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Von Stefan Kornelius

Der Kollaps der Finanzmärkte wurde in den USA ausgelöst. Er ist das Symbolbild eines Systembruchs, eines geopolitischen Zeitenwandels.

Als sich eine kleine Gruppe amerikanischer Außenpolitik-Experten im Frühjahr 2005 zu einer Strategie-Diskussion verabredete, blutete die Wunde noch. John Kerry hatte im November die Wahl verloren und die Fachleute, allesamt aus dem Umfeld der Demokraten, wollten nicht noch einmal so ein Desaster erleben.

Sie gründeten einen neuen Think Tank, eine jener Washingtoner Denkfabriken, in denen die Akteure Unterschlupf finden, die gerade nicht auf den Regierungsposten sitzen.

Das "Center for a New American Security" liegt nur drei Blocks vom Weißen Haus entfernt auf der Pennsylvania Avenue, aber das ist unbedeutend. Wichtig war, dass sich hier die Freidenker versammelten, die mit Wucht den nächsten Angriff auf die Bastion der Republikaner planen sollten. Oder auch nur den Aufstieg aus der Asche.

Regieanweisung für Obama

"The Phoenix Inititive" hieß ihr Projekt, und der Name sollte den Gefühlszustand der Demokraten wiedergeben. George Bush hatte sie mit seiner Außenpolitik geradezu zertrümmert, nun musste etwas Neues her.

Der Titel des Studienberichts der Gruppe, veröffentlicht drei Jahre später im Sommer 2008, war pompös und nichtssagend wie bei so vielen dieser Think-Tank-Empfehlungen: "Strategische Führung: Ein Handlungsrahmen für eine nationale Sicherheitsstrategie für das 21. Jahrhundert."

Interessant aber war, wer sich unter den Autoren tummelte: Susan Rice, Jim Steinberg, Anne-Marie Slaughter, Ivo Daalder, Tony Blinke, Kurt Campbell und ein paar andere aus dem Orbit der Demokraten, die sich nicht so sehr hatten anstecken lassen von der Bush-Hybris der letzten Jahre und die vor allem nicht mit den Neokonservativen paktiert hatten.

Der Bericht der Phoenix-Initiative gilt nun als Regieanweisung für die Obama-Präsidentschaft, und mehr noch: als Manifest gegen den Abstieg. Denn auch Obamas Beratern ist nicht entgangen, dass Amerikas Gewicht in der Welt abnimmt, dass sich neue Mächte formiert haben, dass den USA die Gefolgschaft verweigert wird.

US-Soldaten in einem der Paläste von Saddam Hussein, APGrossbild

Demonstration der Übermacht: US-Soldaten entspannen 2003 in einer Polstergarnitur in einem der Paläste Saddam Husseins westlich des Tigris. Fünf Jahre später gilt der Irak-Feldzug als gescheitert. (Foto: AP)

Erstaunlich ist, dass der Bericht zunächst feststellt, wo der Staat und das starke Amerika alleine nicht mehr helfen können: Terrorbekämpfung, Nuklearverbreitung, Klima und Ölabhängigkeit. Gleiches Bild bei regionalen Konflikten: Im Nahen Osten und in Ostasien ist Amerika alleine machtlos.

Munter geht es weiter in ungewohntem Ton: Großmachtsdiplomatie wird so gut wie gar nicht angesprochen, die Welt ist vielmehr miteinander verknüpft, die Macht wird aufgeteilt. Neue Töne, geradezu erstaunliche Erkenntnisse aus Washington - die Post-Phase ist angebrochen: post-hegemonial, Post-Kalter-Krieg, Post-Anti-Terror-Krieg.

Die neue Zeitrechnung lässt ahnen, dass auch in Washington ein Weg aus dem globalen Schlamassel gesucht wird. Wie also umgehen mit den starken Aufsteigern, den Öl-Autokraten, den selbstbewussten Neulingen im globalen Machtspiel? 1905 erschien in Großbritannien ein Buch, das Aufstieg und Niedergang des britischen Empires beschrieb.

Tatsächlich litt das viktorianische Britannien an seiner imperialen Überdehnung und spürte, dass es ein Ende haben würde mit der Vorherrschaft zur See und in den Kolonien. 1906 wurden die Konservativen mit einer krachenden Niederlage bei den Unterhauswahlen bestraft, aber selbst die siegreichen Liberalen konnten das imperiale Zeitalter nicht verlängern.

100 Jahre lang, angefangen mit der Industrialisierung im späten 19. Jahrhundert, dominierten seitdem die USA die Weltpolitik - gewollt oder ungewollt. 100 Jahre lang beherrschte die Idee Amerika die Phantasie der Menschen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum Amerika nach dem Zweiten Weltkrieg aufholte.

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Leserkommentare (12)



09.12.2008 18:02:53

mordsjehsas: Ventilator?

Das von Obama in seiner Berliner Rede vom Sommer dieses Jahres Postulierte fußt auf völlig unzulänglichen analytischen Fähigkeiten. Die Mauer des Unerreichbaren gab es früher und sie bleibt auch künftig unangetastet. Zu fordern, es müsse strategisch darum gehen, insbesondere solche Mauern in Frage zu stellen, hat nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Geradezu eine Labsal wäre es deshalb, unterließen es vermeintliche Politiker in aller Öffentlichkeit bombastischen Unfug zu reden, der zudem zig-fach vervielfältigt voraussichtlich auch noch jahrelang ventiliert wird.


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