Außerdem findet man auf der Homepage der Kommission die im deutschsprachigen Bereich wohl beste kleine Linksammlung zur Handschriftenforschung vor, darunter natürlich auch der unvermeidliche Link zur entsprechenden Rubrik von Labyrinth.
Die Universitätsbibliothek Graz hat nicht nur damit begonnen, ihre gesamten
Handschriftenkataloge über das Internet zugänglich zu machen, sondern ist
bereits ein gutes Stück vorangekommen. Hier ist eine
Volltextsuche
vorhanden, über die man Informationen in den mehr als
1600 Katalogisaten finden kann.
Nach dem Login wählt man die Datenbank "Handschriften des Mittelalters". Man findet sich besser zurecht als mit der Vorgängerversion. Es gibt auf einer eigenen Seite Suchtips auf englisch (z.B. Umlaute auflösen!, Rechtstrunkierung mit ?).
Ich gebe einige einfache Beispiele:
Wer in das Eingabefeld
Ausgabebeispiel:
IN: Die vier fursten reichs: herczog von Schwaben
BI: München, SB, Cgm, Kat. 5.5
CO: Cgm 696
FO: Nr. 4d
QU: SCHNEIDER, Karin: Die deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek Muenchen : Cgm 691-867. - Editio altera. - Wiesbaden :
Harrassowitz, 1984. - (Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Monacensis ; T. 5, Ps. 5)
[Es handelt sich, wie jedem Kundigen klar sein dürfte, um einen Quaternionentext.]
Ausgegeben wurden hier: Incipit, Bibliothek, Codex und laufende Nummer innerhalb
der gedruckten Beschreibung (sonst meist eine Blattangabe) sowie die
Quelle, der Handschriftenkatalog.
Die gleiche Suche liefert übrigens auch einen willkommenen Beleg zum Thema regionale Identität, nämlich daß der heilige Ulrich als Schwabenheiliger galt: In einer Trierer Handschrift (um 1490) nennt ihn ein Gebet schinbares gestiren der Schwaben.
Die "Handschriften des Mittelalters" sind ein Nachweis über die Inhalte von Handschriften vornehmlich deutscher Bibliotheken vom frühen Mittelalter bis zur frühen Neuzeit. Die Hauptquelle der Daten bilden die Register der von der DFG geförderten gedruckten Kataloge mittelalterlichen Handschriften (ausgehend vom "Gesamtindex zu den seit 1945 erschienenen Handschriftenkatalogen", siehe Besprechung der Mikroficheausgabe in den IFB und des vergleichbaren Unternehmens in Frankreich ebenda ), ergänzt durch Bestände des Handschriftenarchivs der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (zu dieser Sammlung von Handschriftenbeschreibungen liegt im Internet eine knappe Erläuterung auf der Seite der DTM vor).
Die Beschreibungen des Handschriftenarchivs enthalten oft wertvolle Informationen
über nicht von gedruckten Katalogen erschlossene Bibliotheken. So gibt die Eingabe
In der Datenbank kann nach allen Inhalten gesucht werden, die in Form von
Registereinträgen (Kreuzregister: Namen, Sachen, Provenienzen usw.;
Incipit-Register) vorliegen. Man findet also beispielsweise mit
Einem Freund konnte die Nützlichkeit der Datenbank dadurch schlagend bewiesen werden, daß über die Eingabe
Es sind auch komplexere Recherchen möglich, etwa die Verknüpfung eines gefundenen Incipit mit den dazugehörigen Kreuzregistereinträgen: Eingabe von cgm 699 in Verbindung mit co: und im zweiten Term von 4 in Verbindung mit fo: oder alternativ von
Fazit: Die Datenbank ist aufgrund ihres großen Umfangs und (relativ) einfacher
Handhabung nicht nur etwas für Handschriftenfachleute, sondern kann sogar
Einsteigern empfohlen werden, die noch kaum mit Handschriftenkatalogen gearbeitet haben.
Der Germanist Erich Kleinschmidt hatte in einem umfangreichen Kollektaneenband des bekannten Historikers Wilhelm Werner von Zimmern aus der Mitte des 16. Jahrhunderts eine höchst bemerkenswerte lateinische Exemplasammlung entdeckt, die er dem Prior Rudolf des Dominikanerklosters Schlettstadt zuschrieb. Er publizierte den Text 1974 unter dem Titel "Historiae memorabiles". Es handelt sich um frühe Belege für den Teufels- und Dämonenglauben, die durch die Aufzeichnung von Liedern (mit Melodienotation), die angeblich von Geistern gesungen wurden, sogar einzigartigen Charakter haben (so Kleinschmidt zusammenfassend im neuen Verfasserlexikon Bd. 8, Sp. 370). Kurz: "eine kulturgeschichtliche Quelle ersten Ranges" (Johannes Grabmayer, Rudolf von Schlettstadt und das aschkenasische Judentum um 1300, in: Aschkenas 4, 1994, S. 301-336, hier S. 334).
Heute befindet sich die ehemals Donaueschinger Handschrift 704, der Kleinschmidt den Text entnahm, in der Obhut der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart und ist von Felix Heinzer im 1993 erschienenen Katalog "Unberechenbare Zinsen" als Nr. 44 kurz beschrieben worden.
Ein Vergleich der Ausgabe Kleinschmidts mit den Datenbankeinträgen erweist den Sigmaringer Cod. 64 eindeutig als bislang unbekannte zweite Überlieferung der Exemplasammlung des Rudolf von Schlettstadt. Was es mit dieser "Entdeckung am Bildschirm" auf sich hat, wird hoffentlich bald von anderer Seite geklärt werden. Dies betrifft natürlich vor allem die nur durch Einsichtnahme in die Handschrift zu beantwortende spannende Frage, ob die Sigmaringer Handschrift bloß eine Abschrift der Zimmern-Kopie ist oder ob ihr eigener textkritischer Wert zukommt.
Nachtrag Ende November 1997: Inzwischen hat Felix Heinzer (Stuttgart) die Handschrift eingesehen und in einen in Wolfenbüttel gehaltenen Vortrag den nun folgenden Kurzbericht eingebaut. Aus ihm (mitgeteilt per e-mail vom 22.11.1997) geht hervor, daß es sich bei dem Handschriftenfund doch um eine geradezu sensationelle Entdeckung handelt:
Erich Kleinschmidt konnte keine weiteren Textzeugen dieser Sammlung außerhalb von Cod. Don. 704 (im folgenden D) nachweisen (op. cit. S. 6). Diese Situation hat sich nun nachhaltig verändert dank dem Spürsinn von Dr. Klaus Graf (Koblenz und Freiburg i. Br.). Dieser war bei Recherchen im Gesamtindex mittelalterlicher Handschriftenkataloge der Bundesrepublik Deutschland auf einige Hinweise gestoßen, die den Verdacht nahelegten, die bisher praktisch unbeachtete Hs. 64 der Fürstlich Hohenzollerischen Hofbibliothek in Sigmaringen (im folgenden S) könnte ebenfalls Material aus der Sammlung des Schlettstädter Dominikanerpriors enthalten. Bei der Autopsie, die ich Klaus Grafs freundlichem Hinweis folgend unternahm, zeigte sich rasch, daß Grafs Verdacht mehr als nur begründet war: Der inhaltlich homogene Sammelband enthält Geschichten, deren Thematik man am besten mit dem Stichwort des Unheimlichen und Skurrilen, oft Schockierenden umschreiben könnte und deren Personal sich fast durchweg aus der Welt der Dämonen und Geister, Hexen und Zauberer, Räuber und Dieben und sonstigen, fürchterlichsten Strafen unterworfenen Frevlern rekrutiert, und die sich natürlich auch in dem Arsenal der in solchem Kontext offenbar unvermeidlichen antisemitischen Schauergeschichten bedient. Der Codex - übrigens ein weiteres, bisher völlig unbekanntes Autograph Wilhelm Werners von Zimmern! - enthält in der Tat praktisch sämtliche der in Don. 704 überlieferten Texte, die mit Rudolf von Schlettstadt in Verbindung gebracht worden sind (S 178r-191r = Kleinschmidt, Nr. 1, 4, 2, 3, 5-7, 9-11, 16, 12-15 [D 198r-206r]; S 63r- 86r = Kleinschmidt, Nr. 17, 23, 18-22, 24-32, 34, 35-45, 47-52, 54, 56, 53; S 31v = Kleinschmidt, Nr. 46, und darüber hinaus eine weitere Anzahl von Texten (3r-8r und 108r-158v), die höchstwahrscheinlich ebenfalls Rudolf von Schlettstadt zugeschrieben werden können. S erweitert also, wenn nicht alles täuscht, die Überlieferungslage der "Historiae memorabiles" in ganz erheblichem Maße. Eine detailliertere Untersuchung der Handschrift, deren jüngstes datiertes Teilstück ins Jahr 1565 zu datieren ist, kann im Rahmen dieser Arbeit allerdings noch nicht geleistet werden.
Nachtrag Ende August 1998: Stephan Georges (Freiburg) hat in seiner Hausarbeit "Der Sigmaringer Codex 64: Eine Zweitüberlieferung Rudolfs von Schlettstadt. Erste Untersuchungsergebnisse" neue Erkenntnisse gewonnen und im Anhang 12 ungedruckte Geschichten ediert. Wichtigstes Ergebnis: Die Verfasserzuschreibung an Rudolf von Schlettstadt ist nicht haltbar. Georges wird das Thema als Magisterarbeit weiterverfolgen.
Jedenfalls sollte dieser kleine Fundbericht die Berlin-Brandenburgische Akademie ermuntern, zügig mit der weiteren Erschließung der Schätze des Handschriftenarchivs fortzufahren.
Aktualisiert: 1.9.1998
seit 30.9.1998
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