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Der Rundfunk im Emergency Room

Alle wollen den ORF retten. Aber viele Nothelfer haben keine edlen Absichten.

Christoph Kotanko Christoph Kotanko DruckenSendenLeserbrief
Die Geister, die Alexander Wrabetz riefen, lassen ihn nicht los. Seine Wahl war ein Polit-Coup; im August 2006 wurde er durch das Zweckbündnis von SPÖ, FPÖ, BZÖ und Grünen ORF -Generaldirektor. Zwei Jahre später wurde Werner Faymann SPÖ-Chef. Dessen Verhältnis zu Wrabetz ist desolat. Daher könnte der Rundfunkchef bald seinen Job verlieren.
Diese Schubumkehr ist österreichische "Realpolitik".

Nun gibt es gute und schlechte Gründe, Wrabetz zu kritisieren. Er hat eine Unterlassungsschuld, denn er hätte seit zehn Jahren – zuerst als kaufmännischer Direktor, dann als Boss – einschneidende Änderungen herbeiführen müssen (Wrabetz fehle die Durchschlagskraft, fauchte der alte Tiger Gerd Bacher im "Club 2").

Bei einer anderen, schlanken Struktur hätte der ORF mehr Geld für das Programm. Eine solche Strukturreform hat Wrabetz jetzt im Strategiekonzept angekündigt – das kommt spät, vermutlich zu spät für ihn.

Vor seinem Start als Generaldirektor hätte er auf dem bestmöglichen Führungsteam bestehen müssen; stattdessen schloss er lahme, parteipolitisch begründete Kompromisse (seine Verteidiger sagen dazu, Politik sei eben die Kunst des Möglichen, nicht die Durchsetzung des Wünschenswerten).

Drittes Versäumnis: Der ORF mit seinen Produkten wurde nicht klar positioniert. Öffentlich-rechtliches und pseudo-privates Angebot verschwimmen. Dieses Problem ist Wrabetz bewusst geworden. Daher meint er in seinem Reformkonzept, die Programme sollten unverwechselbar werden (ORF 1 z. B. soll "jünger, urbaner und gleichzeitig öffentlich-rechtlicher werden").

Köpfe statt Konzepte

Ohne Frage hat die amtierende ORF-Führung Fehler gemacht. Bedenklich ist auch die wirtschaftliche Schieflage des Großbetriebs.
Aber bei den vielen Rettern, die sich jetzt anbieten, ist Vorsicht geboten. Ihnen geht es nicht um das Wohl des Unternehmens, sondern um mehr Macht und Einfluss im elektronischen Leitmedium des Landes.

Denn bei aller berechtigter sachlicher Kritik: den Vergleich mit anderen Rundfunkanstalten hält der ORF locker aus. Das Programm, das er seinen zahlenden Kunden bietet, ist besser als jenes vieler anderer Sender. Es ist x-mal besser als das der meisten deutschsprachigen Privaten, vom Stumpfsinn vieler, z. B. amerikanischer, italienischer oder spanischer Anbieter ganz zu schweigen.

Auch den Vergleich mit anderen öffentlich-rechtlichen Anstalten braucht der ORF nicht zu scheuen. Die ungleich größeren, finanziell abgesicherten deutschen Sender kochen auch nur mit Wasser.

18 Punkte umfasst laut dem geltenden "Bundesgesetz über den Österreichischen Rundfunk" der Programmauftrag des ORF. Doch darum geht es so gut wie nie. Die Debatte kreist um Köpfe, nicht um Konzepte. Der Machtanspruch der Parteien bedroht zunehmend die wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit. Dagegen gibt es nur ein Mittel: den Druck der Öffentlichkeit, damit nicht die "Retter" den ORF ruinieren.

Artikel vom 28.03.2009 17:25 | KURIER | Christoph Kotanko

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