Scheu vor den Worten noch Angst vorm Handeln hat.

Am Horizont, da ist die Krise. Doch wer weiter will, für den verschiebt er sich, und hinter dem, was wir sehen, erschließen sich neue Möglichkeiten, unbegrenzte. Gewissermaßen so lässt Obama es erscheinen: Wer jetzt wartet, wer verharrt, der erleidet davor die ewige Schande. Denn dahinter wartet – der sichere Sieg, einer über die Verhältnisse, wie sie sind. Welch eine Agenda 2010 ff. das ist! Ausgestattet ist sie mit einem Ziel hinter dem Ziel, das lautet, die Krise in den Griff zu nehmen, um daraus dann diese Politik zu gestalten: das dramatische Haushaltsdefizit halbieren; die Autoindustrie erneuern; ein Gesetz zur Regulierung der Finanzmärkte verabschieden; eine Krankenversicherung für alle Bürger schaffen; einen Fonds für Kredite an Verbraucher und Kleinunternehmer einführen; den Emissionshandel etablieren; die Produktion erneuerbarer Energien verdoppeln.

Das alles kommt daher mit einem Appell an die Moral, die Moral in jeder Hinsicht, ethisch gesehen und was die Dynamik des Handelns angeht. Ja, und was ist falsch daran? Nichts! Wo kämen wir denn da hin, wenn Politik nicht mehr moralisch begründet werden dürfte. Und hohl wäre der Anspruch dann, wenn nichts geschähe, oder geschehen wäre, was seinem Anspruch Glaubwürdigkeit gäbe. Weil es aber anders ist, greift ihn nicht einmal die Opposition an.

Unsere Politik hierzulande wirkt dagegen rein administrativ, papiern, wie aus Akten mit Vermerken abgearbeitet, abgezeichnet in grüner oder roter Schrift. Unsere Politik hat nur schon das Wort Reform diskreditiert, weil es zu oft keine gab und zu viele Verwaltungsakte so genannt wurden; geschweige denn, dass Reden gehalten wurden, die zu hören sich lohnte. Weil der letzte, der aufbrechen wollte, der ein Ziel hinterm Ziel hatte, Willy Brandt war. Und der ist schon lange tot.

92 Prozent der Befragten haben Obamas Budgetrede begrüßt. Sie haben verstanden, um was es geht. Wohin es gehen soll. Wer versteht, tut leichter mit. Das ist das Wesen von Politik. Amerika wird es besser gehen. Wir werden es erleben.

(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 26.02.2009)
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von   e.r. | 25.02.2009 21:35:04 Uhr
Na ja!
Momentan kommt mir die Situation in den ver. Staaten eher wie die große Beschönigung vor angesichts der maroden Infrastruktur und der rückständigen Industrie ( Autos, Haushaltsgeräte, Abhängigkeit von Großunternehmen und Rüstungsunternehmen bei 500 Mrd. Dollar Militärausgaben) dieses Landes. Aber wir werden in ein paar Jahren mehr wissen.
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von   alterschwede | 25.02.2009 22:53:51 Uhr
Hallelujah!
Dieses kleine Wörtchen hat am Schluss des Artikels mit den vielen sehr, sehr kurzen Sätzen noch gefehlt.
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von   lionfood | 26.02.2009 02:49:07 Uhr
Nach der nächsten Wahl...
Es wäre in der Tat mal schön zu wissen was unsere Regierung überhaupt will. Und ob es so eine Art Plan gibt wie man die deutsche Gesellschaft gestalten will, so dass sie auch noch in 30 Jahren einigermassen wohlhaben überlebensfähig ist.
Die dann auf dem Kopf stehende Alterspyramide wird mit den bestehenden Sozialsystemen und Gesellschaftstrukturen auf diesem Versorgungsniveau nicht mal mehr ansatzweise funktionieren.
Würde mich schon mal interessieren wie das Problem gelöst werden soll? Und durch wen?
Alle Ansätze und Konzepte liegen ja seit 10-20 Jahren rum. Das wird dann auch in Angriff genommmen. Und ja, last mich raten, auch diesmal wieder... Nach der nächsten Wahl dann...?
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von   adalbert | 26.02.2009 06:31:54 Uhr
Nein, der 'grosse Aufbruch' ist das noch lange nicht!
Denn Obama geht zu zaghaft vor. Er benennt die wirklichen Ursachen der gesellschaftlichen Misere nicht, nimmt die Lobbyisten nicht in die Pflicht. Gewiss: seine Vorsicht ist verstaendlich, denn seine zahlreichen Feinde wuerden bestimmt vor keinem Attentat zurueckschrecken,wuerde Obama ihre Pfruende antasten. Hier in San Diego gibt es m. E. nicht die leiseste Aufbruchstimmung wahrzunehmen. Im Gegenteil scheinen alle nur auf staatliche Initiativen zu warten. Es fehlt voellig der Gesellschaftsentwurf 'aus einem Guss'.
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von   hobe | 26.02.2009 10:26:17 Uhr
Welche Konzepte?
In der Tat, zur langfristigen Sicherung und Erhaltung unseres Sozialsystems braucht Deutschland visionäre Konzepte zu einer völlig neuen Gestaltung des Zusammenlebens.
Aber was hat die Deutsche Politik bisher geschafft?
- Das Heraufsetzen des Renteneintrittsalters auf 66 bis 67 Jahren (mit Ziel 70 Jahre),
- Appell/steuerliche Unterstützung zu privater Altersvorsorge (die sich viele Arbeitnehmer wg. stagnierenden Reallöhnen bei steigenden Lebenshaltungskosten garnicht leisten können).

Was uns fehlt ist ein 'deutscher Obama', der
- ein moralische Wende im ökonomischen Denken einleitet,
- klarstellt, dass Menschen mit zunehmendem Alter nicht zur gesellschaftlichen Last werden müssen, sondern ein Erfahrungsschatz darstellen und daher zum gesellschaftlichen Reichtum beitragen können,
- den Managern/Unternehmern klar macht, dass sie Know-how wegwerfen, wenn sie ältere Arbeitnehmer entlassen,
- allen Menschen über 50 die Gewissheit gibt, dass es genügend Arbeitsplätze mit angemessenem Einkommen gibt, die ihnen eine Berufstätigkeit bis zum Renteneintrittsalter ermöglicht.

Wo sind die visionären Konzepte, die das gesellschaftliche Denken in Deutschland/Europa zu einem Aufbruch in eine neue Zeit führen und zeigen, dass es hinter dem (Alters-)Horizont weitergeht?
Ich sehe/höre sie leider bei keinem 'unserer' lobbyisternen Politikern.
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von   friedrich.lautemann | 26.02.2009 14:02:40 Uhr
Neue Männer braucht das Land
Unsere Politik hierzulande ist die von Krämern und rechthaberischen Streithammeln - ich stimme Ihnen zu, Herr Chefredakteur. Reden werden reichlchen wollte, der ein Ziel hinteich gehalten, und auch da haben Sie recht, ganz selten mal eine, die zu hören sich lohnte.
Dann schreiben Sie etwas, was mir unter die Haut ging: "Weil der letzte, der aufbrechen wollte, der ein Ziel hinterm Ziel hatte, Brandt war."
So ist es. "Neue Männer braucht das Land" war einer der Slogans, mit denen die Brandt-Wehner-Schmidt-SPD in den 6oer Jahren die macht im Bund anpeilte und dann auch errang. Für Willi und seine Versöhnungspolitik wären wir junge Männer, deren Väter auf den Soldatenfriedhöfen vermoderten, damals gestorben. Die Politik hatte eine Vision, also etwas, das der Überlebende der Troika verspottete: wer eine Vision hat, sollte zum Psychiater gehen. Schmidt-Schnauze im Originalton, die Zigarette in seiner rechten Hand. Die linke schiebt seine Stirnlocke zurück, sobald er gefilmt wird. Warum verehren ihn die Deutschen nur? Ich glaube, weil sie Willi brandt längst vergessen haben.
Vielleicht hängt das ja damit zusammen, dass dessen zahlreiche Enkel (Lafontaine, Schröder, Scharping (Sptz- und Spottname: "Bin Baden")gemessen am Charisma von Willi Brandt ziemliche Versager waren. Sie haben Brandts Erbe verschachert und sich wie es sich unter Parteifreunden in der SPD traditionell gehört gegenseitig klein gemacht.
"Am Horizont, da ist die Krise. Doch wer weiter will, für den verschiebt er sich, und hinter dem, was wir sehen, erschließen sich neue Möglichkeiten, unbegrenzte." Einspruch, euer Ehren! Der Horizont lässt sich nicht verschieben, und es gibt keine neuen, unbegrenzten Möglichkeiten - nicht vor und nicht hinter ihm. Es reicht hierzulande nicht einmal zu der programmatischen Aussage, es ist genug für alle da.
Ein deutscher Obama ist nicht in Sicht. Die Menschheit steht am Abgrund. Obama weiß das. Sie ist nicht lernfähig und leidet kollektiv an ihrem Verstand.


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