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Am Holzweg

In Tragwein hat der Gusenbauer noch etwas zu sagen: Wie ein Tischler dort gegen den Klimawandel ankämpft.

Gerold Gusenbauer Tischler Gerold Gusenbauer bei der Preisverleihung im ORF. DruckenSendenLeserbrief
Plötzlich ist es aufgetaucht. Dieses gute und wichtige Gefühl, mitten in Tragwein. Das Gefühl, vom kleinen oberösterreichischen Marktflecken aus die ganze Welt zu retten. Schon hatte es sich in den Köpfen und Herzen festgesetzt. Beim Wirten hatten sie sich ein schöneres Weltklima lange herbeigeredet, und weil ihnen das Gefühl so klar und einfach erschien, begannen sie, neue Kraftquellen anzuzapfen. Das ganze Dorf wechselte vom Nachdenken in die Praxis:
Der Installateur erfand einen Kochtopf , in dem die Sonne Eier siedet, und die Bauern tauschten die weißen Asbestschindeln an ihren Höfen und Viehställen gegen Sonnenkollektoren am Dach. Dann beschloss Josef Naderer, der schwarze Bürgermeister, aus der Hauptschule soll eine "Energieschule" werden.
Und vor Weihnachten drückte schließlich der Umweltminister dem Tischler Gusenbauer den jährlichen Klimaschutzpreis in die Hände.
Seitdem sieht ein ganzer Ort grün.

"Depperte Schachtel"

Irgendwann wuchs in Gerold Gusenbauer der Gedanke, dass die Zukunft dieser Welt im Holz steckt. Vor acht Jahren hat er angefangen, ein erstes Niedrigenergiehaus aus Holz zu bauen. Am Anfang hätten sich nicht wenige im Dorf gefunden, um über die "depperte Schachtel" aus Holz herzuziehen, sagt Gusenbauer. Aber solche wird's immer geben. "Schön waren die Passivhäuser am Anfang ja wirklich nicht", sagt auch Naturbursch Gusenbauer, "aber das ist wie bei der Jägerei: Da gibt es kein schön - nur gut und besser."

Die Sache mit dem Energiesparen und dem Klimaschutz, die ist für den baumlangen Tischler heute wie Kinderglück: Man kann gar nicht genug davon bekommen. Aus seiner Tischlerei wuchs so ein Energiespar-Unternehmen, dass sich auf Passivhäuser spezialisierte und seinen Umsatz in diesem Segment verdreifachte.

Weil das ökologische Potenzial von Tragwein unermesslich schien, begann Gerold Gusenbauer am Ende auch noch den achtzig Jahre alten Familienbetrieb völlig umzukrempeln: Einen guten Teil seiner Energie zieht die Tischlerei heute mit Fotovoltaik-Anlagen und schwarzen Kollektorflächen aus der Sonne. Und das ist nicht das Ende: "Als Nächstes kommt bei mir eine Solaranlage aufs Dach, da glaubst, du bist bei der NASA", sagt Gusenbauer.


Alles schön und gut

Es ist schon möglich, dass es in Tragwein leicht fällt, grün zu denken. Rundum ducken sich bis zum Horizont Bauernhäuser auf grünen Hügelrücken und ja, auch in der Landesregierung in Linz sitzt eine grüne Partei.

Doch beim Wirten am Hauptplatz haben sie es in Tragwein auch so längst geahnt. Warme Winter, eisige Sommer oder umgekehrt - was dem Bauern früher noch seltsam vorkam, ist eine Tatsache: Der Klimawandel ist ins Mühlviertel gekommen.

Damit die Polkappen nicht weiter abschmelzen, sitzen der Tischler Gusenbauer und der Bürgermeister Naderer an ihrem "Energie-Stammtisch" beisammen und erzählen den Tragweinern, was die Zukunft bringt: Von der japanischen Stadt Kioto etwa, vor allem aber über Förderungen für energiesparendes Bauen und Leben. "Wir sind keine Rabiaten, die Autos und Flugreisen verbieten wollen", erklärt der gemütliche Josef Naderer die Tragweiner Sache: "Wir wollen den Leuten aber zeigen, wie sie von Ölheizungen, das sind ja alles Dreckschleudern, auf erneuerbare Energien umsteigen können."

Was sich Naderer aus Zeitungen an Wissen, Zweifeln und Annahmen über das Klima mühsam erarbeitet hatte, soll bald die Basis für die nächste Generation werden: Die Fotovoltaikanlage in der Dorfschule zum Beispiel. Die soll nicht nur wirtschaftlich etwas bringen, die Kinder sollen mit ihr lernen, dass Ökologie die Zukunft ist.

Bis dahin werden im quirligen Tischler Gusenbauer schon wieder neue Idee gewachsen sein. Erst im vergangenen Jahr hat er einen weiteren Preis erhalten - Gusenbauer ist "Energie-Genie" -, für ein von ihm entwickeltes Fenster im Passivhausstandard, das er sogar ins südamerikanischen Peru verkaufte.
Die Antwort auf den Klimawandel scheint Gusenbauer jedenfalls zu haben. Sie heißt: Wir kriegen das schon hin.

Artikel vom 09.04.2009 16:42 | KURIER | Dieter Strasser

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