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Pröll: "Die Krise ist bewältigbar"

Die Krise als sozialer Balance-Akt Zum Hauptartikel

Kanzler Werner Faymann widerspricht dem Eindruck, Banken würden bevorzugt werden: "Die zahlen für das Geld."

Werner Faymann Faymann: "Wenn wir auf die Demagogen hören, haben wir verloren" DruckenSendenLeserbrief
Der Weltfinanzgipfel wird kommende Woche versuchen, mit strikten Regulierungen für Finanzinstituten künftige Krisen zu vermeiden. Allerdings scheint der Höhepunkt der jetzigen Malaise noch nicht erreicht zu sein, wenn man die aktuellen Wirtschaftsprognosen betrachtet. Warum Europa, und damit auch Österreich, aber insgesamt besser dasteht als die USA, und wie den "Hetzern" in Zeiten höherer Arbeitslosigkeit Paroli geboten werden kann, erklärt Bundeskanzler Werner Faymann im Interview.

KURIER: Wirtschaftsforscher erwarten eine viel höhere Arbeitslosigkeit als bisher befürchtet. Kann man diesen Abschwung mit technischen Regulierungen beseitigen, oder ist das Ganze nicht doch eine tiefe Systemkrise?
Werner Faymann: Bilanz- und Eigenkapitalregeln, die aus den USA gekommen sind, haben Kunstprodukte in der Finanzwirtschaft gefördert, und damit auch ein künstliches Wachstum. Neue Regulierungen werden dieses Wachstum wieder an die reale Wirtschaft heranführen, und die Spekulation so dauerhaft unterbinden. Es wird manche Kredite der Banken einfach nicht mehr geben können. Das ist eine gesunde Entwicklung, denn die Regeln werden zu einer Reform führen.

Noch einmal: Wird es nach der Krise wieder so werden wie früher?
Wir sind noch verstrickt ins Aufräumen, ins Stoppen der Lawine. Es geht jetzt darum, die soziale Balance zu wahren. Da lauert die größte Gefahr, siehe Frankreich (Unruhen in den Pariser Vorstädten Anm.d.Red. ). Es ist so, dass der von Arbeitslosigkeit bedrohte Kurzarbeiter zur Lösung der Krise mehr beiträgt als die Bonusmanager, die das herbeigeführt haben. Diese Ungerechtigkeit wird durch strikte Regeln für die Finanzwirtschaft endgültig beseitigt.

Die aktuellen Wirtschaftsdaten sind wenig erfreulich. Müsste nicht jetzt endlich die Mindestsicherung eingeführt werden? Zur Rettung der Banken wurden ja auch schnell sehr hohe Milliardenbeträge bereitgestellt. Und der Staat verzichtet bei den Banken auf ein Mitspracherecht, während die Sozialbürokratie haarklein alles prüft. Da entsteht der Eindruck, es wird mit zweierlei Maß gemessen.
Also, das Bankenpaket haben wir schlecht dargestellt: Es kam als eine Art Subvention daher. Aber wir schenken den Banken nichts, die müssen Zinsen zahlen, und nicht wenig. Und wir bewirken damit Kreditvergabe. Wir haben einen Schirm gespannt. Genauso, wie wir für die Spar-Einlagen garantiert haben, das war auch ein Risiko, aber es hat sich bewährt. Jetzt verborgen wir Geld an die Banken, aber wir
bezahlen nicht für die Fehler anderer.

In der politischen Diskussion hört sich das anders an ...
... da sich viele Bürger zu Recht als unschuldige Opfer sehen. Wir dürfen jetzt die sozialen Netze nicht gefährden, und wir müssen damit Vertrauen schaffen. Aber eines ist sicher richtig: Das Match, ob die soziale Marktwirtschaft – mit Betonung auf soziale – oder die Hetzer und Vereinfacher davon profitieren, ist noch nicht entschieden. Misstrauen hilft nur Strache. Wir haben immer noch einen Höchststand an Beschäftigten, und eine Arbeitslosigkeit in dieser Höhe hat es auch unter der schwarz-blauen Regierung gegeben.


Aber das Tempo der Verschlechterung ist beachtlich.
Man muss die positiven Gefühle stärken, dazu gehört, dass wir an unsere Maßnahmen glauben. Wir haben zwei Konjunkturpakete und eine Steuerreform gemacht, weil das Vertrauen in die Kaufkraft mehr bringt als jede Mindestsicherung. Europa und Österreich haben, was die USA nicht haben: Die automatischen Stabilisatoren: Jeder bekommt Arbeitslosengeld, der den Job verliert. Das gibt es in den USA so nicht. Obama hat solche Sicherungen erst in sein Programm einbauen müssen, Wenn wir diese Ausgaben – wie die USA – den Konjunkturprogrammen dazuzählen, wären das für Europa zusätzlich 200 Milliarden. Darauf können wir stolz sein. Niemand muss bei uns Angst haben.

Diese Ausgaben tragen allerdings viel dazu bei, dass das Budgetdefizit heuer und nächstes Jahr deutlich steigt.
Auch hier müssen wir die richtige Balance finden. Wir zahlen jetzt ein Prozent höhere Zinsen für die Staatsschuld als die Deutschen, obwohl wir bessere Daten haben. Das ist ungerecht, und entstand aus dem Ost-Risiko. Diese Belastung darf nicht dazu führen, dass der Regierung der Atem genommen wird. Wir werden die sozialen Netze weiter finanzieren, daher darf das Budget insgesamt nicht aus dem Ruder laufen. Alles, was diese Stabilität gefährden würde, findet nicht meine Zustimmung.

Obama schafft es aber trotz der größten Krise seit 1945, den Amerikanern Zuversicht zu geben. Warum klappt das nicht bei uns, wo statt dessen extreme Politiker Zulauf haben?
Es geht jetzt nicht um große Reden. Falsches Marketing à la Strache kann man sich sparen. Wer verspricht, dass die Arbeitslosigkeit heuer noch sinkt – noch dazu mit fadenscheinigen Argumenten – weiß nicht, was er sagt. Aber die Menschen müssen sehen, dass wir auf ihrer Seite stehen. Wenn wir allerdings beginnen, auf die Demagogen zu hören, haben wir verloren.

Artikel vom 27.03.2009 18:07 | KURIER | Reinhard Göweil

Geld & Wirtschaft

Thema: Finanzkrise



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