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Historische Lügen

Den Londoner Gipfel berühmten die Staatschefs als "historisch". Das war er, aber umgekehrt als versprochen. Sie bekämpfen die Krise mit dem, was sie ausgelöst hat: Gigantischen Schulden und kurzfristigem Handeln.

1,1 Billionen Dollar, das sind 1100 Milliarden oder 1,1 Millionen Millionen! Das soll die internationale Staatengemeinschaft nun nochmals gegen die Krise investieren. Vorrangig als Kredite des mit diesen gigantischen Mitteln aufgestockten Weltwährungsfonds IWF in Drittweltländern. Dazu kommen die schon bisher von den Industrieländern in die eigenen Volkswirtschaften gepumpten etwa 1,8 bis 2 Billionen Dollar. Zusammen entspricht das also 20 Prozent der Jahres-Wirtschaftsleistung der USA 2008, der größten Wirtschaftsmacht der Erde. Der der hoch gelobte Obama schon vor den Londoner Beschlüssen einen Staatshaushalt bescherte, der zu einem Drittel (!) auf Pump beruht. Damit verhält sich Obama wie seine Landsleute seit fast zehn Jahren: Immer mehr Konsum auf Schulden. Inzwischen bauchen die USA zwei Drittel der Welt-Ersparnisse, um ihren Konsumrausch zu finanzieren- auf Kredit natürlich, wobei China der grösste Gläubiger ist.
Und nun werden es eben noch viel mehr: Deutschlands Finanzminister Steinbrück, selbst ein Mitschuldiger an dem Finanzdesaster, hatte vor dem Gipfel leise gewarnt, dass so viele neue Schulden vielleicht gar nicht mehr finanzierbar seien: Der Markt könne nicht so viel Geld den gierigen Staaten leihen. Es sei denn, so Steinbrück zwischen den Zeilen, er würde das an sich selbst tun, wie es die USA mit dem Ankauf von Staatsanleihen durch die Fed, die Nationalbank machen. Im Klartext: noch schneller Geld drucken.
Die "Weltenlenker" Obama, Brown, Sarkozy und nicht zuletzt Merkel gehen wissentlich einen risikoreichen Weg. Einen Weg, der langfristig mindestens so risikoreich ist, wie ein jetziger harter Einschnitt in den Konsum und Wohlstand durch Gesundschrumpfen, durch Abbau der Überschuldung, durch Wiederherstellen des Gleichgewichts zwischen Konsum und Produktion, Ersparnissen und nur den daraus abgeleiteten Krediten. Freilich wäre zweiteres politisch viel riskanter, weil es ad hoc viel mehr Arbeitslose gäbe, die alle Wähler sind.
Die so großmäuligen Staatslenker bekämpfen also die Weltwirtschaftkrise mit dem Mittel, das diese erst hauptsächlich hervorgerufen hat: Zu billigem Geld, zu vielen Schulden, zu wenig Haftung derer, die diese Schulden machen - privat und staatlich. Die Drogendealer verkaufen noch mehr Drogen und konsumieren sie inzwischen offenbar auch selbst.

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Amokläufer: Waffen in Privatbesitz - überflüssig

Die große Mehrheit der Bürger hält privaten Waffenbesitz für überflüssig. Die starke Lobby der Waffenliebhaber wehrt sich erfolgreich, die Politik knickt ein.

Der Amokläufer von Winnenden mit 15 Toten wirft viele Fragen auf, von denen viele erst beantwortet werden können, wenn überhaupt, wenn wir mehr über die Hintergründe wissen. Ein paar Fakten aber sind schon klar:
Der Täter fiel ins Grundmuster aller Schul-Amokläufer: Er war 1) ein männlicher Jugendlicher in der Pubertät, der sich 2) vom Leben schlecht behandelt, schwer gekränkt fühlte und 3) Einzelgänger war, von dem 4) die Eltern keine Ahnung hatten, obwohl sie (und ihr Sohn) 5) Waffennarren waren und 6) er NUR dadurch kinderleicht an Waffe und Munition kam, die für mehr Tote in kürzester Zeit sorgte als mit jedem anderen Mittel.
Will man ähnliche Fälle zumindest verringern (ausschließen wird man sie nie können), muss man sich fragen: Was kann man besser machen?
Die Gründe 1) und 3) lassen sich nicht abstellen: Wer macht nicht schwere Enttäuschungen, ja Kränkungen im Leben mit (auch wenn sie objektiv gesehen meist relativ sind), und wer, vor allem als männlicher Jugendlicher, wäre sich dabei nicht in Rache-Gedanken ergangen, subtilen oder brutalen. Die Psychologen, die sich mit diesen Fällen eingehend beschäftigen, konstatieren den heute gestiegenen Erwartungs- und Leistungsdruck (ich zweifle an der Steigerung: Gesellschaft und Familien waren früher noch unbarmherziger mit echten oder vermeintlichen „Verlierern“, die Gesellschaft aber weniger undurchlässig für sie als heute) und die Medien, die als Gewaltvorbild und –Rückkoppler dienen und dabei vor allem das Gewalt-(Privat-)TV und das Internet. Wie weit das Gewalt-Potentiale verstärkt oder nur als Ventil für sie dient, ist umstritten.
Klar ist auch: Einfache Erklärungsmuster gibt es nicht, aber es gibt immer, so die Spezialisten für solche Fälle, klare Anzeichen für potentiellen Amokläufer. Und dafür sind in allererster Linie die Eltern zuständig: Das Elternhaus ist HAUPTverantwortlich für diese Fälle und nicht die Gesellschaft, die Medien oder andere äußere Umstände.
Mit einer Ausnahme: Der rein unleugbaren Tatsache, dass Amokläufe mit vielen Toten immer nur dann geschahen, wenn die Täter leicht an eine gefährliche Waffe kommen konnten. Womit wir beim privaten Waffenbesitz sind, dem einzigen Punkt, der rasch eine gewisse Abhilfe verspräche, wenn auch keine hundertprozentige.

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Warum die Opel-Rettung falsch wäre

Auch wenn Opel zu einem Symbol der Krise hochstilisiert wird: Die Rettung auf Staatskosten wäre hochproblematisch nach all dem, was inzwischen bekannt ist

Sah es noch vor ein paar Wochen danach aus, als Opel zwar ein komplizierter aber nicht hoffnungsloser Fall für die Bemühungen Deutschlands und Österreichs um staatliche Hilfe wäre, wird jetzt immer mehr klar: Opel ist kein Beispiel dafür, wie die Allgemeinheit sinnvolle Solidarität leisten soll.
Denn die Fakten sind erschütternd:
1) Opel ist offenbar nur mehr ein Markenname. Alle Vermögenswerte wurden in den letzten Jahren zur General-Motors Mutter nach USA transferiert: Grundstücke, Werkshallen, Patente. All das steht in den Büchern der US-Mutter, Opel ist darin ein Verrechnungskonto. Den angeblich dafür von GM zu leistenden Gegenwert von mindestens 1,8 Milliarden Euro hat es nie nach Europa überwiesen oder nur in Form von heute wertlosen Schuldverschreibungen. Man muss sogar zweifeln, ob noch der Markenname selbst in Händen der deutschen Tochter liegt. Somit ist Opel ein 100%-US-amerikanisches Unternehmen.
2) Auch die Führungsstruktur beweist das: Der jahrzehntelange Niedergang Opels ist auf dessen falsche Modellpolitik zurückzuführen, die europäische Markt-Bedürfnisse (Kompaktmodelle, Qualitätsdenken, Individualität) jahrzehntelang ignorierte. Und das laut den aus Detroit bekannt werdenden news noch mehr tun will: Die nächsten Modell-Reihen werden schon ohne Opel geplant.
3) Deshalb war Opel schon in seiner eigenen Existenz-Krise, bevor diese große Weltwirtschaftskrise ausbrach. Opel ist kein Opfer dieser Krise, sie hat die Probleme Opels (und von GM) nur noch etwas beschleunigt. 2004, am Beginn des letzen Aufschwungs, stand Opel schon vor dem Aus, und der Hauptgrund ist: Für seine Autos gab und gibt es zuwenig Käufer. Sogar mit der staatlichen 2.500 €-Abwrackprämie (in D für mehr als neun Jahre alte Autos) verliert Opel Marktanteile, obwohl es mit Modellen im unteren Segment vertreten ist, die ja ausschließlich von diesem volkswirtschaftlichen Wahnsinn profitieren. Opel hat kein tragfähiges Geschäftsmodell für die Zukunft, deshalb gibt es auch auf dem Markt keine Interessenten, nicht einmal die nun vom SPD-Betriebsrat früher verteufelten und nun plötzlich doch hofierten „Heuschrecken“, also Finanzinvestoren aus Übersee.
4) Der Markt hat mindestens 30 Prozent Überkapazitäten, die müssen nun in der Krise abgebaut werden, und zwar dort, wo die Schwachstellen sind. Opel ist eine der eklatantesten. Sie mit mindestens acht Milliarden Euro für ein, zwei Jahre weiterzupäppeln, wäre höchst unverantwortlich: Ein Fass ohne Boden mehr für den Staat, so wie z.B. der Wahnsinn des noch immer extrem geförderten Steinkohlenbergbaus.

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Wie weit darf, muss der Staat in der Krise gehen?

Die deutsche Regierung verstaatlicht nun sogar eine Bank. Was unumgehbar ist, könnte der Anfang von Fast-Verstaatlichungen in anderen, weniger zentralen Branchen sein – eine schwere, gefährliche Entscheidung, so oder so.

Die große Krise deckt nun schonungslos alle Schwachstellen auf, alle Unternehmen, die kein seriöses Geschäfts-Modell haben, und alle Überkapazitäten.
Besonders typisch für ersteres sind viele Banken, die mit billigem Geld zu locker umgegangen sind, getrieben durch extrem hohe Boni ihrer Manager.

Das extremste Beispiel in Deutschland ist Münchner Hypo Real Estate, ein eigenartiges Konstrukt aus Bank und Immobilienfinanzierer. Ohne jede kaufmännische Vorsicht, ohne Gewissen, haben die Manager jahrelang mit wüsten Konstruktionen dilettiert und sich persönlich bereichert. Neben Altlasten aus dem durch falsche Steueranreize in den neuen Bundesländern (Ex-DDR) zusammengebrochenen Immobilienboom der 90er Jahre wurde der weit überwiegende Teil des gigantischen schwarzen Lochs HRE wissentlich herbeigeführt: Sehr langfristige Verbindlichkeiten (bis 30 Jahre) wurden durch extrem kurzfristige Kredite (1 Jahr und weniger) abgedeckt. Kaufmännischer Leichtsinn höchsten Grades. Diese kurzfristigen Kredite sind jetzt nicht mehr zu bekommen.
Leider hat auch der Staat als Aufsicht völlig versagt: Die paar Bedenken Beamter und Prüfer blieben in der Bürokratie des Finanzministeriums hängen.
Dass man HRE trotzdem nicht in Konkurs gehen lassen kann, liegt an ihrem Erbe als einer der großen Halter der deutschen Pfandbriefe. Das sind Schuldverschreibungen vor allem öffentlicher Körperschaften, die mit deren Grund- und Immobilienvermögen abgedeckt sind: Mündelsichere Papiere, die seit ihrem Bestehen vor 200 Jahren noch nie wertlos wurden. Sie gehören hauptsächlich deutschen Kleinsparern. HRE soll 20-25 Prozent des gesamten Volumens von 900 Milliarden Euro halten, sie sind nicht durch die staatliche Einlagensicherung gedeckt.
Deshalb hat der Staat schon 87 Milliarden Euro Garantien gegeben und die anderen Banken 15 Milliarden, weitere 20 werden wohl demnächst fällig. Nur wenn der Staat aber auch Mehrheitsaktionär ist, kann er mitbestimmen und hoffen, mit einem blauen Auge nach der Krise davonzukommen.
Der größte verbliebene freie Aktionär, ein US-Investor mit Sperrminorität, pokert um eine hohe Abfindung. Und nur um den auszuschalten, wird notfalls die Regierung HRE verstaatlichen, mit Hilfe einer gesetzlichen Vereinfachung der Kapitalerhöhung. Bundeskanzlerin Merkels Begründung ist richtig: „Wir haben international versprochen, keine für das System wichtige Bank in Konkurs gehen zu lassen. Das Querschnittsrisiko eines HRE-Konkurses in der ganzen Wirtschaft ist höher als der Imageschaden für Deutschland, wenn wir notfalls diese eine Bank verstaatlichen müssen, und nur damit werden aus den Garantien des Steuerzahlers nicht echte Verluste.“
Die deutsche Regierung verletzt also bewusst ein Tabu der sozialen Marktwirtschaft, sie hätte es sogar schon früher mit weniger Kosten getan, wenn der Aufschrei in den eigenen Reihen, der Union, nicht so groß wäre.

Merkels Koalition handelt richtig, so wie es die österreichische tut, wenn sie den Schutzschirm über Österreichs Banken spannt, die viel weniger leichtsinnig ihr Ost-Engagement eingegangen sind. Banken sind der zentralste Wirtschaftszweig, hier muss der Staat helfen, wenn es zu sehr kriselt.

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John Updike, ein Verlust, der mich persönlich schmerzt

Um Berühmtheiten zu trauern, die man selbst nie kannte, ist weitgehend sinnlos. Bei diesem Dichter trifft mich der immer noch zu frühe Tod aber doch. Ein sehr persönliches Bekenntnis.

John Updike starb am 27.1. mit 76 Jahren an Lungenkrebs. Auf den mit Philip Roth sicher wichtigsten und produktivsten amerikanischen Dichter der letzten Jahrzehnte wurden viele schöne und gescheite Nachrufe geschrieben, ich will es eigentlich nicht auch noch tun, auch wenn diese Begründung meines Bedauerns natürlich dazu gerinnt.
Warum war er mir so wichtig, dass ich nun traurig bin, nicht noch mehr von ihm lesen zu können? Seine Kunst hat mich beglückt, ja, und das soll ein kleiner, anonymer Dank dafür sein.

Im Gegensatz zu vielen, ja den meisten Dichtern unserer Zeit, von „Autoren“ ganz abgesehen, war Updike überwiegend ein Schilderer des Besonderen im Kleinen, im Alltäglichen, des Wertvollen, des Interessanten auch im Durchschnitt. Er brauchte selten wilde Biographien seiner Figuren, um die Zeitläufe, das Lebensgefühl eines großen Teils der Menschen, die nicht nur gerne anspruchsvoll lesen, sondern sich mühen müssen, selbst ordentlich, erfüllt zu leben und dies ohne Extreme, um sie und ihre Zeit, pars pro toto, kongenial darzustellen. Und ihrer Existenz einen Sinn zu geben.
Updike brauchte keine Morde (oder nur ganz selten), um Spannung zu erzeugen, selten extrem dramatische Situationen und fast nie die Keule der überraschenden, total unlogischen Wendungen, die so viele andere Dichter zum Weitertreiben ihrer Handlung benutzen müssen. Updike erzeugte seine Spannung durch eine wunderbare, scheinbar leicht dahin fließende und doch extrem anspruchsvolle Sprache, durch ironische Brechung, genaueste psychologische Beobachtung. Ohne je Langeweile entstehen zu lassen, dabei immer am Puls der Zeit, ja sie literarisch formend wie kaum ein anderer Amerikaner – und Europäer. Das war seine wichtigste Stärke neben einer unglaublichen, beneidenswerten Vielfalt an Ideen und Wissen.
Lebensweisheit aus dem Leben selbst heraus paarte sich bei ihm mit bester Unterhaltung, die nicht abgehoben ferne Schicksale und Extremsituationen durchdeklinierte, sondern Menschen mit Realitätsbezug und allen Höhen und Tiefen des Normalen zum Mittelpunkt nahm. Er tat dies in fast allen literarischen Formen und Stilen.
Immer, fast immer, war es ein Vergnügen, sie zu lesen, auch wenn der Grundton nicht nur leicht ironisch war, sondern oft auch melancholisch. Updike war einer, der seine Figuren liebevoll beschrieb, auch wenn sie nicht immer sympathisch waren, so wie es im richtigen Leben eben auch ist. Er gab ihnen einen Sinn. Er gab uns einen Sinn, die wir so oft suchen, wenn wir ehrlich sind und unsere Sehnsüchte und Träume, unsere Ängste und Nöte, nicht verdrängen, sei es durch Oberflächlchkeit, durch Betäubung oder Religion (was mir eine andere Form davon zu sein scheint). Und das, obwohl Updike im weiteren Sinn sogar ein christlicher Schriftsteller war, wie manche Nachruf-Schreiber nun behaupten. Ich habe dies nur in seiner Nächsten-Liebe bemerkt, nicht in irgend einer theoretischen oder gar dogmatischen Form.
Und er war daneben ein ganz großer Intellektueller, der unendlich viel Gescheites zu Malerei (der modernen amerikanischen, der abstrakten ganz besonders), zu Musik und zur Literatur, zu Gesellschaft und -meist - indirekt zu Politik zu sagen hatte.
Vor allem aber: Er war der Dichter der amerikanischen Mittelklasse, der so oft verachteten und unterschätzten, die, wie ich glaube und erfahren habe, gar nicht so viel unterscheidet von unserer in Europa, wenn man von den Details des Lebensstils absieht. Und es ist, wie ich glaube, wohl das literarisch Schwerste, normales Leben so darzustellen, dass es interessant ist, daran teil zu nehmen, es durch seine kongeniale Schilderung zu überhöhen, ihm damit eine Bedeutung zu verleihen, die andere Schreiber nicht sehen oder sehen wollen: Jene, die sich selbst als Egomanen zu wichtig nehmen oder in ferne Phantasiewelten flüchten.
Welch ein Unterschied zu unseren Meistern der extremen, oft sogar verqueren Egozentrik, mögen sie Handke oder Jelinek heißen, oder der immer noch selbstgerechter werdende Grass (trotz seines 50 Jahre lang verschwiegene freiwilligen Beitritts zur SS). Am ehesten noch scheint mir Martin Walser diesen Part im deutschen Sprachraum auszufüllen, wenn auch mit zu wechselnder Qualität.

Ich kenne nur wenige Dichter, die ihre Menschen-Liebe so kongenial umsetzen konnten, die sich vieles, ja fast alles bis hin zum Letzten, zu sagen trauten und es das so unprätentiös und wahrheitsliebend, so, ja gütig im weiteren Sinne, konnten. Und das, wie schon gesagt, bei einer formalen Meisterschaft, gegen die fast alle Literatur-Nobelpreisträger der letzten Jahrzehnte blutige Anfänger sind (Naipaul und Coetzee vielleicht ausgenommen, ja, Pamuk auch). Dass Updike diesen höchsten Preis nicht bekommen hat, spricht nicht gegen ihn, sondern für die Verblendung, die Armseligkeit des jetzigen schwedischen Komitees, das seine Meinungsmacht zu oft dazu missbraucht, (linke) Gesellschaftspolitik zu betreiben (anders ist der Preis für die vergleichsweise lächerlichen Arbeiten der beiden Kommunisten, des Clowns Dario Fo und der emotional und literarisch bis heute unreifen Elfriede Jelinek nicht erklärbar).

Schade, dass ich nun von Updike nichts Neues mehr lesen kann. Aber es tröstet mich, dass ich vieles von ihm noch nicht kenne, und dass sein US-Kollege und oft -Antipode, der ebenfalls grandiose Philip Roth (der zweite Gigant der so vitalen, die europäische um viel Tiefe und praktische Bedeutung oft überholenden US- Literatur - ja, Saul Bellow, den Nobelpreisträger nicht ganz zu vergessen, obwohl dessen Themen-Breite geringer ist) noch so produktiv ist, wie auch einige gute junge US-Autoren. Den kongenialen Nachfolger Updikes darunter habe ich aber noch nicht entdeckt. Es wird ihn hoffentlich bald geben.
John Updike hat mich Jahrzehnte meines Lebens begleitet, er hat mich wunderbar unterhalten und er hat mich oft getröstet. Was muss Litaratur mehr können? Danke dafür. Und Adieu!

PS: Wer sich nun animiert fühlen sollte, Updike auszuprobieren, anzulesen, dem empfehle ich als Anfang eine Sammlung von Short Stories aus den Sechziger Jahren: Der Meister ist da schon auf der Höhe seine Könnens und unglaublich witzig wie tiefsinnig, besonders in der Titelgeschichte: „Licks of Love in the Heart of the Cold War.“ Welch ein Kunstwerk!

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Was tun gegen die Krise - und wieviel

Eine Mega-Lawine an Steuergeld soll das Finanzsystem und die Konjunktur retten. Doch nur ein Teil ist notwendig, vieles ist nur ein Vortäuschen von Handlungsmacht, die die Politik nicht hat.

wird derzeit im Finanzsektor benötigt. Von 3 - 4 Billionen Dollar (= 3 - 4 tausend Milliarden in deutscher Bezeichnung) ist die ernsthafte Rede allein in den USA, um die aufgeblähten Bankbilanzen zu sanieren und das Zusammenbrechen des Finanzsystems zu vermeiden. Dazu kommt noch einmal etwa so viel im Rest der Welt. Diese Mittel sollen jene Blase ersetzen, die mit maßlos überhöhten, oft absichtlich versteckten Risken in den letzten Jahren des von der US-Notenbank künstlich verbilligten Geldes entstanden ist, vor allem durch die Transformation der nicht besicherten Risken aus dem zusammen gebrochenen US-Immobilienboom (zu den Ursachen der Krise siehe meine vorigen blog-Einträge).
Passiert das nicht, sind die Folgen so unabsehbar, dass es fast niemanden gibt, der sie sich offen ausmalen mag. Dazu genügte schon der Konkurs der New Yorker Lehman Brothers im August, der „systemischen“ US-Bank, die sich eine der zentralen Funktionen in der internationalen Finanzwelt als Drehpunkt dieser riskanten Papiere „erarbeitet“ hatte (mit abenteuerlichen Vorgängen, wo ein echtes Wertpapier-Paket x-mal in einer „Schachtel“ immer wieder als Sicherheit für viele windige Geschäfte gleicher Höhe durchgereicht wurde).
Dass man keine dieser systemischen Banken, und das sind offenbar fast alle großen, trotz dieser und anderer Fehler nicht mehr zusammen brechen lassen kann, ist inzwischen feste Überzeugung bei allen Politikern, Notenbankern und der Finanzwelt sowieso: Denn dann würde das ganze Kartenhaus aus Papiergeld auch die realen Werte der Wirtschaft noch mehr zu Boden reißen und mit ihr das Grundvertrauen der Bevölkerung in die Währungen usw.. Der schärfste Wirtschaftsabschwung seit 80 Jahren ist nur ein Vorgeschmack davon.

Da muss also ungeheuer viel Staatsgeld her (es gibt keinen anderen „lender of last resort“ als Geldesel mehr), in USA, wo die Blase hauptsächlich entstand, und in Europa, wo die willigen Profiteure sitzen (nicht nur in den Privatbanken: In Deutschland sind die öffentlich kontrollierten, oder besser, nicht kontrollierten, führend beim Verbrennen von Steuergeld durch Übernahme der wertlosen US-Papiere - mangels langfristig tragenden Geschäftsmodells).
Die unendlich vielen Milliarden Dollar und Euro, die die Staaten jetzt ins Bankensystem pumpen, sollten aber nicht ganz verloren sein: Erstens sind viele davon nur Garantien, von den man hoffen darf, dass sie doch nicht in Anspruch genommen werden und vor allem ihren Zweck erfüllen, das total verlorene Vertrauen der Banken untereinander zu stabilisieren.
Das Beispiel der Finanzkrise in Schweden in den Neunziger Jahren zeigt auch, dass bei kluger Abwicklung der Verlust für den Steuerzahler sich in Grenzen halten kann: Nach spontaner Rettung und nachfolgender Sanierung der Banken kann er durch Beteiligung an den wieder wertvoller werdenden Papieren und Instituten sogar mit einem blauen Auge davon kommen.
Abgesehen davon, dass es zur Rettung des Finanzmarktes ohnehin keine Alternative gibt: Das Schmiermittel, die Essenz modernen Wirtschaftens ist Geld, seinen Wert, sein Umlaufen zu sichern, ist eine Aufgabe des Staates.
Und da muss wohl auch in Kauf genommen werden, dass die USA, die Fed, nun massiv Geld druckt und die Geldmenge mit allen Mitteln erhöht. In Europa ist dies dank EZB und Euro augenscheinlich (noch) nicht der Fall.
Also: Die Finanz-Feuerwehr muss zuerst mal löschen, auch wenn der Wasserschaden danach enorm ist und lange braucht, aufgeräumt zu werden.

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Gelassen und ehrlich auch in der Krise

Reflexionen über den Wert des Marktes und seine Fehler, aber auch die seines Wächters, des Staates, oder besser: der Politik

Zu den vielen Bemerkungen zum abgelaufenen Jahr und dem kommenden seien noch ein paar hinzugefügt, oder besser: herausgepickt, die, wie mir scheint, oft bewusst verdreht oder ignoriert werden.
1) Die Weltwirtschaftskrise, in die wir nun hineinschlittern bzw. schon sind, haben nur ganz wenige vorausgesehen: Gurus, die schon länger die Ungleichgewichte der globalisierten Weltwirtschaft (extremes Leistungsbilanzdefizit der USA, extreme Schuldenfinanzierung des privaten und öffentlichen Geldkreislaufs) so dramatisch wachsen sahen, die aber meist ebenfalls den Zeitpunkt nicht voraussagen konnten.
Und bei aller Hochachtung vor der Brillanz dieser Köpfe: Wer dauer-pessimistisch ist, bekommt etwa ebenso oft Recht wie jemand, der dauer-optimistisch ist, zumindest in einem System, das sich in Wellenbewegungen entwickelt, manchmal hohen, manchmal niedrigeren Wellen, wie sie nicht nur die Weltwirtschaft, sondern die Geschichte an sich prägen.
2) Die diese Krise am präzisesten voraussahen (und frühere auch), sind jetzt offenbar am pessimistischsten für 2009. Das sollte zu denken geben.
Allerdings auch die „self fullfilling prophecy“: Irgendwann macht sich die Spirale nach unten selbständig, denn bekanntermaßen sind 50 % der Wirtschaft Psychologie, jedenfalls jener Entscheidungen, die für Wachstum, Stagnation oder Schrumpfen sorgen. Man kann auch Krisen durch Reden vertiefen oder verlängern – oder eben durch rhetorische Vorsicht bremsen, vor allem beim „kleinen Mann“, dem Konsumenten.
3) Die Mär von den effizienten Märkten (dem angeblichen Haupt-Mechanismus des klassischen Kapitalismus) ist endgültig widerlegt, so sie noch Gläubige der alten Volkswirtschaftslehre gehabt haben sollten. Brutaler als je zeigt sich, dass auch in diesem System Informationsvorsprünge - wie in jedem anderen - existieren, ja geradezu essentiell für die Eliten sind, und dass die von diesen, wie auch in anderen Systemen, zum eigenen Vorteil genutzt werden. Solange und soweit das System es zulässt. Und das tat es im Übermass.
4) Was nicht nur Schuld des „Kapitalismus“ ist, um eine Definition Marx’ zu verwenden. Der größte Teil der jetzt zusammengebrochenen Illusionen sind vom Rahmen des Systems mitverursacht, den auch der Kapitalismus braucht (mehr noch als andere): vom Staat.
Die eine Hauptursache der Krise, die riesige Immobilien-Blase in USA war politisch gewollt: vor allem die demokratische Clinton-Administration hatte die halböffentlichen Hypotheken- Finanzierer „Fannie Mae“ und „Freddie Mac“ gegen ihren Willen gezwungen, unendlich viel (Staats- garantiertes) Geld an Habenichtse ohne jede Sicherheit und mit geringstem Einkommen zu leihen, damit auch die sich den amerikanischen Traum vom eigenen Haus erfüllen konnten - auch wenn sie sich das sonst nie leisten hätten können (und dafür weiter brav die demokratische Partei wählen, vor allem die schwarze Minderheit). Dass bis heute in USA jeder, der seinen Wohnkredit nicht bedienen kann, prinzipiell nicht vom Gläubiger (=Bank) gepfändet werden kann über das mit dessen Geld angeschaffte Haus hinaus, ist einer der Konstruktionsfehler des US-Häusermarktes, der zu der Blase geführt hat und sie so tief in die Finanzwelt hineinreichen ließ. In Europa hätten die Banken diese Primär-Schulden wohl nicht anhäufen können. Die wurden dann allerdings geschickt und skrupellos so verpackt, dass sie naive Europäer, vor allem deutsche halbstaatliche Banken mit ihren miesen Managern ahnungslos aufkauften.
Die zweite, ebenfalls in den USA basierende Ursache ist das billige Geld, das nach „9/11“ und dem Platzen der Internet-Blase in die Wirtschaft gepumpt wurde, um eine zu starke Rezession zu vermeiden. Wie schon die berühmte österreichische Schule der Nationalökonomie früh feststellte, führt zuviel Geld immer zu Fehlallokationen: Wenn es billig oder umsonst (also ohne Zinsen oder Verantwortung für das Verdienen der Rückzahlung) unter die Leute kommt, dann verwenden die es nicht an den Stellen, die den meisten volkswirtschaftlichen Nutzen (also für alle) versprechen, sondern für sich selbst in weniger effizienter Weise. Beispiele dafür waren die Banker, die theoretischen Reichtum (dabei wieder vor allem für sich) organisierten, ein anderes wäre die maßlose Verschwendung der 1,6 Billiarden Euro westdeutscher Unterstützung für Ostdeutschland seit 1990 – weitgehend unproduktiv auf mittlere Sicht und nur für die scheinbare Beruhigung der Bevölkerung (die trotzdem stramm linksextrem wählt), aber politisch tabu.
5) Der Staat, besonders der amerikanische, versagte aber auch in der Kontrolle, einer seiner ureigensten Aufgaben. Was nutzen z.B. 280 schlecht bezahlte und ausgebildete Beamte für die Kontrolle von Fannie Mae und Freddie Mac allein, wenn alles, was sie finden (und sie fanden vieles), von der Politik ignoriert wird (schon bei Clinton!). Und was nützt eine Börsenaufsicht, die vielen Warnungen zum Trotz jahrzehntelang die Hand über den größten Betrüger aller Zeiten (Madoff) hält - hier hat der Staat mindestens so wie die Marktwirtschaft versagt, die nur dann leben kann, wenn sie sich auf die Regeln des Staates und dessen Kontrolle auf deren Einhaltung durch alle auch verlassen kann (wer’s noch genauer wissen will: meine früheren Einträge lesen).

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Claus Peymanns "Absurdes Theater"

Der einst umstrittene Burgtheater-Direktor und heutige Chef des Berliner Esembles über die Klage Fritz Muliars und seine noch immmer starke Beziehung zu Österreich

Claus Peymann an einem typischen frühen Abend: Der längstdienende Theaterdirektor des deutschen Sprachraums ist wie immer hyperaktiv, ein Termin in seinem Büro jagt den anderen und er im Sauseschritt durch sein quirliges Haus. Der Mann im ewig schwarzen T-Shirt, dem man seine 71 Jahre nicht abnimmt, hält mit handgreiflicher Begeisterung und dem unübersehbaren Ego eigener Bedeutung sein Berliner Esemble als Leuchtturm der Berliner Theaterszene am Blinken: In der künstlerischen Bilanz ist er, allen Kritikern und Neidern zum Trotz, so erfolgreich wie in der kommerziellen. Seine höchste Auslastungsrate aller Berliner Häuser ist angesichts der Kultur- Ignoranz der Berliner schon ein Kunststück für sich. Der Absturz einstiger Konkurrenten, der Castorf’ schen Volksbühne und der Schaubühne in die Banalität scheinrevolutionärer Rituale sowie des Deutschen Theaters nebenan in stilvolle Profillosigkeit, erhöht nur noch weiter die Strahlkraft des BEs und seines unermüdlichen Direktors.

Der ist immer noch sein eigener bester Propagandist. So kontrovers können Fragen gar nicht sein, dass aus dem Interview nicht sofort eine Show würde, deren Dialektik sich immer mehr dem gehobenen Wiener Schmäh nähert (Kongenial nachzulesen übrigens im neuen Buch: „Peymann A-Z“, Verlag Das Neue Berlin, 19,90 €. Ein typisches Zitat unter dem Stichwort Ich und Ich: „Ich halte es nicht aus, allein mit mir“.) Ganz besonders rennt der natürlich bei seinem durch den Streit mit Fritz Muliar wieder aktualisierten Lieblingsthema Österreich.

KURIER: Herr Peymann, Ihre Zitate im neuen Buch beleidigen so ziemlich alle Mitmenschen, die Sie dafür aber „net amal ignorieren“. Sie müssen der Ausnahme Muliar doch dankbar dafür sein, dass er Sie noch Ernst nimmt und für den „Volltrottel“ klagt?
Claus Peymann: Fritz Muliar war, ist und wird auch in Zukunft mein liebster Todfeind sein, auf ihn ist immer Verlass! Wir sind ein gutes Duo, die „Sonnyboys“ des österreichischen Theaters (lacht laut).

Muliar hat Ihr briefliches Versöhnungsangebot öffentlich zurückgewiesen: „Ich lasse mich von dem Rotzbuben nicht beleidigen“. Nun freut sich Österreich auf die Posse eines Neunundsiebzig- und eines Einundsiebzigjährigen vor dem Wiener Bezirksgericht. Ist Ihnen das nicht zu peinlich, als dass Sie sich doch förmlich und glaubwürdig bei dem Gekränkten entschuldigen?
Nein, ich müsste mich nicht entschuldigen, er müsste das auch tun: Er hatte mich als „Goebbels des Theaters bezeichnet“ und das halte ich für mindestens so schlimm wie den „Volltrottel“ oder was auch immer ich gesagt haben mag. Aber ich glaube persönlich ohnehin, dass die ganze Sache verjährt ist. Das ist ja praktisch 20 Jahre her und Muliar ist nicht zart im Zurückgeben. Ich glaube eher, dass es einen amüsanten Vergleich gibt.

Die Verjährung könnte durch die Wiederholung im Buch „Peymann A-Z“ hinfällig sein: Es wiederholt die Beleidigung, Sie gehen damit auf Lesereise und gleich zum Start nach Wien…
(Unterbricht) Ich freue mich, dass der alte Muliar noch so ein alter Kämpfer ist. Ich erinnere mich noch gut ans Akademietheater und ihn im Felix-Mitterer-Stück, das mit Abstand beste, was er in den letzten 40 Jahren gespielt hat. Also bin ich ihm dankbar und ich gehe davon aus, dass auch er mir dankbar zu sein hat. Sofern finde ich uns zwei richtige Bernhard-Figuren, beide alte Kämpfer (lacht), und wenn er mich verklagt, werde ich ihn auch verklagen und dann wird es noch amüsanter, auch für die Rechtsanwälte. Ich hoffe, dass der Streit seinen Kreislauf auf Trab hält, denn das ist das Allerwichtigste für einen 89-Jährigen, vielleicht ist ja der Streit mit Peymann eine gute Medizin für den lustigen Theatergreis Muliar.

Kommen Sie persönlich zur Verhandlung nach Wien?
Wenn es dazu käme, könnte ich das vielleicht mit einer Buchpräsentation verbinden und im Gericht eine Autogrammstunde geben (lacht). Ich habe aber auch Muliar ein Exemplar geschickt mit persönlicher Widmung, damit er sieht, dass ich auch liebevoll über ihn geredet habe. Ich glaube, dass Beschimpfung und Liebeserklärung im Fall Muliar/Peymann oder Peymann/Muliar durchaus die Waage halten.

Erinnern Sie sich überhaupt noch, warum Sie ihn „Volltrottel“ genannt hatten?
Kein Ahnung mehr, wird aber sicher guten Grund gehabt haben (lacht). Er gehörte ja zur „Morak- Fraktion“. Als Morak mich nicht wegputschen konnte als Burgtheater-Direktor ist er zur Politik gangen, und wurde dann auch in trostloser Weise Staatssekretär. Das war ja das feindliche Liebespaar, die Zweckgemeinschaft Morak- Muliar, wobei Muliar erheblich mehr Kaliber hatte als Morak, der einem schon fast wieder leid tut.

Muliar ist doch ein Volksschauspieler und wollte nie mehr als das sein. Was Größeres kann es doch für einen Nach-Nachfolger Brechts an diesem Theater und einen Salonsozialisten wie Sie gar nicht geben?
Ich habe so ein Problem mit dem Volk und dem völkisch, ich finde Muliar ist auch ein Eliteschauspieler. Volksschauspieler ist auch immer ein Blanko für schlampig und für primitiv und platte Witze, davor würde ich Muliar wirklich in Schutz nehmen. Er ist weit mehr als ein Volksschauspieler, er ist ein Vollblutschauspieler, mit allen Schikanen. Und er ist ein Menschenfeind frei nach Raimund und das gefällt mir an ihm. Das Ganze ist doch absurdes Theater und im Grunde herrlich: Muliar hätte in den Theatermachern von Bernhard spielen sollen! Übrigens hätte der fast ein Stück über ihn geschrieben, ich hab’ das gefördert.

Warum wurde daraus nichts?
Kann ich mich nicht mehr erinnern.

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Dreams and Doughnuts: Reisesplitter aus USA

Ein wichtiger privater Anlass (nicht die Wahl) hat mich für ein paar Wochen an die Ostküste geführt. Die Erlebnisse waren reicher als erwartet. Hier einige eher unpolitische, subjektiv wie immer.

Washington, D.C.:
Die Hauptstadt entfaltet im Spätherbst wohl ihren größten Charme. Der wird sowieso unterschätzt, sowohl von den Amerikanern, die prinzipiell misstrauisch sind gegen jede Zentralgewalt, aber auch von vielen Ausländern. Natürlich hat die Stadt, oder besser, die Großregion, auch hässliche Seiten. Wer möchte schon in (leider immer noch schwerkriminellen) schwarzen Ghettos leben, und die Schwüle des Sommers hier wird von allen Bewohnern gehasst. Aber außerhalb dieser Orte und Zeit ist das Potential der Stadt viel größer als unsere Vorurteile, auch meine. Ich berichte hier nicht vom politischen Zentrum der USA oder der touristischen Pflichttour vom Weißen Haus abwärts. Das weniger Bekannte ist, wie oft, auch hier spannender, wie ich finde.
Bevor Washington auf dem Reißbrett errichtet wurde, bestand schon lange Georgetown, eine Stadt tüchtiger Bürger, die von früher Industrie und Handel, nicht Politik und Verwaltung wie heute, lebten. Ein guter Teil der Wohnhäuser steht noch, ist meist liebevoll erhalten und heute ein bevorzugtes, teures Wohnviertel. Das Spazierengehen hier, zwischen den typischen ein- bis zweistöckigen Häusern, von den winzigen bis zu den repräsentativen mit ihren klassizistischen Fassaden, zwischen diesem Mix aus nördlich puritanischem und leicht protzigem Südstaaten-Stil, ist einfach ein Vergnügen für jeden passionierten Stadtbummler wie mich.
In der Hauptstrasse warten originelle Cafes, Delikatessenläden, Antik- und andere Shops. Daneben lässt sich wunderbar preiswert und stilvoll die US-Beef-Kultur oder Seafood geniessen. Bei sorgfältiger Planung (am besten mit dem Lokalführer
„Zagat“) zu Preisen, die auch in Wien eine Sensation wären, bei bester Bedienung und stilvollem Ambiente (z.B. in den beiden „Clyde’s). Am unteren Ende von Georgetown zieht sich ein Kanal, der früher für Transport und Industrie genutzt wurde und fast so romantisch ist, wie die Grachten in Amsterdam. Auch hier lässt sich gut spazieren, so wie am Potomac, dem breiten Fluss Washingtons, an dessen Ufern sich viele Kilometer lang Geh- und Radwege entlang ziehen.
Zu Fuß kann man auch von „G-town“ ins Zentrum (zur "Mall") spazieren oder ins benachbarte Edelviertel rund um den Dupont-Circle, mit seiner kleinen, aber feinen „Phillips- Collection“ als Höhepunkt. Nirgends sonst habe ich französische und amerikanische Spitzen-Malerei so kongenial gehängt gefunden und so wenig Trubel rundherum.
Washington ist eine ruhige Stadt: In den breiten Strassen sind weniger und leisere Autos unterwegs als bei uns, auch dank eines guten, sicheren U-Bahnnetzes, aber auch wegen des vergleichsweise geringen Schwerverkehrs. Gehen ist in diesem Zentrum ein sicheres Vergnügen, nicht nur in den Restaurant-Vierteln, wobei unbedingt das äthiopisch-eritreische zu probieren ist. Nirgends in USA leben so viele Menschen aus Nordostafrika wie hier – und fahren fast jedes Taxi.
Und Washington ist eine internationale Stadt. Die Menschen aus den vielen Botschaften, den internationalen Organisationen und auch die hohe Zahl an berufsbedingt weltkundigen Einheimischen prägen das Stadtbild im Zentrum - und dessen Qualität. Es ist - natürlich nicht – Paris, London oder Wien, aber eben doch etwas Besonderes in den USA, eine Stadt ohne Hochhäuser (kein Haus darf höher sein als der berühmte Obelisk auf der Mall).
Wer einmal genau sehen möchte, wie US-Politik funktioniert, sollte nicht nur aufs Kapitol, das Parlament, gehen, sondern eher in die vielen guten Restaurants von hier (z.B. „Charlie Parkers Steakhouse“ mit Riesenscheiben zum Anblick der berühmten Kuppel, sensationellen Steaks und dem besten Käsekuchen den ich kenne) bis weiter hinter das Weiße Haus. Etwa im ihm eng benachbarten neoklassischen Prunk des Hotels Intercontinental: Auch da dinieren die Lobbyisten mit den Abgeordneten und in der Bar, einer der schönsten der Stadt, geht es in die Nacht munter weiter. Viel preiswerter kann man die gleichen Szenen des effiktiven Politik-Machens an der Strasse direkt östlich des Weißen Hauses selbst essend erleben: Der „Old Ebbitt Grill“ ist eine Washingtoner Institution, in der bei stilvollster Umgebung und Bedienung der perfekte Hamburger immer noch nur 9,50 $ (plus Steuern) kostet (für Wiener: das Cafe Landtmann von Washington sozusagen).
Noch ein Lob des Klimas: Mit Ausnahme der manchmal unerträglich schwülen Monate von Juni bis Mitte September hat die Stadt ein angenehm mildes Klima, im Winter mit kalten Morgen, aber mit einem lauen Frühling und Herbst bis in den November hinein. Derzeit ist es hier klar und mild wie in einem späten September in Rom. Kein Wunder, Washington liegt auf der Höhe von Sizilien.

Was mich immer wieder total befremdet und mir in Washington (und anderen US-Städten) besonders unangenehm auffällt, auch wenn ich das immer mehr auch aus deutschen Städten wie Hamburg und Frankfurt kenne: In der Nacht die Obdachlosen auf der Strasse, meist in den Nischen der großen Bürohäuser. Obwohl sie in diesem warmen Spätherbst noch mehr in den Parks schliefen mit all ihren mitgeführten Habseligkeiten. Im Winter wird es dort zu kalt für sie, dann liegen sie in Riesenschachteln - am Rande der Überflussgesellschaft. Es seien meist geistig Behinderte, die keine Verwandten haben, so eine der verlegenen Erklärungen der Einheimischen. Denen ich sagen musste: Eine Schande ist das, für die ich und kein Europäer je Verständnis haben wird. Ein paar tausend Obdachlose müsste eine solche Stadt versorgen können, nicht nur mit Essen, wie sie es tut, auch mit einem Dach über dem Kopf.

Trotzdem: Ausgerechnet Washington, die Hauptstadt, ist vom Lebensgefühl her vielleicht mehr noch als San Francisco mit seiner typischen Westküsten-Charakteristik, die „europäischste“ Stadt der USA. Und sie ist auch deshalb, wenn schon keine eigene Reise, so doch einen richtigen Umweg wert!

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Bankmanager oder Politiker: Wer heuchelt mehr?

Deutsche Bank-Chef Ackermann verzichtet auf seinen Millionen-Bonus. Das ist ziemlich heuchlerisch- aber viele, die ihn kritisieren, sind es auch.

DB-Chef Ackermann hat im Vorjahr >14 Mio € und 2006 >13 Mio € verdient und war damit der bestbezahlte Manager aller Dax- Konzerne. Das ist ungeheuer viel Geld und auch als Entlohnung für exzellente Leistung, wenn sie denn da ist, kaum nachvollziehbar. Auch wenn die anderen deutschen Bankchefs nur ein Viertel und noch deutlich weniger als Ackermann verdienen: Viele Menschen sehen bei auch 3 Millionen € Jahreseinkommen solcher Spitzenmanager ihr Gefühl der "sozialen Gerechtigkeit" verletzt - auch wenn die meisten insgeheim wohl gerne ebenso erfolgreich wären.
Nun also hat Ackermann angekündigt, auf seinen Bonus heuer verzichten zu wollen.
Das klingt gut, ist aber eine ziemlich scheinheilige Aktion. Denn nach allem was man annehmen kann, hätte er heuer ohnehin kaum mehr einen fetten Bonus bekommen. Verzichten kann man nur auf etwas, was einem zusteht. Die größte Weltbankenkrise seit 70 Jahren hat auch die Gewinne der Deutschen Bank abrasiert, abgesehen davon, dass sie in Deutschland zu den Banken gehörte, die das Spielcasino mitbetrieben haben. Auch wenn Ackermann bisher stolz ankündigt, keine Staatshilfe aus dem Rettungspaket zu benötigen - man bleibt misstrauisch, er hat schon zwei mal das "beginnende Ende der Krise" verkündet. Sie wurde aber nur schlimmer.
Und man muss auch (mit der FAZ u.a.) fragen, ob Ackermann damit nicht nur sein Institut stärken will und sowieso, wieder einmal (siehe meine früheren blog-Eontragungen) nur einen billigen PR-Erfolg einfahren wollte. Wenn ja, ist ihm das schon wieder gründlich misslungen. Hätte er diese gute Tat in den Vorjahren gemacht, sie wäre effizienter und glaubwürdiger gewesen.
Faktum ist, dass nicht nur Ackermann, der aber besonders als die Galionsfigur der deutschen Bankbranche, hohe Risken für seine Kunden, sein Haus und das Land eingegangen ist. Auch wenn es offenbar gerade noch mal gut gegangen ist. Und da wäre stille Bescheidenheit wohl angebrachter, als diese Ankündigung in "Bild".

Die Bezahlung, insbesonders das Bonus-System für Spitzen- Banker, muss jetzt rasch anders werden: Viel langfristiger und nachhaltiger (durch Boni erst nach jahrelang anhaltendem Erfolg) und ohne zweistellige Millionensummen im Jahr, jedenfalls in Europa. Der Unmut über Ackermann, seine Ankündigung ist also über weite Strecken berechtigt.

Doch auch die Hüter der "sozialen Gerechtigkeit" übertreiben nun schon wieder in ihrer Abscheu und dem Pranger, an den sie nun die Banker stellen.
„Schauveranstaltung“ nannte SPD-Fraktionschef Struck diesen Schritt Ackermanns, seine grüne Kollegin Künast verhöhnte Ackermanns Ankündigung als „ungeheure Chuzpe“.
Deshalb hier ein paar Bemerkungen, die Bankmanager zwar nicht in Schutz nehmen, aber die Verantwortungslast für das Schlamassel gerecht verteilen- auch auf die jetzt oft so laut schreienden Politiker.

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Die Finanzkrise- eine Krise des "Systems"?

Ja, und eine schwere noch dazu. Aber nicht die finale. Ein paar unbequeme, aber auch beruhigende Feststellungen zum Thema "Gier"

Diese Finanzkrise wird, wie viele des „kapitalistischen Systems“ vor ihr, von Gesellschaftsveränderern, den Gegnern der Marktwirtschaft, als ultimativer Beweis dafür propagiert, dass die am Ende sei. Die „Gier“ der Turbo-Kapitalisten sei schuld, und die habe nun den Selbstmord des Systems erreicht.

An dieser inzwischen allgemein bekannten Kritik stimmt einiges, vor allem die an der unfassbaren Dreistigkeit und Unfähigkeit mancher Spitzenbanker (siehe in Deutschland die "Hypo Real Estate") und spekulierender Superreicher, vor allem in den USA. Vieles davon stimmt aber auch nur teilweise, das Wichtigste, das Grundsätzliche stimmt gar nicht. Zur Gegenargumentation braucht es aber mehr als nur ein paar kurze Slogans der Sozialisten in allen Parteien. Hier ist sie - mit relativ unbekannten Tatsachen- und leider viel umfangreicher als diese.

Die „Gier“
Ja, sie war eine der Ursachen dieses Desasters! Die hatten aber nicht nur die Spitzenmanager, auch Politiker, Staaten und auch „kleinen Leute“ - fast alle.
Gier gibt es sowieso immer und in jeder Gesellschaft, sie ist einer der Antriebe des Menschen und des Fortschritts (ohne den die acht Milliarden nicht besser sondern schlechter leben würden als ihre Vorfahren). Das ewige Wechselspiel von Gier und Angst schafft den Mehrwert, nicht nur für die in ihrer Gier Erfolgreichen, sondern langfristig für alle. Nichts anderes findet so effizient das beste Verhältnis für Aufwand und Ertrag unserer Arbeit.

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Bildungs-Stalinisten

Im rot-roten Berlin zeigt sich besonders, wie falsch sozialdemokratische und grüne Ideologie in der Bildungspolitik ist - und warum Kanzlerin Merkel nun auch da punktet.

Vier brandaktuelle Meldungen zum Thema Bildung beweisen wieder einmal, dass man keine Vorurteile gegenüber linker Politik haben muss: Es reichen die Fakten, um den Sieg der Ideologen über die Pragmatiker zu bedauern.

1. Berliner Türken leben mehrheitlich vom Staat

Eine neue Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Köln zu Migranten (nur) in Berlin sagt: 75,3 %(!) aller Türken hier haben keinen Schulabschluss oder irgendeine Berufsausbildung. Unter den türkischen Migranten der zweiten und dritten Generation beansprucht ein größerer Teil staatliche Hilfe als aus der ersten Generation. „Unter allen Personen mit türkischen Wurzeln stützt weniger als die Hälfte ihren Lebensunterhalt auf Erwerbseinkommen.“ Im Klartext: Sie leben vom Staat bzw. den fleißigen, tüchtigen Mitbürgern meist deutscher Herkunft. Die „Dramatik“ nimmt lt. DIW weiter zu: 43 % aller Berliner Kinder unter 10 Jahren hat einen „Migrationshintergrund“, im Westteil der Stadt sogar 53 %, also mehr als die Hälfte und mehr als sonst wo in Deutschland.
Das DIW fordert daher vor allem große Anstrengungen im Bildungsbereich in den „bildungsfernen“ Schichten, wie heute verschämt das Proletariat umschrieben wird und jene türkischen Familien, die noch in dritter Generation bewußt nur türkisch reden - und nicht nur wegen der oft analphabetischen „Importbräute“ aus Anatolien und der ausschließlich türkischen TV-Programme.

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Foto vom Autor Reinhard Frauscher Reinhard Frauscher betrachtet das politische Treiben in der deutschen Hauptstadt - und er beobachtet Österreich aus dem Blickwinkel der Nachbarn.

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