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Phänomen Twilight

Wenn Töchter plötzlich eine extreme Leseleidenschaft entwickeln, dann sollten Eltern sich mit "Twilight" auseinandersetzen. Warum die Lovestory eines Vampirs alle in ihren Bann zieht.

Twilight, Buch ,Mädchen Mädchen mit Biss: Sonja (re.), Annette (li.) und Natasa verschlingen die Storys im Original und auf Deutsch. DruckenSendenLeserbrief
Edward Cullen heißt der Typ, der Mädchen aller Altersstufen magisch anzieht. Der Romanheld bringt sie zum Lesen, Schwärmen, Träumen. Und zum Reden. "Er ist immer ein Thema für uns", sagt die vierzehnjährige Sonja. "Er ist so cool und so fesch", meint die gleichaltrige Natasa. "Wir lieben ihn", stellt Annette (15) fest.

Wie den drei Gymnasiastinnen aus Wien geht es Millionen Teenagern weltweit. Sie sind mit dem Lesevirus infiziert, das die Autorin Stephenie Meyer mit ihren vier Twilight -Romanen in Umlauf gebracht hat (siehe Hintergrund). Darin erzählt sie die Geschichte einer großen Liebe. Einer verbotenen Liebe zwischen Bella und Edward, einem Mädchen und einem Vampir. Jedoch weit entfernt von Dracula. Edward ist ein guter Vampir, er nährt sich lediglich vom Blut der Wildtiere.

Der erste Kuss

Wie Edward mit Bella umgeht, fasziniert Mädchen von heute: "Er ist so zärtlich, so beschützend - und er liebt sie wirklich", erklärt Annette.

"Wäre er kein Vampir, gäbe es diese besondere Spannung nicht", sagt Sonja. "Schließlich ist es ein Wagnis, als er sie zum ersten Mal küsst. Da ist er ganz vorsichtig, damit er nicht unversehens zubeißt", ergänzt Natasa.

Diese Mischung macht die Magie von Twilight aus. "In Wirklichkeit steckt das gute alte Märchen drinnen. Es ist der Kampf um Gut und Böse in einer modernen Form verpackt", sagt KURIER-Family-Coach Martina Leibovici-Mühlberger. "Es geht um das geläuterte Böse in Gestalt der guten Vampire. Sie haben sich von der Schattenseite ins Licht begeben. Gleichzeitig sind sie aber trotzdem dazu verdammt, Vampire zu sein und kommen dadurch nicht gänzlich an die Menschen heran."


Das große Opfer

Leibovici Family-Coach Martina Leibovici-MühlbergerIn die Handlung ist alles verwoben, was Teenager anspricht. Die 17-jährige Bella, die in eine neue, dunkle Situation kommt, in der sie bestehen und Ausgrenzung und Unsicherheit überwinden muss. "Sie muss sich wieder in eine Gruppe einbringen. Das ist symbolisch für Pubertierende, die erst in den Kreis der Erwachsenen hineinwachsen müssen", erklärt Leibovici-Mühlberger. "Dazu der junge Mann und Retter. Die allumfassende Liebe, bis zur Selbstaufopferung, bis zur Aufgabe der eigenen Identität. Das ist ein Stoff, der den romantischen Bestrebungen heranwachsender Mädchen besonders entgegenkommt."

Denn Edward beißt nicht zu. Auch dann nicht, als sie ihn darum bittet. Bellas Liebe ist so allumfassend, dass sie bereit ist, auch Vampir zu werden. Für ihn. Und er verzichtet aus reiner Liebe darauf und bringt dieses Opfer. Für sie. Dass Bella und Edward trotz aller Hindernisse und Gefahren ein Liebespaar werden, ist die Krönung der 500-Seiten-Story. Diese gefällt den Mädchen so gut, dass sie "gern an Bellas Stelle wären".

Der alte Mythos

Dass die jungen Leserinnen Vampire so cool finden, führt Leibovici-Mühlberger darauf zurück, dass der Vampir eine ambivalente Gestalt ist. "Seine Anziehung bezieht er daraus, dass er für Endlosigkeit, Zügellosigkeit und sexuelle Freiheit steht. Aber auch für Vernichtung, Tod, Ausgegrenztsein und Unlebendigkeit. Die Vampire im Buch haben das Negative jedoch überwunden."

Weshalb sich Burschen von der Begeisterung nicht so sehr anstecken lassen, erklärt die Psychotherapeutin damit, dass es um zu großes Heldentum geht. "Der Heldenmythos ist zwar nach wie vor gegeben, lässt sich aber in der modernen Gesellschaft relativ schlecht leben. Das hat für Burschen an Attraktivität eingebüßt."

"In meiner Klasse gibt es schon ein paar Buben, die Twilight lesen. Aber viele sind schon genervt, weil wir dauernd darüber reden und von Edward schwärmen", sagt Natasa. "Der geht ihnen schon sehr auf den Geist. Ich glaube, sie sind sogar ein wenig eifersüchtig", vermutet Annette.

Unter den Mädchen gibt es nur wenige, die diese Bücher ablehnen. Sonja: "Wenn man nämlich einmal eines in die Hand bekommt, kann man gar nicht anders als weiterlesen."

INFO:
Nächste Family-Coach-Telefonsprechstunde: Montag, 06.04., 13-15 Uhr. 01/526 57 60.

Artikel vom 04.04.2009 15:29 | KURIER | Ingrid Edelbacher

Freizeit & Gesundheit

Thema: Family-Coach





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