September 2005
navigationPoint_1 navigationPoint_2 navigationPoint_3 navigationPoint_4 navigationPoint_5 navigationPoint_6 navigationPoint_7 navigationPoint_8 navigationPoint_9 navigationPoint_10


Fast besser als im Original

Die Pop-Moderne: Michel Majerus
Ronald Berg


Images 1 - 2


Er konnte malen, wie nur wenige andere. Michel Majerus’ Grundlage war eine unglaubliche Souveränität im Umgang mit den künstlerischen Mitteln. Der 2002 im Alter von 35 Jahren bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommene Künstler war eigentlich nur rund ein Jahrzehnt im Kunstbetrieb aktiv. In dieser dieser Zeit allerdings extrem produktiv. 1994, damals noch relativ neu in Berlin, stellte er das erste Mal bei der Galerie neugerriemschneider aus. Es war der Beginn einer Karriere, die tragischerweise erst posthum ihren vorläufigen Gipfel erreicht. In der derzeit durch Europa tourenden ersten großen Retrospektive wird Majerus wohl endgültig in den Rang eines Großmeisters des Post-Pop aufsteigen.  Majerus durchstreifte den gesamten Kosmos der Pop-Moderne und eignete sich Stil und Handschrift von ganz unterschiedlichen Künstlern an. Deren Arbeiten konnte er geradezu schlafwandlerisch und mit einer gewissen Chuzpe imitieren. Aber Majerus malte keine Kopien, seine Bilder in der Art von ... sind stets Neuartikulationen und Neuarrangements eines bekannten (Zeichen-)Repertoires. 

Ein wesentliches Moment bei Majerus ist das Neben- und Miteinander unterschiedlicher Genres, Materialien und Stil-Ismen. In der aktuellen Ausstellung bei neugerriemschneider sind es konkret vier Künstlerstars, in deren Gestus sich Majerus ausgedrückt hat. Nicht alle sind im engeren Sinne Pop-Artisten. Gleichwohl macht schon allein die Popularität der Arbeiten von Gerhard Richter, Frank Stella oder Andy Warhol daraus Phänomene der Populärkultur, schließlich kann Pop heute alles sein, was massenmedial um den Globus zirkuliert. 

Da wären zum Beispiel die beiden großen, dreieckigen Streifenbilder à la Stella. Im Farbspektrum und Form etwas verschieden, bleibt das Vorbild dennoch eindeutig erkennbar. Die Technik des Siebdrucks war bei Majerus’ Replik auf Warhol natürlich unabdingbar. Als Motiv bringt Majerus etwas Innovatives: In etlichen Wiederholungen prangt die Symbolfigur space invader (aus dem gleichnamigen Computerspiel der 70er Jahre) auf der schwarzen Leinwand. Majerus überträgt damit Warhols Impetus auf ein neues Terrain, er schreibt ihn gleichzeitig fort im Warhol’schen Sinne. 

Deshalb sieht vieles bei Majerus fast besser aus als im Original. Zum einen liegt das an Verve und Perfektion, mit denen Majerus ans Werk gegangen ist. Zum anderen kommen die Neu- und Nachschöpfungen dem gegenwärtigen Zeitgeist näher. Der mit zwei Sentenzen à la Kosuth beschriftete minimalistische, stark an Robert Morris erinnernde Kubus in der Ausstellung deutet noch etwas anderes an: Majerus unterlegte sein postmodernes Spiel mit einem fatalistischen Grundton. „Not much is thrown away“, heißt es da, „because there really is no place to throw it“. So kippt die fröhliche Zitierbarkeit der Postmoderne um in die unausweichliche Last der Vergangenheit. 


Weitere Beiträge von Ronald Berg:
Bauhaus revisited