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Prölls Probleme mit der Personalpolitik

EU-Wahl kann VP-Chef, aber auch Faymann in Schwierigkeiten bringen.

Anneliese Rohrer Anneliese Rohrer DruckenSendenLeserbrief
Von einer Ironie des Schicksals kann man nicht reden oder schreiben, wohl aber von der Ironie politischer Entwicklungen in Österreich: Die EU-Wahl am 7. Juni könnte zu Verwerfungen in SPÖ und ÖVP führen, die in keinem Verhältnis zu ihrer Bedeutung, Popularität oder Wahlbeteiligung stehen.

Bei der Ironie hat die ÖVP im Moment die Nase vorne. Laut parteiinternem Geflüster wollte Obmann Josef Pröll einen Spitzenkandidaten, der sich EU-kritisch gibt und nicht als so bedingungslos proeuropäisch gilt wie Othmar Karas. Dieses Motiv löst Kopfschütteln aus, weil erstens die stets betonte Pro-EU-Position der ÖVP aufgegeben wird; und es zweitens als Witz empfunden wird, dass die ÖVP 2008 die Koalition mit der SPÖ just wegen deren EU-kritischem Schwenk in die Luft gesprengt hat. Mit Ernst Strasser wird nun klammheimlich Ähnliches vollzogen, wie sein zweifacher Kotau in Interviews innerhalb weniger Tage vor Hans Dichand und der Kronen Zeitung unterstreicht. Warum hat es dann der ÖVP letztes Jahr "gereicht"?

Ein anderes Motiv Prölls ist allerdings auch für Kritiker nachvollziehbar: Strassers Kandidatur erzeugt Spannung, kann dem Wahlkampf mehr Aufmerksamkeit und der ÖVP wahlkämpferische Energie bringen.

Riskant

Dennoch eine riskante Entscheidung, von der auffallend viele in der ÖVP (zuletzt Generalsekretär Fritz Kaltenegger) betonten, sie sei ausschließlich Prölls gewesen. Denn je besser Strasser Prölls EU-kritischen Auftrag erfüllt, desto mehr könnten Wähler abgeschreckt werden, die an die Kernkompetenz der ÖVP geglaubt haben. Schon geben einige bürgerliche Wähler an, die ÖVP wegen Strasser am 7. Juni nicht zu wählen. Außerdem könnte dieser wegen seiner privaten Geschäfte in die Dauerdefensive geraten.

Probleme mit Personalentscheidungen gehören offenbar zu Prölls "Marke". Schon die Berufung von Sport-Experten Reinhold Lopatka als Finanz-Staatssekretär ist vielen nach wie vor ein Rätsel; der Mehrwert für die ÖVP durch die Besetzung des Justizministeriums mit Claudia Bandion-Ortner blieb bisher unter der Wahrnehmung der Öffentlichkeit. Und die Wahl von Beamten-Gewerkschaftsboss Fritz Neugebauer zum Zweiten Nationalratspräsidenten machte auch wenig Sinn.

Nur der Master-Plan, Neugebauer im Laufe dieses Jahres nach dem ÖAAB auch von der Gewerkschaftsspitze wegzuloben, würde Weitsicht zeigen. Ob sich Pröll nicht auch hier verkalkuliert? Die Christgewerkschaft könnte die Absicht merken und verstimmt sein.

Wie Pröll wird aber auch Werner Faymann die EU-Wahl zu verantworten haben. Es ist der erste Urnengang seit 2008, von dem er sich bei einer Niederlage nicht so distanzieren wird können wie von den Debakeln in Kärnten und Salzburg. Faymann kann sich vorsichtshalber bei Alfred Gusenbauer erkundigen, wie eine SPÖ in Panik nach Serien-Niederlagen mit ihren Chefs verfährt. Das wäre die ultimative Ironie des Schicksals.

Artikel vom 07.04.2009 16:07 | KURIER | Anneliese Rohrer

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