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"Die Flippigen trifft es härter"

KURIER-Serie zur Europa-Wahl, Teil 7: Mode-Unternehmer Florian Jonak über die Auswirkungen der EU auf seine Branche und seine Strategie der Krise zu trotzen.

Armani am Kohlmarkt Das Familienunternehmen Jonak betreibt Luxusboutiquen wie Armani. DruckenSendenLeserbrief
Die Firma Jonak ist seit 75 Jahren im Couture-Business tätig. Als größter Franchise-Nehmer Österreichs, betreibt das Familienunternehmen die Luxusboutiquen Armani, Versace, Hermès, Dolce & Gabbana und Ferré in Wien.

KURIER: Was hat sich im High-End-Modegeschäft durch den EU-Beitritt verändert?
Florian Jonak: Ich bin ein großer Befürworter der EU. Durch den Beitritt ist vieles erst möglich geworden. Vor 25 Jahren sind wir mit den Koffern nach Venedig gefahren, haben die Ware geholt und an der Grenze selbst verzollt.

Welche sind die nachhaltigsten Veränderungen?
Früher waren wir von Währungsspekulationen extrem abhängig. So wie es momentan in Russland der Fall ist. Man kauft die Kollektion ein halbes Jahr vor der Auslieferung. Seit der EU haben wir dieses Problem nicht mehr, der Euro ist eine starke Währung. Es gibt harmonisierte Preise in Europa, die Häuser geben Kalkulationsempfehlungen. Als Händler ist man gut beraten, sich daran zu halten. Die Märkte haben sich liberalisiert.

Neue Märkte

Florian Jonak Florian JonakWie hat sich die Luxusbranche entwickelt?
Der Wachstumsschub hat in den Achtzigerjahren begonnen und ist in den Neunzigern explodiert. Neue Märkte wie Russland, der Nahe Osten, China und Indien haben das ausgelöst. Es gab unzählige Fusionen. Flagship-Stores schossen aus dem Boden, um die Marken zu positionieren. Es gab bombastische Umsatzentwicklungen.

War das in Österreich ähnlich?
Hier hatten wir einen eher gesättigten Markt und stabiles Wachstum. Darum können wir mit der momentanen Situation besser umgehen.

Wie hat sich die Internationalisierung im Besonderen am Kohlmarkt ausgewirkt?
Vor sechs Jahren haben wir noch gegen die Abwanderung in die Shoppingcenter gekämpft. Die Innenstadt hat durch hohe Investitionen der Geschäftstreibenden stark profitiert. Der Kampf ist durch internationale Mitbewerber härter geworden, aber insgesamt ist die Entwicklung sehr positiv.


Fortschritt durch EU

Ist Wien im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig geblieben?
Ja, durchaus. Wir haben eine Vielfalt an Hotels, Spitzengastronomie, Kultur und Shopping. Touristen schätzen das beachtliche Angebot. Die Stadtentwicklung wäre ohne EU-Beitritt wesentlich langsamer vorangeschritten.

Was passiert mit kleinen Geschäften und den Kreativbranchen, die für das Flair einer Stadt auch maßgeblich sind?
Dass die Kreativen nicht die hohen Mieten zahlen können, ist evident. In Mailand, auf der Via Napoleone, wechseln die Marken oft alle sechs Monate, man findet dort immer neue Läden. In Wien haben sich, wie in anderen Großstädten, neue Randlagen etabliert. Wenn man in Paris durch die Gassen mit den kleinen Antik-Läden und Boutiquen geht, ist das ja auch schön.

Spüren sie eine neue Zurückhaltung?
Luxus im gehobenen Segment unterliegt nicht so stark der Konjunktur wie andere modische Produkte. Ein Phänomen, das durchaus erklärbar ist. Wohlhabende Menschen haben Geldreserven, wollen sich in puncto Garderobe nicht einschränken. Es gibt keinen Grund, sich keine neue Hose oder Tasche zu kaufen. Im Gegenteil - Kleider machen Leute, man ist bereit, Geld auszugeben, um zu zeigen, dass man noch eines hat.

Welche Labels gehen in Zeiten wie diesen am besten?
"Ich kauf mir weniger, aber das in guter Qualität", lautet der allgemeine Tenor.
Die großen traditionellen Marken haben strategisch expandiert - nicht so schnell wie viele andere. Umso langsamer das Engagement in den neuen Märkten war, umso besser hat man es jetzt. Allerdings haben sie davor auch weniger verdient. Hermès ist in den guten Zeiten nicht überdimensional gewachsen, hatte aber im letzten Quartal einen Zuwachs von sieben, acht Prozent. Die Flippigen trifft es härter, aber die sind vorher auch höher geflogen.

Nähe zum Kunden

Wie ist die Strategie Ihres Unternehmens, der Krise zu trotzen?
Wir versuchen immer, nahe am Kunden zu sein. In schlechten Zeiten muss man noch näher heranrücken.

Wie macht man das?
Jahrzehntelange Aufbauarbeit - die wichtigsten Instrumente sind die Kundenkartei und ein perfektes Service. Ein Kunde, der in unserer Preisklasse kauft, achtet auf diese Dinge. Wir betreiben eine eigene Änderungsschneiderei. Alles Gründe, warum ein Geschäft stabil bleibt.

Richtet sich das Angebot nach der Nachfrage oder umgekehrt?
Die Nachfrage bestimmt das Angebot, aber um eine Nachfrage zu erhalten, muss sich das Angebot verändern. Wobei Sie diese Antwort von einem Designer oder Modehaus nie hören werden. Die Firmen müssen drauf achten, dass sie nicht am Markt vorbei produzieren.

Artikel vom 14.04.2009 11:24 | KURIER | Nicole Adler

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Thema: Europa



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