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Der Spion, der sitzen musste

Karl-Erwin Lichtenecker lieferte Infos an tschechoslowakische Agenten. Im Gegensatz zu Zilk wurde er dafür verurteilt.

Karl-Erwin Lichtenecker Als Karl-Erwin Lichtenecker am 26. Februar 1971 verhaftet wurde, war der Spionage-Fall Blatt-Aufmacher des KURIER. DruckenSendenLeserbrief
Helmut Zilk gab Informationen an den tschechoslowakischen Geheimdienst weiter. Dafür erhielt er Geld, Geschenke und böhmische Luster. Konsequenzen gab es keine.
Karl-Erwin Lichtenecker gab ebenfalls Informationen an den tschechoslowakischen Geheimdienst weiter. Auch er bekam Geld. Für ihn gab es aber Konsequenzen: Im September 1971 wurde der Mitarbeiter des Kanzleramts wegen Spionage zu zehn Monaten Haft verurteilt.

Für den Historiker und Leiter des Grazer Spionage-Forschungsinstituts ACIPPS, Siegfried Beer, sind die zwei Fälle sehr ähnlich. "Beide haben sich nach damaligem Recht der Spionage schuldig gemacht." Mit dem Unterschied, dass Lichtenecker dafür bestraft wurde.

Was denkt der Spion, der sitzen musste, über den Fall Zilk, der in den vergangenen Wochen für so viel Aufregung gesorgt hat? Findet er es ungerecht, dass er ins Gefängnis musste? Und wie kam er überhaupt dazu, für ČSSR-Agenten zu arbeiten?
Der KURIER spürte den fast 80-Jährigen auf und bat ihn zum Gespräch.

Rückblende

KURIER, 26. Februar 1971 Lichtenecker sitzt im Garten seines Wiener Einfamilienhauses, zündet sich eine filterlose tschechische Zigarette an - und beginnt zu erzählen.
Ausgangspunkt ist das Jahr 1964, in Europa tobt der Kalte Krieg. Lichtenecker arbeitet im Bundespressedienst. Über einen gemeinsamen Freund lernt er Miroslav Janku kennen, den Kultur-Attaché der ČSSR-Botschaft in Wien. In die Tschechoslowakei hat Lichtenecker bereits Kontakte. Er übersetzt in Prag für eine staatliche Gesellschaft Bücher vom Deutschen ins Englische, hat ein Dienst-Visum. "Ich wurde nicht kontrolliert, konnte über die Grenze nehmen, was ich wollte." Für einen anderen Bekannten, der in der ČSSR im katholischen Untergrund engagiert ist, schmuggelt er dieses und jenes.

Im Jahr 1966 wird Janku nach Prag in die Wirtschaftsabteilung des Außenamts versetzt. "In der neuen Abteilung ging es ihm schlecht", erinnert sich Lichtenecker. "Er hat gesagt: ,Schreib, wenn du etwas über die EFTA hörst.'" Die EFTA ist eine westeuropäische Handelsorganisation, der damals Österreich angehört. Lichtenecker hat nicht direkt mit der EFTA zu tun, liefert Janku aber, was er kann: "Zu einem Großteil hab' ich die Zeitungsartikel abgeschrieben und das mit meinem Wissen und Tratsch kombiniert."

Lichtenecker vermutet damals, dass Janku für den Geheimdienst arbeitet. Aber: "Mirek war mein Freund, ich wollte ihm helfen. Ich habe mir gedacht, solange ich ihm nichts Geheimes gebe, richte ich keinen Schaden an."


Abenteuer

Die Geheimdienstarbeit fasziniert Lichtenecker. Die beiden kommunizieren über Codes, Treffen arrangieren sie mit Postkarten. "Da stand dann drauf, ,Tante Jolesch ist krank und liegt dort oder dort im Krankenhaus'. Das war die Angabe für den Treffpunkt", erklärt Lichtenecker.

Janku gibt ihm eine Aktentasche mit Geheimfach - "wenn du was wirklich Wichtiges hast". Die verwendet der Beamte aber ebenso wenig wie einen toten Briefkasten im Wiener Wald oder eine Baumhöhle für Nachrichten.

Wie wird Lichtenecker belohnt? "Meine Bezahlung war das Abenteuer." Janku gibt ihm auch Geld. Laut Lichtenecker waren es kleine Beträge - nicht für die Informationen. "Er hat für mich in Prag bezahlt, ich für ihn in Wien. So mussten wir nicht so viel Geld über die Grenze bringen und haben Wechselspesen gespart."

Falscher Pass

Karl-Erwin Lichtenecker 1967 unterbricht Lichtenecker den Kontakt mit Janku. Dieser verlangt von ihm Dokumente für einen falschen Pass - dem Wiener wird es zu heikel. Da passt es, dass er für zwei Jahre als Gastprofessor an eine US-Uni gehen kann. 1969 kommt er zurück in den Bundespressedienst - Janku drängt ihn, die Zusammenarbeit wieder aufzunehmen.

Es gibt noch kurz Kontakt, dann setzt Lichtenecker dem Ganzen ein Ende. Zu spät.
Am 26. Februar 1971 kommt er in sein Büro im Kanzleramt - dort warten "zwei dicke, unsympathische Staatspolizisten". Die beiden nehmen ihn fest und bringen ihn über einen unterirdischen Gang ins Innenministerium. Lichtenecker wird drei Tage verhört, sitzt sieben Monate in U-Haft, fünf davon in Einzelhaft. Er ist kein Einzelfall. Hunderte Österreicher werden damals der Spionage verdächtigt, viele angeklagt.

Im September 1971 wird Lichtenecker nach § 17 Staatsschutzgesetz wegen Spionage verurteilt. Die Strafe: "Zehn Monate strenger Arrest, verschärft durch einen Fasttag und ein hartes Lager monatlich."

Für Historiker Beer war Lichteneckers Verurteilung gerechtfertigt. "Schon die Verbindung mit einem ausländischen Geheimdienst war ein Straftatbestand" - damals unabhängig vom Schaden für Österreich.

Vergleich

Laut Beer hätte auch Zilk verurteilt werden können: "Er lieferte ähnliche Infos, aber mehr und längere Zeit. Dafür erhielt er deutlich mehr Bezahlung. Bei einer Anklage hätte Zilk ins Gefängnis gehen müssen."

Lichtenecker fühlt sich "vom Staat nicht gerecht behandelt, vom Schicksal schon". Zu Zilk sieht er viele Parallelen - und einen Unterschied im Detail: "Ich hab' mir meinen Luster in der ČSSR selbst gekauft. Dafür war er auch nicht so schön wie der vom Zilk."



Artikel vom 11.04.2009 10:15 | KURIER | Nicholas Bukovec, Philipp Hacker

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Thema: Affäre Zilk



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