25.08.2008
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Banken unter Druck
Steuerskandal stoppt Liechtensteiner Boom
Nach jahrelangem Boom stagniert das Geschäft im Finanzzentrum Liechtenstein. Der Steuerskandal hat Anleger verschreckt.
Von Gerd Zitzelsberger
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Die Liechtensteiner Steueraffäre hat den jahrelangen Finanzboom im Fürstentum jäh gestoppt. Selbst bei steuerehrlicher Geldanlage ist das bislang sprudelnde Wachstum zum Stillstand gekommen, zeigen Halbjahres-Zahlen der Finanzmarktaufsicht FMA, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen. Wie es bei den Stiftungen, die als Hort des Schwarzgeldes gelten, aussieht, weiß selbst die FMA nicht recht. Das dort versteckte Vermögen gilt als Staatsgeheimnis. FMA-Chef Mario Gassner gibt sich dennoch zufrieden: "Der Markt als Ganzes ist in etwa stabil, ein Abzug von Vermögen in größerem Stil ist nicht festzustellen." Nach seiner Interpretation der Zahlen haben die internationalen Anleger das Vertrauen in den Finanzplatz nicht verloren, obwohl nun dreimal innerhalb von wenigen Jahren vertrauliche Daten über - oftmals steuersündige - Auslandskunden ihren Weg zu deutschen oder etwa amerikanischen Behörden gefunden haben. Vergangene ErfolgeSpektakulär war im Fürstentum in den vergangenen Jahren vor allem der Versicherungsboom: Lebensversicherungen nach Liechtensteiner Recht gelten weithin als legales Steuersparmodell. Vor allem Italiener und Deutsche setzten zunehmend auf die Form der Geldanlage. Von 1998 bis Ende 2007 stieg das Kundenvermögen, das die Versicherungsunternehmen des 35.000-Einwohner-Ländchens verwalten, von beinahe Null auf umgerechnet 13,2 Milliarden Euro. Doch der Steuerskandal um im Fürstentum versteckte Schwarzgeld-Milliarden ließ offenbar selbst bei steuerehrlichem Geld die Anleger vorsichtiger werden: Nach den FMA-Zahlen erhöhte sich das Kundenvermögen im ersten Halbjahr nur um 2,3 Prozent auf 13,5 Milliarden Euro. Offen bleibt dabei, inwieweit die Stagnation auf ein schwaches Neugeschäft zurückgeht oder ob sich darin der Rückgang der Kurse im ersten Halbjahr widerspiegelt. Denn bei den 50 größten europäischen Aktien etwa rutschten die Kurse im Schnitt um 21 Prozent ab. In früheren Jahren allerdings war der Geldzufluss so groß, dass er noch schärfere Kursrückgänge übertünchte. Panik unter SteuersündernEinen ähnlichen Boom wie die Lebensversicherer verzeichneten in den vergangenen zehn Jahren die Investmentgesellschaften nach Liechtensteiner Recht. Zu Jahresbeginn verwalteten sie Kundenvermögen in Höhe von 18,9 Milliarden Euro. Als mit einem Paukenschlag Mitte Februar bekannt wurde, dass der deutsche Fiskus Hunderte von gestohlenen Kundendaten aufgekauft hatte, scheint es zu einer Panik unter Steuersündern gekommen zu sein. Das Vermögen der Liechtenstein-Fonds schrumpfte bis Ende März um zwei Milliarden oder neun Prozent. Per Ende Juni allerdings belief sich der Rückgang gegenüber dem Jahresbeginn nur noch auf knapp 600 Millionen Euro.
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Erstmals seit 2004 müssen auch die 15 Liechtensteiner Banken einen Wachstumsknick hinnehmen. In den vergangenen drei Jahren hatten sich die von ihnen verwalteten Kundenvermögen - ohne das Geld, das sie außerhalb des Fürstentums verwalten - um 50 Prozent auf umgerechnet 95 Milliarden Euro erhöht. Epizentrum des SkandalsDoch per 31. März, also zwei Wochen nach dem Paukenschlag, lag der Wert um 2,2 Milliarden Euro niedriger. Daran hat sich auch bis zu Beginn der zweiten Halbjahres nichts geändert. Nimmt man die LGT Group zum Maßstab, die größte Bank des Ländchens und quasi Epizentrum des Skandals, dann haben sowohl Fluchtbewegungen von Steuersündern und der Ansehensverlust als auch der Rückgang der Aktienkurse zum Schrumpfen der Kundenvermögen beigetragen. Sie hat jetzt eingestanden, dass der Neugeld-Zufluss beinahe versiegt ist. Im ersten Halbjahr 2007 hatte sie per saldo 3,8 Milliarden Euro verbucht, im ersten Halbjahr 2008 kamen weniger als 200 Millionen Euro zusammen. Das Geschäft im Bereich Stiftungen, das traditionelle Herzstück des Finanzplatzes Liechtenstein, kann die FMA nur auf Basis von halbprivaten Gesprächen mit Treuhändern beurteilen. Denn Berichtspflichten der Treuhänder wie bei Banken und Versicherungen gibt es nicht, und die Gelder der Stiftungen liegen oft in Drittstaaten. "Die einen Treuhänder sagen, der Markt ist schwierig, die anderen sprechen von einem stabilen Geschäft. Insgesamt scheint sich der Bereich nach der Stagnation im Frühjahr jetzt wieder zu erholen", heißt es bei der FMA. Die Behörde, die nicht der Regierung, sondern dem Liechtensteiner Parlament unterstellt ist, kritisiert selbst die Geheimniskrämerei um die Stiftungen: "Transparenz ist das Gebot der Stunde", sagte Gassner; er plädiert für eine laufende Aufsicht über die Treuhänder. LGT-Bank im VisierGegenwärtig mache die FMA bei den Treuhändern nur Stichprobenkontrollen, ob sie die Vorschriften gegen Geldwäsche einhalten. In einem Fall, bei der Treuhandgesellschaft New Haven, aber hat sie jetzt eine Untersuchung begonnen. Einer ihrer zwei Direktoren namens Mario Staggl wird von der US-Staatsanwaltschaft wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung und anderer Delikte gesucht. Mit Hilfe von Wirtschaftsprüfern nimmt die FMA daneben die LGT-Bank unter die Lupe. Auch in diesem Fall sind Vorwürfe aus den USA der Auslöser. Dass es sich bei den Untersuchungen um Augenwischerei handelt, bestreit die Behörde: "Wir beaufsichtigen den Markt nach internationalen Standards, Liechtenstein muss sich auf Augenhöhe mit anderen Finanzplätzen bewegen", betont Gassner. Doch der Frage, ob Beihilfe zur Steuerhinterziehung in großem Stil mit ordentlichem Geschäftsgebaren zu vereinbaren ist, weicht er aus: "Die Beihilfe zu verbieten, fällt nicht in unseren Bereich."
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