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24.09.2004    11:32 Uhr Drucken  |  Versenden  |  Kontakt
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Diskussion über Lernmittelfreiheit

Aufruf zum Protest

Mit einem Volksbegehren möchte die bayerische SPD durchsetzen, dass Schulbücher weiterhin kostenlos verliehen werden. Die Resonanz sei groß, heißt es in der Landtagsfraktion. Von Sebastian Bräuer.

 
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Die bayerische Landtagsfraktion der SPD hat schnell auf die Ankündigung der CSU reagiert, die Lernmittelfreiheit abzuschaffen: Fraktionschef Franz Maget plant ein landesweites Volksbegehren gegen die Pläne der Regierung, falls der parlamentarische Widerstand gegen die Gesetzesänderung scheitert - was angesichts der Zweidrittel-Mehrheit der CSU im Landtag wahrscheinlich ist.



» Schon rufen Leute an und fragen, wo sie unterschreiben können. «

Michael Langer, SPD

"Schon rufen dutzende Leute an und fragen, wo sie unterschreiben können", berichtet Pressesprecher Michael Langer. Er kann die Aufregung verstehen: "Es ist ein sehr emotionales Thema."

Ganz so schnell geht es allerdings nicht: Erst muss das Gesetz, gegen das protestiert werden soll, verabschiedet sein. Danach fordert das bayerische Landesgesetz 25.000 Unterschriften für den Antrag. Erst dann gilt es als offzielles Volksbegehren und wird in den Rathäusern ausgelegt. Es ist rechtsgültig, wenn ihm innerhalb einer bestimmten Frist zehn Prozent aller Wahlberechtigten zustimmen.

Maget möchte den Versuch, auf diesem Wege gegen das Gesetz vorzugehen, im Frühjahr 2005 starten - rechtzeitig für das Schuljahr 2005/2006. "Unser Vorhaben ist erfolgsversprechend, weil in den Schulen Vieles nicht stimmt", sagt er. Schon jetzt müssten Eltern für Schulmaterial, Ausflüge, Kopiergeld und Ähnliches 900 Euro pro Jahr zahlen. "Es ist nicht zumutbar, dass die Eltern jetzt auch noch für die Lernmittel aufkommen müssen", sagt Maget.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende vermutet bundespolitische Gründe für den Vorstoß: "Im Vorfeld der Bundestagswahlen 2006 möchte sich Edmund Stoiber als einziger Reformpolitiker präsentieren, der wirklich etwas durchgesetzt hat."

"Die Horrorzahlen sind falsch"

Unterdessen verteidigt die CSU den Plan, dass die Eltern die Schulbücher ihrer Kinder ab sofort selbst kaufen müssen. Pressesprecher Oliver Platzer verweist auf die neu eingestellten Lehrer: "Unter dem Strich wird nicht an der Bildung gespart." Schließlich gehe es bei der Abschaffung der Lernmittelfreiheit im kommenden Jahr nur um sieben Millionen Euro.

Im übernächsten Jahr würde das Land nach Angaben Platzers dann immerhin 17 Millionen sparen. Trotzdem sei davon auszugehen, dass der Bildungshaushalt auch in den kommenden beiden Jahren insgesamt steigen werde.

"Wir haben die besseren Argumente", sagt Platzer in Bezug auf das Volksbegehren, das mit einer Niederlage für die CSU enden könnte. In anderen Ländern habe sich gezeigt, dass Schüler sorgsamer mit ihren Büchern umgehen, wenn sie ihnen selbst gehören.

Im nächsten Schuljahr könnten sie sie dann weiterverkaufen. "Die Horrorzahlen der SPD, nach denen ein Neuntklässler pro Jahr mehr als 300 Euro für Bücher ausgeben müsse, sind falsch."

In zwei Wochen möchte Kultusministerin Monika Hohlmeier über Details der Sparmaßnahme informieren. Allerdings zeichnet sich bereits ab, dass die CSU Härtefälle vermeiden möchte. So müssten kinderreiche Familien ab dem dritten Kind voraussichtlich nicht mehr für die Bücher zahlen. Hohlmeier kündigt eine "starke soziale Komponente" an.

Breiter Widerstand

Solche Zugeständnisse können die erregten Gemüter jedoch nicht mehr besänftigen: Ein breiter Widerstand hat sich gegen die Sparpläne formiert. Die Grünen wollen das Volksbegehren unterstützen. Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) empört sich darüber, dass die Entscheidung nicht vorher mit Eltern und Lehrern beraten worden sei. Die ÖDP findet das Vorhaben "skandalös ungerecht". Und Bayerns DGB-Chef Fritz Schösser nennt Stoiber einen "König der Scheinheiligen".



» Freuen dürfen sich die Schulbuchverlage. Sie können auf sprudelnde Kassen hoffen. «

Josef Deimer, CSU

Mit dem Landshuter Oberbürgermeister Josef Deimer haben die Protesler sogar ein CSU-Mitglied in ihren Reihen. „Wir können doch nicht täglich verkünden, wie wichtig die Bildung unserer Kinder ist, und im gleichen Atemzug die Lernmittelfreiheit abschaffen“, sagt Deimer.

Trotz der Ablehnungsfront ist der Ausgang der Volksbefragung ungewiss. Seit 1967 gab es 14 landesweite Volksbegehren in Bayern, davon waren lediglich sechs erfolgreich. Schon 1977 startete ein Bürgerverein ein Volksbegehren für die Lernmittelfreiheit. Es scheiterte zwar, führte jedoch zu einer parlamentarischen Debatte, an deren Ende der Vorschlag doch verabschiedet wurde. Bis heute können sich die bayerischen Schüler ihre Bücher kostenlos ausleihen.

(sueddeutsche.de)


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