Tagebuch von Ulla Lenze
28. Mai.  

Mein Vorsatz, wenigstens durch Kleidung nicht unangenehm aufzufallen (der Reiseführer: respektieren Sie die islamischen Kleidersitten, tragen Sie weite Kleidung), geht nicht auf. Die jungen, modernen Syrerinnen in meinem Viertel, dem christlichen Viertel, scheinen mich, wenn wir einander auf der Straße heimlich mustern, zu bemitleiden; ja, wer ist diese seltsam ärmliche Person, die, im Gegensatz zu ihnen, keine Fönfrisur mit Strähnchen besitzt, sich ihre Lider nicht anmalt und die Lippenränder nicht mit einem deutlich dunkleren Stift nachzieht, die keine strassbesetzten Pumps mit Fesselriemchen trägt, keinen Schmuck, keine eng anliegenden Strechtops mit modisch eingelassenen Schlitzen an den Schultern, sich nicht einmal kunstvoll die Fingernägel feilt? Sie ist jung, offenbar aus dem Westen... welcher Sekte mag sie wohl angehören?




© Ulla Lenze 2004