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Keine Schokolade für Vampire

KURIER-Serie zur Europa-Wahl, Teil 6: Obwohl Lebensmittel besser gekennzeichnet werden, sorgt das Thema Pestizide für Diskussionen.

Birgit Beck Birgit Beck prüft Lebensmittelkennzeichnungen: "Sie sind noch lange nicht perfekt". DruckenSendenLeserbrief
Die "Blutschokolade" (vor der EU-Gegner warnten) kam nicht, auch Schildläuse krabbeln keine im Joghurt: "Durch die EU ist die Qualität der Lebensmittel nicht schlechter geworden, aber der Konsument muss sich mehr Zeit zur Orientierung nehmen", sagt Ernährungswissenschaftlerin Birgit Beck vom Verein für Konsumenteninformation (VKI).

KURIER: Was hat sich punkto Ernährung seit dem EU-Beitritt geändert?

Birgit Beck: Die Schutzphilosophie war früher in Österreich anders: Man ging von einem 'flüchtigen' Verbraucher aus. Deshalb hat ein strenges Lebensmittelgesetz genau festgelegt, wie einzelne Produkte - vom Fruchtjoghurt bis zur Knackwurst - zusammengesetzt sein müssen. Die EU hingegen geht von einem Verbraucher aus, der sich bewusst informiert und aus dem größeren Angebot gezielt auswählt. Sie regelt nicht mehr, welche Zutaten in der Wurst enthalten sein müssen - weil sich das von Land zu Land unterscheidet -, sondern sie gibt vor allem Auflagen vor, die alle Lebensmittel betreffen: Etwa punkto Hygiene oder Kennzeichnung.

Wie hat sich das ausgewirkt?

Bei der Kennzeichnung hat sich vieles verbessert - auch wenn sie noch lange nicht perfekt ist (siehe re.) Früher mussten von zusammengesetzten Zutaten, die weniger als 25 Prozent des Endproduktes ausgemacht haben, die Bestandteile nicht angegeben werden, heute schon. Sobald ich mit Bild oder Wort auf einen Inhaltsstoff hinweise - also etwa Rindsgulasch - muss der Anteil angegeben sein. Auch viele allergieauslösende Substanzen müssen deklariert werden.

Ist dafür aber nicht die Zahl der Zusatz- und Farbstoffe größer?
Ja, aber das kann man nicht nur der EU in die Schuhe schieben: Es haben sich die Ernährungsgewohnheiten verändert. Viele Light-Produkte können nicht ohne Aromen, Farbstoffe und Verdickungsmittel hergestellt werden. Es gibt aber Zusatzstoffe, wo ich mir von den EU-Behörden mehr Mut erwarten würde, dass sie vom Markt genommen werden bzw. zumindest aus allen Lebensmitteln, die Kinder essen und trinken.

Welche Stoffe sind das?
Das sind mehrere synthetische Azo-Farbstoffe wie etwa das früher in Österreich verbotene Tartrazin (E 102). Diese stehen im Verdacht, Hyperaktivität zu begünstigen oder allergische Reaktionen auszulösen. Hier sollte man nicht warten, bis endgültige Beweise vorliegen, sondern das Vorsorgeprinzip anwenden - zumal diese Farbstoffe entbehrlich sind. Umgekehrt muss man Panikmache zurückweisen - etwa Behauptungen, wonach viele Zusatzstoffe krebserregend sind. Das stimmt nicht.

Ein Dauerthema sind Pestizide. Ist die EU zu industriefreundlich?
Die EU hat vor Kurzem - teilweise aber mit langen Übergangsfristen - 22 Pestizide verboten. Auch etliche Grenzwerte wurden gesenkt, andere dafür angehoben, was wir sehr kritisch sehen. Nach wie vor gibt es - etwa bei Paprika - das Problem, dass, wenn auch meist nur in geringer Dosis, Rückstände einer Vielzahl von Pestiziden nachgewiesen werden können. Hier sollte ein Summengrenzwert eingeführt werden.

Gibt es noch etwas Positives?
Ja, Vermarktungsnormen für Obst und Gemüse werden abgeschafft. Die Regelung zur Gurkenkrümmung ist damit Geschichte.


Artikel vom 05.04.2009 19:12 | KURIER | Ernst Mauritz

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Thema: Europa



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